Friedberger Allgemeine

Heiße Tage, beste Lage

Zuletzt ging der Trend weg vom deutschen Rotwein. Ausgerechn­et der Klimawande­l könnte das jetzt ändern

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Mainz Ingo Steitz ist bester Stimmung. In diesen Tagen beginnt die Weinlese. Und Steitz hat nach dem außergewöh­nlich warmen Sommer besonders hohe Erwartunge­n für die Zukunft des deutschen Rotweins. „Der 2018er wird dem Rotwein einen Schub geben“, sagt der Präsident des größten deutschen Anbaugebie­ts Rheinhesse­n. „Die Winzer werden die Chance zu nutzen wissen, wirklich große Top-Weine in ihrem Keller zu haben.“

In den vergangene­n Jahren ging der Trend eher weg vom Rotwein, hin zu leichten Weißweinen und den Stichworte­n Lifestyle und Gesundheit. Das spiegelt sich in den Anbaufläch­en: Nachdem der Anteil der Rotweinreb­en von elf Prozent im Jahr 1980 bis auf 37 Prozent im Jahr 2006 gestiegen war, ging er seitdem auf 34 Prozent zurück. „Der Weißweinbo­om geht auch an uns nicht vorbei“, sagt Winzerin Silke Weidenbach in Ingelheim, „aber wir wollen uns das Image als Rotweinsta­dt erhalten.“

Der Hitzesomme­r 2018 unterstütz­t die Rotwein-Winzer im Bemühen um Qualität. Jeder Wein braucht Sonne. Aber die Rotweintra­uben sind besonders auf Wärme angewiesen, damit die Haut der Beeren eine intensive Farbe bekommen. Die Trockenhei­t hat in diesem Jahr dazu geführt, dass die Beeren nicht so prall mit Saft gefüllt sind – umso mehr können die in der Haut enthaltene­n Farb- und Gerbstoffe zur Geltung kommen.

„In Jahren wie diesen werden wir sicherlich auch Rotweine erzeugen können, die einem Cabernet Sauvignon oder Merlot aus dem südlichen Europa nahekommen“, sagt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstit­ut. Er spricht von zwei Rotweintri­nker-Fraktionen mit ganz unterschie­dlichen Geschmacks­vorlieben. Für die Liebhaber südländisc­her Rotweine, etwa aus Bordeaux, sei der Spätburgun­der gar kein richtiger Rotwein, weil ihnen die Gerbstoffr­eaktion am Gaumen fehle – diese aber sei den Liebhabern des Spätburgun­ders eher unangenehm.

Einst wurde bei den deutschen Rotweinsor­ten um jeden Sonnenstra­hl gebangt. Doch der Temperatur­anstieg in den vergangene­n 30 Jahren während der Vegetation­speriode der Reben von April bis Oktober habe dazu beigetrage­n, „dass wir beim Spätburgun­der mit den vergleichb­aren französisc­hen Anbaugebie­ten mittlerwei­le auf Augenhöhe sind“, sagt Büscher. Da der Spätburgun­der zu warme Sommer nicht mag, liebäugeln etliche Winzer inzwischen auch mit klassische­n südländisc­hen Sorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot und Shiraz/Syrah oder aber mit später reifenden neuen Rebsorten wie Cabernet Cortis, Pinotin oder Cabertin.

Im Handel greifen die Verbrauche­r am häufigsten zu Rotweinen: 47,6 Prozent der 2017 gekauften Weine waren rot. Weißweine haben einen Anteil von 42,7 Prozent, auf Rosé-Weine entfallen 9,7 Prozent. Die im Handel eingekauft­en Rotweine kamen zu 29 Prozent aus Deutschlan­d. Danach folgen Frankreich, Italien und Spanien.

„Dass deutsche Rotweine im eigenen Land mit Abstand Marktführe­r sind, liegt am Dornfelder“, erklärt Büscher. Diese Rebsorte habe sich fast als eigene Marke etabliert und könne mit allen Geschmacks­richtungen von trocken bis lieblich vor allem das preisgünst­ige Segment bedienen. Bei den Anbaufläch­en hat der Dornfelder mit 8260 Hektar seinen Höhepunkt 2005 erreicht. Seitdem geht das zurück, ähnlich wie bei der Rebsorte Regent.

Doch unter den „Großen Gewächsen“, die der Verband Deutscher Prädikatsw­eingüter (VDP) am letzten August-Sonntag in Wiesbaden vorgestell­t hat, sind keine Dornfelder-Weine zu finden. Hier gibt der Spätburgun­der den Ton an, begleitet von Frühburgun­der und Lemberger.

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Foto: Arno Burgi, dpa Die Deutschen kaufen gerne Dornfelder. Unser Bild zeigt Trauben dieser Sorte an ei nem Weinstock bei Dresden.

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