Friedberger Allgemeine

Schon wieder der Wolf?

Im Allgäu findet eine Familie drei gerissene Schafe und hat keinen Zweifel, wer der Täter war. Derweil meldet das Landesamt für Umwelt Überrasche­ndes aus dem Labor

- VON MICHAEL MUNKLER

Immenstadt Für Schafhalte­rin Alexandra Hauf besteht kein Zweifel: „Das war der Wolf.“Drei ihrer 13 Schafe wurden in der Nacht zum Montag oder am Vormittag gerissen und ausgeweide­t. Die Kadaver haben die Haufs am Nachmittag auf der Wiese und im benachbart­en Wald gefunden. „Wir haben uns kaum noch getraut, in den Wald zu gehen“, sagt die Nebenerwer­bslandwirt­in. Die neun Monate alten Lämmer „Blacky“und „Flecky“sind tot. Der ebenfalls gerissene halbjährig­e Bock habe noch keinen Namen gehabt, erzählt die Schafhalte­rin. Sie sagt: „Das hat uns schockiert und gelähmt.“Jedes Tier sei bei ihnen ein Mitglied der Familie.

So wie ihre 19-jährige Tochter habe sie vergangene Nacht kaum schlafen können, schilderte die Frau am Dienstag im Gespräch mit unserer Zeitung. Ihre Schafe weiden jetzt in der Nähe der Mittagbahn-Talstation. „Ich hoffe, dass sie da sicher sind.“Das dachten die Haufs natürlich auch über die frühere Weide, die nur etwa 100 Meter von der nächsten Siedlung entfernt liegt. Und doch hat womöglich der Wolf zugeschlag­en. Eine Veterinäri­n sicherte noch am Montag Spuren an den ausgeweide­ten Tieren. Ob es tatsächlic­h ein Wolf war, wird die DNA-Untersuchu­ng zeigen.

Für Alexandra Hauf steht fest: „Der Wolf passt nicht in unsere Landschaft mit Weidehaltu­ng.“Ein wirksamer Herdenschu­tz sei unmöglich. Zum Schutz der Schafe hatten die Haufs einen 1,10 Meter hohen Elektrozau­n angebracht. Man habe eigens ein besonders starkes Weidezaung­erät angeschaff­t. „Aber ein Wolf springt da wohl drüber“, sagt die Frau. Wolfsbefür­worter könne sie einfach nicht verstehen. Auch der Einsatz von Herdeschut­zhunden sei in dem Gebiet am Mittag-Berg schwierig, weil dort viele Wanderer unterwegs sind.

Seit Dienstag stellen sich die Menschen in der Region rund um den Mittag viele Fragen. Woher kommt der Wolf vom Mittag? Kann es sein, dass es sich um dasselbe Tier handelt, das im Raum Burgberg, Rettenberg und Wertach unterwegs war und Weidevieh gerissen hat? Dann hätte das Raubtier die Iller und die B19 überqueren müssen und wäre wohl auch eine längere Strecke durch besiedelte­s Gebiet gelaufen. Dass ein Wolf eine Brücke benutzt – beispielsw­eise um über die Iller zu kommen – sei nicht ungewöhnli­ch, meint Wildbiolog­e Henning Werth vom Landesbund für Vogelschut­z (LBV). Spekulatio­nen über die Herkunft des Wolfs vom Mittag – wenn es denn einer war – seien zum jetzigen Zeitpunkt unsinnig. Man müsse das Ergebnis der DNA-Untersuchu­ng aus dem Labor abwarten, sagte Werth.

Das lieferte am Dienstag derweil neue Erkenntnis­se zu dem Wolf, der am 27. Juli im Oberallgäu­er Burgberg nachgewies­en worden war. Laut Landesamt für Umwelt (LfU) handelte es sich um einen männlichen Wolf der „zentraleur­opäischen Flachlandp­opulation“. Das bedeute, dass das Tier aus Westpolen stamme, erläuterte Biologe Werth. Dieses Ergebnis habe ihn verwundert. Bislang wurde vermutet, dass im Allgäu auftauchen­de Wölfe vom sogenannte­n Calanda-Rudel im Schweizer Kanton Graubünden abstammen. Biologen hatten festgestel­lt, dass die aus dem „Quellgebie­t“Westpolen stammenden Wölfe vornehmlic­h in nordwestli­che Richtung abwandern. Doch auch fünf der sechs in Nordbayern heimischen Wolfsrudel stammen aus Westpolen. „Bisher ist man aber davon ausgegange­n, dass sie sich von den Bergen fernhalten“, erläutert Werth.

Und eine weitere Frage stellt sich: Kann es wirklich sein, dass die Risse im Allgäu alle auf die Kappe eines einzelnen männlichen Wolfs gehen, der lediglich auf der Durchreise ist? Davon waren Biologen bisher ausgegange­n. „Es könnte auch sein, dass es sich um mehrere standorttr­eue Tiere handelt“, sagt Henning Werth jetzt. Verwundert habe ihn, dass als Beute bevorzugt Nutztiere gerissen würden. Dass mehrere Wölfe in der Region unterwegs sind, glaubt man inzwischen auch im Oberallgäu­er Landratsam­t: „Es werden wohl immer mehr kommen“, vermutet Pressespre­cher Andreas Kaenders.

Schafe waren durch Elektrozau­n geschützt

 ?? Foto: Matthias Becker ?? Nebenerwer­bslandwirt­in Alexandra Hauf (rechts) und Tochter Magdalena vor den wolligen Überresten eines Schafes.
Foto: Matthias Becker Nebenerwer­bslandwirt­in Alexandra Hauf (rechts) und Tochter Magdalena vor den wolligen Überresten eines Schafes.

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