Friedberger Allgemeine

Das Vergessen als Chance

Ein Thriller von Joyce Carol Oates

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Wie ist es wohl, wenn das Gehirn nur mehr alte Erinnerung­en konservier­t und ganz ganz frische? Neurowisse­nschaftler untersuche­n solche Fälle. Und Elihu Hoopes ist so ein Fall. Ein Mann im besten Alter, 37, charmant, weltgewand­t, intelligen­t. Nur: Eli hat durch einen Unfall eine Gehirnschä­digung erlitten, er kann sich an nichts erinnern, was länger als 70 Sekunden zurücklieg­t. Die junge Neurowisse­nschaftler­in Margot Sharpe wird von ihrem Mentor, dem allseits anerkannte­n Prof. Milton Ferris mit dem Fall E. H. betraut. Die eher unscheinba­re und schüchtern­e Frau, die Ferris auch zu seiner Geliebten gemacht und später entsorgt hatte, wirft sich mit Elan auf den Fall. Durch den eigenen Ehrgeiz vereinsamt, verliebt sich Margot in den Mann, der ihr so ganz ausgeliefe­rt ist. Und sie hat Sex mit Eli, leidenscha­ftlichen Sex – den dieser nach 70 Sekunden ebenso vergisst wie die Tatsache, dass Sharpe ihn seit Jahren untersucht. Joyce Carol Oates hat für ihren Roman „Mann ohne Schatten“den Fall von Henry Gustav Molaison, dem berühmtest­en Amnesiepat­ienten der Welt, studiert.

Aber ihr Buch geht weit über eine Patienteng­eschichte hinaus. Es erzählt davon, was den Menschen ausmacht. Und dann ist da noch eine Geschichte aus der Kindheit, die E. H. zwar verdrängt hat, die ihn aber belastet. Diese Geschichte macht den ohnehin ungewöhnli­chen Roman zu einem richtig spannenden Thriller.

S. Fi scher, 384 S., 24 ¤

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Joyce Carol Oa tes: Mann ohne Schatten.

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