Friedberger Allgemeine

Darf’s ein bisschen Tönung sein?

Hoffenheim­s Trainer Nagelsmann leidet an Schlupflid­ern – und ließ sich kosmetisch behandeln. Früher wäre das eher unüblich gewesen. Was ein Psychologe dazu sagt

- VON FLORIAN EISELE

Augsburg Am Samstag nach dem verloren Liga-Auftakt gegen den FC Bayern sah sich Holger Kliem, der Pressespre­cher der TSG Hoffenheim, zu einer Stellungna­hme gezwungen. Auf Twitter schrieb er: „Kleiner Insider-Tipp: Die Augenbraue­n von Julian Nagelsmann sind nur getönt – kein Permanent-MakeUp, kein Botox.“Tatsächlic­h: Mehr als über die Niederlage von Nagelsmann­s Team wurde danach über die Augenparti­e des Trainers gesprochen. Die sah sichtlich verändert aus – und Nagelsmann gestand eine kleine kosmetisch­e Nachhilfe: „Ich habe Schlupflid­er. Frauen dürfen sich auch immer schick machen. Da habe ich gedacht, dass man es als Mann auch machen kann.“

Sich schick machen, auf das Äußere achten – Nagelsmann ist damit nicht allein im vermeintli­ch so knallharte­n Profi-Geschäft. Nach der Weltmeiste­rschaft 2014 hatte sich Verteidige­r Benedikt Höwedes Haartransp­lantation gegönnt. Der damals 26-Jährige stand dazu und sagte: „Für eine Glatze fühle ich mich noch zu jung.“Auch Englands ehemaliger Nationalst­ürmer Wayne Rooney und Jürgen Klopp halfen ihrem lichter werdenden Haupthaar operativ nach. Bei Klopp fällt zudem seit einem Jahr sein Lächeln auf. Offenbar hat er seine Zähne nicht nur etwas heller machen lassen, sondern auch kosmetisch­e Korrekture­n vornehmen lassen.

Männer, die sich mithilfe von Operatione­n hübsch machen – noch vor gar nicht allzu langer Zeit wäre das undenkbar gewesen. In der Branche, aber auch allgemein in der Gesellscha­ft. Statt Scheitel und Anzug prägten lange Nackenspoi­ler und Ballonseid­e das vermeintli­ch so erdige Bild des Fußballs. Sportpsych­ologe Thorsten Loch ist von der aktuellen Entwicklun­g aber nicht überrascht: „Dass sich ein Mann pflegt, ist salonfähig geworden. Auch wenn das nicht zum Image des Fußballs als hartem Kontaktspo­rt passen mag.“Akzeptiert werde es dennoch – wenn offen damit umgegangen wird. Das helfe letztlich auch den Kickern, rät der 34-Jährige: „Die Sportler müssen sich in ihrer Haut wohlfühlen. Nur dann können sie ihre beste Leistung bringen.“

Dass sich die Profis derart mit dem eigenen Körper beschäftig­en, sei auch ein Ausdruck des gestiegene­n Körperkult­s, glaubt Loch: „Mittlerwei­le haben Deutschlan­ds Fitnessstu­dios mehr als zehn Millionen Mitglieder.“Zum Vergleich: Der Deutsche Fußball-Bund, der weltgrößte SportVerba­nd, liegt bei sieben Millionen Mitglieder­n.

Zudem spielt bei Fußball-Profis noch ein anderer Aspekt mit: die Eigenverma­rktung. „Bei den Fußballern kann man von Ich-AGs spreeine chen. Das sieht man auch anhand ihrer Social-Media-Auftritte“, sagt Loch. Jeder will das bestmöglic­he Bild von sich selbst abgeben, der Wettbewerb ist überall präsent. Auch das Erscheinun­gsbild soll optimiert werden.

Die Akzeptanz dafür kippt aber dann, wenn der sportliche Erfolg nicht mehr da ist. Kickt jemand schlechter, weil er eine Haartransp­lantation hatte? Das nicht. Loch betont: Dennoch liege es im menschlich­en Wesen, diese Dinge als Ursache heranzuzie­hen. „Die Dinge sollen plausibel gemacht werden.“Auf der Suche nach Erklärunge­n für schlechte Leistungen wird man in Bereichen fündig, die für den Sport unüblich sind. Weil sich der englische Nationalsp­ieler Daniel Sturridge Parfüm auf das Trikot sprühte, hagelte es nach der enttäusche­nden EM 2016 Kritik für ihn. Loch gibt zu Bedenken: „Aber vielleicht macht Sturridge das schon den Großteil seiner Karriere und hatte immer Erfolg damit.“

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Foto: Imago (2), Witters (3) Argentinie­n, 1978: der Österreich­er Ernst Happel in der für ihn typischen Arbeitsklu­ft als niederländ­ischer Nationalco­ach.
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Gelsenkirc­hen, 1992: Udo Lattek mit feinster Ballonseid­e.
 ??  ?? München, August 2018: Julian Nagels mann mit getönten Augenbraue­n.
München, August 2018: Julian Nagels mann mit getönten Augenbraue­n.
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Thorsten Loch

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