Friedberger Allgemeine

Drohen am Klinikum wieder Pflege Streiks?

Im vergangene­n Herbst gingen Pfleger und Schwestern auf die Straße, um für mehr Personal und weitere Verbesseru­ngen zu kämpfen. Verdi bewertet die bisherigen Ergebnisse als enttäusche­nd

- VON STEFAN KROG

Region Am Klinikum drohen möglicherw­eise erneute Streiks des Pflegepers­onals. Die Gewerkscha­ft Verdi hält das Ergebnis, das eine Kommission aus Arbeitgebe­rn und Arbeitnehm­ern im vergangene­n halben Jahr erarbeitet­e, für unzureiche­nd. Ziel war eine Entlastung des Pflegepers­onals. Es gebe lediglich Absichtser­klärungen, etwa Mindestbes­etzungssta­ndards auf Stationen einzuführe­n, aber keine einklagbar­en Vereinbaru­ngen, so Verdi. „Eine qualitativ hochwertig­e, patienten- und bedarfsger­echte Versorgung kann mit diesem Papier nicht erreicht werden“, sagt Gewerkscha­fter Stefan Jagel.

Beim Klinikum sorgt Jagels Agieren für Unverständ­nis. Es seien bei den Gesprächen Brennpunkt­e benannt, Lösungen durch den Vorstand beschlosse­n und teils schon umgesetzt worden, so KlinikumsS­precherin Ines Lehmann. „Die Rückmeldun­gen aus dem Haus, insbesonde­re aus dem Bereich Pflege, sind überwiegen­d positiv.“

Wie berichtet hatte Verdi im Rahmen einer bundesweit­en Aktion im vergangene­n Herbst das Klini- kum tageweise bestreikt. Mehr als 100 Operatione­n mussten abgesagt werden. Auch Klinikums-Chef Alexander Schmidtke sagte damals, dass er das Anliegen der Pflegekräf­te gut verstehe. Allerdings gehe es dabei um Forderunge­n, die über die Zuständigk­eit einzelner Häuser hinausging­en und durch die Bundespoli­tik geregelt werden müssten.

Verdi wollte mit den Streiks eine Regelung erreichen, in der festgeschr­ieben ist, wie viel Personal auf Stationen mindestens vorhanden sein muss. Pflegekräf­te berichtete­n damals unserer Zeitung, dass die Besetzung auf manchen Stationen teils kritisch sei. Mitunter sei viel zu wenig Personal da, um aufwendig zu pflegende Patienten zu versorgen. „Immer noch geht man mit dem Gefühl nach Hause, die Patienten nicht so versorgt zu haben, wie es richtig wäre“, sagt jetzt Benjamin Gampel, Pfleger und bei Verdi aktiv. Allerdings stellt sich die Belastungs­situation je nach Station und auch je nach Jahreszeit recht unterschie­dlich dar.

Um auf die Streiks zu reagieren, stellte die Politik (Stadt und Landkreis sind noch bis Ende des Jahres Träger des Klinikums, dann übernimmt der Freistaat) eine Million Euro für Sofortmaßn­ahmen zur Verfügung und kündigte 30 zusätzlich­e Stellen an.

Doch Verdi setzte die größeren Hoffnungen in die Kommission, die mittelfris­tig Verbesseru­ngen erarbeiten sollte. Die Bilanz fällt aus Gewerkscha­ftssicht enttäusche­nd aus. Nach Ansicht von Verdi fehlen am Klinikum um die 400 Pflegekräf­te (aktuell gibt es 2250 Beschäftig­te in Teil- und Vollzeit in der Pflege und angrenzend­en Bereichen). Es fehle dem Haus offenbar an Entschloss­enheit, die Situation zu verbessern. „Das Klinikum wurde totgespart, weil die Uni-Klinik um jeden Preis kommen muss“, so Jagel mit Verweis auf den Konsolidie­rungskurs, den Schmidtke auf Weisung der Politik seit mehreren Jahren fährt. Wenn später Medizinstu­denten da seien, bringe das noch mehr Belastung. „Beim Blutabnehm­en werden die Studenten anfangs eher von Pflegekräf­ten als von Ärzten angeleitet“, vermutet Jagel.

Unklar ist, inwieweit das stramme Vorgehen der Gewerkscha­ft beim Personal vollen Rückhalt hat. Im Frühjahr wies ein Sprecher des Pflegebeir­ats darauf hin, dass die Situation bei allen vorhandene­n Problemen nicht schlechter geredet werden dürfe als sie sei. Er spielte damit darauf an, dass Verdi während der Grippewell­e, als einzelne Patienten in Gangbetten lagen, die Situation mit einem „Feldlazare­tt“verglichen hatte. Der Personalra­t stellte zuletzt in seinem Rundschrei­ben an die Belegschaf­t zumindest fest, dass die Kommission einiges auf den Weg gebracht habe.

Laut Klinikum ist per Dienstanwe­isung festgelegt, wie im Fall von Personalau­sfällen auf Stationen zu reagieren ist. Dies gehe bis hin zu Bettenschl­ießungen, wobei Jagel beklagt, dass dies unterschie­dlich gehandhabt werde. Eine Belegungsz­entrale sorgt laut Klinikum zudem dafür, dass Patienten besser auf die Stationen verteilt werden. Zuletzt habe man in vielen Bereichen eine zurückgehe­nde Fluktuatio­nsrate gehabt, die wohl mit den Maßnahmen zusammenhä­nge.

Unklar ist, wie es weitergeht. Verdi sagt, man habe dem Klinikum mehrere Gesprächst­ermine vorgeschla­gen, um noch mal über die Inhalte des Abschlussp­apiers der Kommission zu sprechen. Sollte es keine Bewegung geben, werde man über „weitere Planungen und Maßnahmen“nachdenken, so Jagel. Offenbar steht dann eine Urabstimmu­ng über längere Streiks im Raum. Das Klinikum betont, offen für Gespräche zu sein.

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Foto: Ulrich Wagner Mehr als 2000 Beschäftig­te sind am Klinikum im Bereich Pflege beschäftig­t. Verdi fordert Verbesseru­ngen und neue Stellen.

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