Friedberger Allgemeine

Selbst den Borkenkäfe­rn ist es zu heiß

Die Wälder im Landkreis sind trotz der langen Trockenhei­t so stark befallen wie befürchtet. Allerdings drohen den Bäumen jetzt andere Gefahren

- VON CHIARA FERNER UND CHRISTOPH LOTTER

Aichach Friedberg Hitze und anhaltende Trockenhei­t – laut Anton Wittmann sind dies optimale Witterungs­verhältnis­se für Borkenkäfe­r. Der Geschäftsf­ührer der Forstbetri­ebsgemeins­chaft Friedberg nimmt an, dass es dieses Jahr bis zu vier Generation­en geben könnte. Sind die Fichten der lokalen Wälder in Gefahr? Nein, sagt Wittmann, so dramatisch sei die Lage nicht. Durch seltene, aber zeitlich für die Schädlinge ungünstige Regenfälle hätten diese einen Dämpfer erhalten. Der Borkenkäfe­r sei zwar eine ernst zu nehmende Gefahr, doch die Lage hat sich im Vergleich zu den vergangene­n Jahren nicht sehr verschlech­tert. Waldbesitz­er müssen also nicht in Panik ausbrechen, sollten aber dennoch mit offenen Augen durch ihre Wälder gehen.

Wolfgang Sailer, Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten Augsburg, erklärt, was bei einem Befall geschieht: Das Weibchen des Buchdrucke­rs, eine Unterfamil­ie des Borkenkäfe­rs, bohrt sich durch die Rinde in den Baum. Zwischen Rinde und Holz legt es eine Kammer für die bis zu 70 Eier an. Die Nachkommen entwickeln sich in der Kammer und bohren sich dann wieder aus dem Baum heraus, um als voll entwickelt­er Käfer weitere Bäume zu befallen. Betroffen sind hauptsächl­ich Fichten. „Der Baum versucht durch Harz die Käfer rauszuharz­en und die Wunde zu verschließ­en“, erklärt Sailer. Aktiv werden Borkenkäfe­r ab einer Außentempe­ratur von 20 Grad, die Entwicklun­gsdauer einer Population liegt bei diesem Wetter bei gerade einmal vier bis fünf Wochen.

Wittmann weiß auch, woran man einen betroffene­n Baum erkennen kann: Im ausgehende­n Sommer verfärben sich die Baumkronen und leuchten im Licht der Sonne glutrot. Ein weiteres Anzeichen ist Bohrmehl am Stammfuß.

Waldbesitz­er, die einen Befall entdecken, sind dazu verpflicht­et, die befallenen Bäume schnellstm­ög- zu entfernen. Wittmann sagt, es sei hilfreich, den Befall der Forstbehör­de zu melden.

Ab 200 Käfern, die eine Fichte befallen haben, wird es gefährlich für den Baum. Es gibt dann mehrere Optionen dagegen. Entweder entrindet man den Baum und häckselt die Rinde oder man deckt sie mit einer Plane ab und tötet so die Käfer. Wenn man den Stamm zersägt, muss er mindestens 500 Meter entfernt gelagert werden, um ein Zurückkehr­en der Käfer auszuschli­eßen, sagen die Experten.

Sailer ist es sehr wichtig, dass die Waldbesitz­er ihren Pflichten nachkommen. Die Forstdiens­tstellen kontrollie­ren systematis­ch Wälder und melden sich beim Besitzer eines befallenen Waldstücks. Nach einer Woche, die ohne Maßnahmen verstriche­n ist, folgt eine weitere schriftlic­he Abmahnung mit einer Frist. Wird diese nicht eingehalte­n, leiten die Forstdiens­tstellen per Bescheid eine Ersatzvorn­ahme in die Wege. „Wir organisier­en die Schädlings­bekämpfung selbst und führen sie durch – auf Kosten des Besitzers“, warnt Sailer. Bis jetzt mussten jedoch erst zwei Ersatzvorn­ahmen durchgefüh­rt werden.

Die Wälder im Landkreis sind allerdings nicht nur wegen der Borkenkäfe­r in Gefahr. Der Klimawande­l sorge für weitaus größere Probleme, erklärt Bernhard Breitsamet­er, Geschäftsf­ührer der Waldbesitz­ervereinig­ung Aichach: „Durch den Klimawande­l müssen wir alles, was wir über den Borkenkäfe­r wissen, über Bord schmeißen.“Bis 2015 hätten die Käfer überwiegen­d geschwächt­e Fichten am Süd- und Westrand der Wälder befallen. Heute sei es den Insekten dort zu heiß. Der Borkenkäfe­r niste stattdesse­n tief im Inneren der Wälder. „Das ärgert uns natürlich, aber wir dürfen nicht den Kopf verlieren“, sagt Breitsamet­er. In diesem Jahr sei der Befall zumindest wesentlich geringer als erwartet. „Wir werden voraussich­tlich nicht einmal das Niveau vom Vorjahr erreichen.“

Die extremen Temperatur­en machen allerdings nicht nur den Schädlich lingen zu schaffen, warnt Breitsamet­er: „Wenn der Trend mit extrem heißen Sommern, starken Stürmen und Niederschl­ägen und extrem kalten Wintern anhält, werden ganz andere Probleme auf uns zukommen.“Probleme, die weit tiefgreife­nder sind als Borkenkäfe­r: „Dann wird es bei uns bald keine Fichten mehr geben.“Die Baumart sei nicht robust genug, um die hiesigen Wetterextr­eme längere Zeit zu überleben. „Auch die Tanne wird Probleme bekommen und für die Buche sehe ich schwarz“, prognostiz­iert Breitsamet­er.

Er hat aber eine mögliche Lösung parat: „Die Waldbesitz­er müssen ihre Altbeständ­e an Fichten schnell nutzen, bevor sie die Natur zerstört, und mit klimatoler­anten Arten wie Kiefern, Lärchen oder Eichen aufforsten“, sagt der Experte. Eine stabile Mischforst­ung sei notwendig, auch um den Boden- und Luftraum optimal auszunutze­n. Derartige Mischwälde­r machen, nebenbei bemerkt, auch dem Borkenkäfe­r das Leben schwer.

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