Erinnerung an Opfer aus Ried
Eine Ausstellung im Rathaus zeigt die Verbrechen zur Zeit des Nationalsozialismus auf. Ab September geöffnet
Ried Die Zeitzeugen werden immer seltener. Bald wird es niemanden mehr geben, der den Zweiten Weltkrieg und das Regime des Nationalsozialismus selbst erlebt hat. Umso wichtiger ist es, gegen das Vergessen vorzugehen. Rieds Archivar Jürgen Bode hat sich dem verschrieben. Nun wird der Historiker eine Ausstellung, die er „Gedenken an Viktoria“nennt, am Freitag, 21. September, um 14.30 Uhr im Rieder Rathaus eröffnen.
Bode hat die Ausstellung in drei Rubriken unterteilt: einmal die Zwangssterilisation, dann die Euthanasie und drittens gibt er einen Ausblick auf die Schoah (Holocaust). In Ried finden sich in den Archiven Zeugnisse über diese sensiblen Themen, und Bode wird anhand von Personen, die in Ried oder Umgebung gelebt haben, die Grausamkeiten dieser Zeit darlegen.
Im Mittelpunkt steht einmal die Schwester des ehemaligen Pfarrers Rudolf Küble in Ried. Die im Jahre 1935 42-Jährige war, wie anhand von Briefen aus dem Archiv zu sehen ist, eine intelligente Frau. Sie versorgte den Pfarrhaushalt und richtete in Ried eine Handarbeitsschule für Mädchen ein. Aufgrund einer Infektion, die nicht geklärt ist, wurde aus ihr ein psychisches Wrack. Trotz ihrer 42 Jahre – zu der Zeit bekamen die Frauen höchstens bis zum Alter von 35 Kinder – wurde ihr die Sterilisation angedroht. Das Schreiben liegt vor. Pfarrer Küble, der den Nazis skeptisch gegenüberstand, wurde ein ausgesprochener Feind und verweigerte auch den Hitler-Gruß. Ihm wurde der Transport nach Dachau angedroht. Auch dieses Schreiben liege vor, so Bode. Insgesamt wurden laut Archiv im Nationalsozialismus in Europa rund 400000 Menschen zwangssterilisiert und mehr als 200000 Psychiatriepatienten ermordet. Neben Behinderten und Kranken waren es auch „sozial auffällige“Menschen und nicht „systemkonforme“Personen, die als „Ballastexistenzen“gebrandmarkt wurden.
Bodes zweiter großer Punkt in seiner Ausstellung ist die Euthanasie. Menschen mit psychischen Erkran- kungen und geistigen Behinderungen wurden systematisch in eigens eingerichteten Tötungsanstalten durch Kohlenmonoxid umgebracht. Andere kamen in psychiatrischen Anstalten durch Nahrungsmittelentzug, Vernachlässigung oder bewusst falsch verabreichte Medikamente ums Leben. Angehörige der sozialen, helfenden Berufe waren an diesen Tötungen direkt beteiligt. Die Nationalsozialisten griffen dabei auf eine „rassenhygienische“Sicht zurück, die sich in die Tradition des sozialdarwinistischen Denkens stellte.
Hier kommt Viktoria aus Ried ins Spiel, die, so Bode, stellvertretend für viele andere steht, von denen keine Unterlagen mehr zu finden sind. „Ich möchte mit dieser Ausstellung Viktoria NN ehren und damit die vielen namentlich unbekannten Menschen ähnlichen Schicksals in unserer Heimat und darüber hinaus“, sagt Bode. Viktoria wurde 1940 „euthanasiert“und der Rieder Pfarrer vermerkte damals im Pfarrbuch auf Lateinisch und mit Bleistift: „Wir wissen, was passiert ist.“