Trachten Boom: Vom Negligé zum Discounter Dirndl
Monika Hoede ist Trachtenberaterin beim Bezirk Schwaben. Dass sich Dirndlmode verändert, ist keine neue Entwicklung. Früher gab man allerdings auch mal ein Jahresgehalt dafür aus. Und was hat das nun mit dem Nachtgewand zu tun?
Frau Hoede, was halten Sie von der Entwicklung, dass wieder mehr junge Menschen Tracht tragen – vor allem, wenn sie zu Volksfesten gehen? Hoede: Ich sehe das positiv. Wenn alle dieselbe Kleidung tragen, gehören sie zusammen. Das ist kein neues Phänomen. Und ich habe persönlich die Hoffnung, je beliebter die 20-Euro-Dirndl sind, desto mehr Menschen werden vielleicht motiviert, auch mal tiefer in die Tasche zu greifen und in Handarbeit zu investieren.
Heute gibt es Dirndl in allen Varianten. Wann ging das los?
Hoede: Trachten haben sich schon immer entwickelt, allerdings sehr behäbig. Vor 300 Jahren schaffte man sich ein Festkleid an und trug das dann im besten Fall ein Leben lang. Erst das der Kinder wurde dann moderner; schlicht deshalb, weil das Gewand neu war. Heute ändern sich modisch ja häufiger Kleinigkeiten. Das war früher anders. Etwa alle 20 Jahre gab es einen regelrechten Sprung in der Mode, der dann alle folgten.
Was hat sich im heutigen Vergleich am meisten verändert?
Hoede: Die Gewänder waren auch früher erstaunlich farbenfroh. Was es nicht gegeben hätte, sind die tiefen Ausschnitte und kurzen Röcke. Eine Jacke war Pflicht: Das Mieder sah man nur bei Tanzfesten und nur bei jungen Mädchen. Außerdem werden heute weniger solide Stoffe verwendet. Ein Fest-Gewand musste früher 40, 50 Jahre halten. Die Oberschicht investierte, wenn man es mit heute vergleicht, etwa ein Jahresgehalt in ein Hochzeitskleid. Das wurde dann zu jedem festlichen Anlass getragen. Mit dem heutigen Dirndl ist das nicht zu vergleichen.
Wie sah eine traditionelle Augsburger Tracht denn aus?
Hoede: Die wurde bis ins 18. Jahrhundert getragen und hatte viele Varianten. Kaiserin Josefine wurde bei einem Besuch die damalige Augsburger Stadttracht vorgeführt: ein langer, faltiger Rock, der Augsburger Kragen aus Spitzenstoff über einer eng anliegenden Jacke, und eine mit üppigen Metallspitzen besetzte Bockelhaube.
Heute wird Tracht mit Accessoires in Szene gesetzt. Früher ebenfalls? Hoede: Besonders beliebt war damals Silberschmuck, der von Generation zu Generation vererbt wurde. Das konnte der Mieder-Anhänger sein, aber auch der sogenannte Gollerbollen: zwei silberne Gewichte, die bei Frauen den Kragen stramm hielten. Damit sie nicht durch die Jacke verdeckt wurden, steckte man sie gerne im Jackenausschnitt sichtbar fest. Gab es solches Zubehör auch für Männer?
Hoede: Gerne getragen wurde und wird teilweise das Charivari, eine silberne Schmuckkette mit vielen Anhängern. Der Hausherr trug auch gerne einen Uhrschlüssel für die Standuhr spazieren, um zu zeigen, dass er sich eine Uhr leisten konnte, was damals nicht selbstverständlich war. Typisch für Schwaben waren Münzknöpfe, die ebenfalls Reichtum symbolisieren sollten.
Eine solche Tracht war ja teuer. Nicht alle hatten so viel Geld wie die Oberschicht. Was hat die Landbevölkerung getragen?
Hoede: Auf dem Land war Tracht einfach das alltägliche Gewand. Festtagskleidung trug man in der Kirche. Spannend finde ich dabei: Kleidung, die bei der Oberschicht als Negligé galt und nur bei privaten Besuchen getragen wurde, galt bei unteren Schichten als Festtagskleidung.
Wie kam denn das zustande?
Hoede: Schneider und Näherinnen standen wohl im regen Austausch, manche arbeiteten wohl für verschiedene Schichten. Und natürlich der Gebrauchtkleiderhandel. Aber da können wir nur spekulieren.
Zum Abschluss: Was macht eigentlich eine Trachtenberaterin?
Hoede: Wir beraten alle, die es interessiert – Privatleute, aber auch Vereine – zum Beispiel bei Schnitten oder traditionellen Borten. Die Anschaffung von Trachten bei Vereinen wird immer häufiger gefördert, inzwischen bin ich täglich dabei, dafür Gutachten zu erstellen. Monika Hoede, 54, ist Trachtenberaterin beim Bezirk Schwaben, Trachten schneidermeisterin und Volkskundlerin.