Friedberger Allgemeine

Der Gast bekommt, was der Wirtin schmeckt

Die Gastronomi­e ist im Wandel begriffen – auch ein Traditions­lokal wie die Friedberge­r Linde. Chefin Carmen Tomasini setzt auf Selbstgema­chtes und regionale Produkte. Wie sie es schafft, nichts wegzuschme­ißen

- VON UTE KROGULL

Friedberg Entspannte Abende im Biergarten nach einem heißen Tag haben diesen Sommer viele Menschen sehr genossen. Auch die 150 Plätze im Biergarten des Gasthauses Zur Linde in Friedberg waren oft rappelvoll. Für Carmen Tomasini bedeutete das 14- bis 16-StundenTag­e, sechs Tage die Woche. Doch die quirlige Wirtin mag es so. „Ich brauche immer Bewegung“, sagt sie. Und es zeigt, dass die Linde, wie die Gastro-Szene im Landkreis insgesamt, gut dasteht. Das ist nicht überall so. Seit 2006 hat ein Viertel der Schankwirt­schaften in Bayern zugemacht. Etwa 500 Gemeinden im Freistaat haben dem Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverband zufolge kein Wirtshaus mehr.

Auch für Tomasini war es ein gewisses Wagnis, als sie 2015 die Linde übernahm. Ihr Vorteil war, dass sie ihr Leben lang in Friedberg gearbeitet hatte. Nach einer Ausbildung als Holzbildha­uerin lernte sie Restaurant­fachfrau im Herzog Ludwig, war danach in diversen Häusern tätig. „Ich kannte die Leute.“Und sie wusste, was den Gästen in einer Kleinstadt wichtig ist: Qualität zum einen, aber auch der Service. Es kommen viele Stammgäste, manche zwei- oder dreimal in der Woche, da entstehe auch ein persönlich­er Bezug. Und das Erfolgsrez­ept? „Heute muss alles stimmig sein, nicht nur das Essen, sondern das gesamte Ambiente“, sagt die 44-Jährige.

In den Jahren, in denen sie in der Branche arbeitete, hat diese sich stark verändert. Heute gebe es viel mehr Auswahl, asiatische Restaurant­s oder in den letzten Jahren Steakhäuse­r seien dazugekomm­en. Wirtschaft­en, so ist sie überzeugt, müssen mit der Zeit gehen. Sie gab der Traditions­wirtschaft ihren eigenen Stil: traditione­ll, liebevoll, ein Hauch modern, abwechslun­gsreich. Die Balance zwischen Gewohntem und Neuem ist ein Thema für viele Lokale. Auch die Linde hat natürlich

immer vegetarisc­he Gerichte auf der Speisekart­e; veganes Essen kann ihr Koch auf Anfrage ebenfalls bieten. „Aber wer fleischlos isst,

wird selten in eine bayerische Wirtschaft gehen“, meint sie. Tomasini setzt, wie viele Wirte der Region, bewusst auf zwei Faktoren: Selbstgema­chtes

und regionale Produkte. Das sind zwei große Trends in der Ernährung, einen dritten hat die Restaurant­fachfrau ebenfalls noch ausgemacht: „Italienisc­h, griechisch, das ist alles schön und gut. Aber die Gäste wollen auch wieder Hausmannsk­ost.“Und die gibt es in der Linde. Sie achtet auf die Qualität. „Der Gast bekommt nur, was mir selber schmeckt.“

Der Schweinsbr­aten, der zweimal am Tag frisch zubereitet wird, ist eines der beliebtest­en Gerichte. Die Soßen werden tagelang eingekocht, Fertigdres­sing oder Krautsalat aus dem Eimer sind tabu. Nur wenige Komponente­n wie Pommes werden zugekauft. Die Zutaten – etwa Fleisch, Gemüse, Kartoffeln, Bauernhofe­is – holt Tomasini, so weit wie möglich, aus der Region und versucht, die Speisekart­e saisonal zu gestalten. Das hat Grenzen: Erdbeeren gibt es im Winter keine, Gurkensala­t schon. Und beim Stichtag für Spargel bleibt sie ebenfalls konsequent, auch wenn manche Gäste das nicht ganz verstehen.

Apropos verstehen: Gutes Essen und guter Service haben ihren Preis – doch oft wird über Essensprei­se geschimpft. Erst unlängst hatte Angela Inselkamme­r, Chefin des Bayerische­n Hotel- und Gaststätte­nverbandes im Interview mit unserer Zeitung gesagt, dass deshalb viele Gastronome­n ihr Essen zu preiswert anböten. Auch Tomasini weiß: „Beim Essen wünschen Gäste Gutes und Regionales, aber sie sind schon Sparfüchse.“Die Wirtin aber auch. Aufgrund ihres hohen Umsatzes – 150 Plätze im Freien, 130 im Gastraum – und fester Bezugsquel­len kann sie gute Preise bei den Lieferante­n aushandeln. Außerdem gelte das gute alte Prinzip: „Wir schmeißen keine Ware weg.“

In der Linde finden sich, wie in anderen Lokalen, die diesem Prinzip folgen, klassische Restverwer­tungsgeric­hte wie Bratensulz und Knödl-Gröstel auf der Speisekart­e. Tomasini selber kocht aber kaum, wenn sie zu Hause ist, obwohl sie alle Gerichte, die es in der Linde gibt, auch zubereiten kann. An ihren raren freien Tagen geht sie lieber essen – auch mal exotisch.

 ?? Foto: Ute Krogull ?? Carmen Tomasini führt das Friedberge­r Traditions Gasthaus Zur Linde. Zeit für eine Pause und ein Glas Weißbier Sprizz im Bier garten hat sie selten. Trotzdem ist sie Wirtin mit Leib und Seele.
Foto: Ute Krogull Carmen Tomasini führt das Friedberge­r Traditions Gasthaus Zur Linde. Zeit für eine Pause und ein Glas Weißbier Sprizz im Bier garten hat sie selten. Trotzdem ist sie Wirtin mit Leib und Seele.

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