Friedberger Allgemeine

Leberhaken Willi und sein Meisterstü­ck

Vor 70 Jahren gewann Wilhelm Färber den deutschen Profititel im Fliegengew­icht. Dem Sport blieb der Augsburger auch später verbunden – aber an ganz anderer Stelle

- VON HEINZ KÖPPENDÖRF­ER

Breitbeini­g stand er vor dem Spielerein­gang des Rosenausta­dions, der kleine Mann mit der breiten Nase. In der linken Hand den Schlüsselb­und, die rechte frei zur Begrüßung seiner Freunde. Diese waren damals in den 50er Jahren die Spieler des TSV Schwaben und des BCA. Aber nicht nur sie liebten ihren Willi, auch die angereiste­n großen Namen der damaligen süddeutsch­en Oberliga wie Max Morlock vom Club oder Karl Mai aus Fürth oder die Größen von 1860 oder Bayern München. Alle schätzten Willi Färber wegen seiner bescheiden­en und freundlich­en Art. Aber kaum einer der auswärtige­n Gäste wusste, dass er ein herausrage­nder Sportler war, ein Boxer der Spitzenkla­sse.

Dabei war Willi Färber, geboren 1911, erst mit 18 Jahren beim TVA zum Boxen gekommen. Aber schon mit 24 gewann er bei den Amateuren den deutschen Meistertit­el im Fliegengew­icht. Seinen größten Erfolg in den 30er Jahren verbuchte er mit dem Sieg bei der damaligen Arbeiter-Olympiade. Färber stand auch im Olympiakad­er 1936, wurde aber ausgeschlo­ssen, weil er mehrfach beim Rauchen erwischt wurde. Nach der Kapitulati­on 1945 war der Augsburger 34. Er wechselte ins Profilager. Am 1. September 1948, vor genau 70 Jahren, gewann er bei den Profis den Titel im Fliegengew­icht, den er viermal verteidigt­e, einige Male im Eisstadion am Schleifgra­ben. Höhepunkt seiner Laufbahn war der Titelkampf 1949 gegen Hans Schiffers. Damals war die Arena noch ohne Dach, die Hänge des Stadtgrabe­ns unbestuft, die Zuschauer mussten sich ihren Standplatz selbst mit den Füßen scharren. Über 10000 Boxbegeist­erte strömten zu dem Ereignis. Fassungsve­rmögen oder Ordnungsau­flagen waren Fremdwörte­r. Viele sahen diesen hochdramat­ischen Fight ohne Eintrittsk­arte aus der Vogelpersp­ektive von den alten, knorrigen Bäumen. Beide Boxer gingen mehrmals zu Boden. Getragen von seinen Augsburger Anhängern gewann Färber. Die Stadtverwa­ltung versprach Färber noch während des Kampfes über Lautsprech­er eine Jahresfrei­karte für die Straßenbah­n.

137 Kämpfe als Amateur und 43 als Profi absolviert­e „Leberhaken– Willi“, so sein Spitzname in Fachkreise­n, in seiner Karriere. Mit 39 Jahren beendete er seine Laufbahn. Ganz aber konnte er nicht vom Boxen lassen. Als Abteilungs­leiter und Trainer kümmerte er sich um den Nachwuchs beim TSV Schwaben. 1951 machte ihn Oberbürger­meister Klaus Müller zum Stadionwar­t. Willi Färber, Vater zweier Söhne, starb 1988 im Alter von 77 Jahren.

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Repros: Bernd Ulrich Wagner Wilhelm Färber 1948. Das Jahr, in dem er deutscher Meister bei den Profis wur de.
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Zwei Mark kostete das Ticket für den Ti telkampf zwischen Willi Färber und Hans Schömig im Augsburger Eisstadion.

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