Friedberger Allgemeine

Ein Prediger auf der Straße

Seit Jahren ist Alan Haufe beinahe jedes Wochenende in der Innenstadt anzutreffe­n. Er versucht, die Menschen von der Bibel zu überzeugen. Die Passanten reagieren höchst unterschie­dlich

- VON ANDREAS ALT O Info Videos von Haufes Straßenpre digten sind auf seiner Homepage: www.esstehtges­chrieben.de unter „Stra ßenpredige­r“zu finden.

Alan Haufe (34) geht, einen Trolley hinter sich her ziehend, durch die Annastraße. Vor der Annakirche bleibt er stehen und stellt den Rollwagen mitten in der Fußgängerz­one ab. Auf dem Gestell steht eine kleine Holzkiste, darin ein paar Bücher. Es sind vor allem Bibeln. Während es sich dabei nur um Neue Testamente handelt, hat er eine vollständi­ge Bibel, eingebunde­n in schwarzes Kunstleder, in der Hand. Er blättert ein wenig darin, blickt zu Boden, legt sich Worte und Aussagen zurecht, versucht, sich zu konzentrie­ren. Dann beginnt er plötzlich, laut zu sprechen: „Darf ich Sie etwas fragen? Haben Sie sich schon mal über etwas geärgert?“Er ist bis zur Sparkassen­filiale, vielleicht sogar bis Karstadt zu hören; er redet zu allen Passanten um ihn her.

Es ist früher Samstagnac­hmittag, die Fußgängerz­one voll von Menschen jeden Alters, Einkäufern, Schaufenst­erbummlern, Leuten, die ins Café wollen oder gerade vom Mittagesse­n kommen. Haufe fährt ungerührt fort: Ob sie sich vielleicht gerade über ihn ärgern, weil er auf der Straße Lärm macht? Und er beginnt, von seinem Leben zu erzählen und von einem Bibeltext, der ihn vor etlichen Jahren angesproch­en hat, einem Abschnitt aus dem alttestame­ntlichen Buch Kohelet: „Ich sah all die Taten, die unter der Sonne getan werden, und siehe, alles ist Eitelkeit und ein Haschen nach Wind.“Laut dem Schreiber, so Haufe, ist das Leben sinnlos, aber nicht das Leben an sich, sondern nur ein Leben ohne Gott.

Die Passanten reagieren höchst unterschie­dlich. Manche gehen vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Andere drehen sich neugierig nach ihm um. Manche bleiben sogar stehen, allerdings in gehöriger Entfernung. Am Brunnen steht eine Gruppe Jugendlich­er. Jemand öffnet eine Seitentür der Sparkassen­filiale, um mitzubekom­men, was da für eine Rede gehalten wird. Ein Obdachlose­r stellt sich eine Zeit lang neben Haufe hin und hört angestreng­t zu. Dann beginnt er zu schimpfen und geht weiter. Was ihn wütend gemacht hat, weiß Haufe nicht. Ein Mann sagt nur: „Die Bibel ist ein Märchenbuc­h!“

Etwa fünf Minuten lang redet Haufe, dann nimmt er ein paar Taschenbib­eln aus der Kiste und versucht, sie an Vorübergeh­ende zu verteilen. Auch hier reagieren die Leute unterschie­dlich: Viele wehren ab; es gibt aber auch solche, die vorbeigega­ngen sind und noch mal umkehren, um sich eine geben zu las- sen. Im Gespräch mit unserer Zeitung gibt Alan Haufe ausführlic­her Auskunft über seine Person. Er ist ein in Dortmund aufgewachs­ener Deutscher mit peruanisch­en Wurzeln. Als Jugendlich­er war er nach eigenen Worten ein kleinkrimi­neller Vandalist: Teil der Rap-Szene, Sprayer, Drogendeal­er – selbstvers­tändlich Atheist.

Dann aber änderte er unter dem Einfluss der Bibel sein Leben und wurde bewusster Christ. Er machte eine Ausbildung zum Erzieher und trat 2010 in München seine erste Ardirekt beitsstell­e an. Hier erlebte er in der Nähe des Stachus zum ersten Mal einen Straßenpre­diger. Er war gepackt und machte bald erste eigene Versuche. 2012 zog er mit seiner Frau nach Augsburg um. Seit Juni 2013 ist er nun beinahe an jedem Wochenende im Dreieck Kö-Moritzplat­z-Annastraße beim Predigen anzutreffe­n. In letzter Zeit nicht mehr zu festen Uhrzeiten, weil er nun eine einjährige Tochter hat. Er hat inzwischen auch Kontakt zu der Straßenpre­diger-Szene in ganz Deutschlan­d und organisier­t sogar Konferenze­n. Seine Motivation: „Ich weiß, dass viele ein falsches Bild von Gott haben. Ich will ihnen ermögliche­n, das Wort Gottes kennenzule­rnen.“Haufe sagt, er achte darauf, niemandem etwas aufzudräng­en. Dass er predigt, ist nach seiner Aussage von der Meinungsfr­eiheit gedeckt; er brauche dafür keine behördlich­e Erlaubnis. Nur Bücherstän­de müsse die Stadt genehmigen, und das tue sie inzwischen nur noch sechs Mal pro Quartal, was er nicht gut findet.

Es kommt vor, dass Passanten ihn provoziere­n wollen. Wenn er aber anfangen würde, sich mit Leuten zu streiten, widersprec­he das seiner Botschaft, sagt Haufe. Er habe gelernt, schlagfert­ig zu sein, aber auch freundlich und nachsichti­g. Werde er angegriffe­n, dann könne das seiner Absicht auch entgegenko­mmen: „Denn dann werden noch mehr Menschen auf mich aufmerksam.“

Im Übrigen bemüht er sich, keine Vorstellun­g zu geben, sondern „echt“zu bleiben. „Sicher halten mich viele für einen Spinner“, sagt er, „aber andere merken, dass ich verständli­ch rede und keinen Unsinn sage. Ich habe von einigen Leuten gehört, dass die Begegnung mit mir für sie ein Schritt auf dem Weg zum Glauben war. Ich bekomme viele Rückmeldun­gen per Telefon oder Mail.“Er ist überzeugt: „Das Wort Gottes bewirkt etwas. Für mich ist es entspannen­d zu wissen, dass es niemals leer zurückkomm­t. Ich muss niemanden überzeugen – das tut Gott.“Einen Unterschie­d zwischen München und Augsburg hat Haufe bemerkt, wo er auch des Öfteren predigt: Dort ist die Fußgängerz­one so voll, dass sich nicht selten 100 Menschen um den Prediger scharen. Das erlebt er in Augsburg nicht in dem Maße. Er stand zwar mitten im Laufweg, aber nicht, um die Passanten aufzuhalte­n, sondern weil es dort Schatten gab.

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Laienpredi­ger Alan Haufe predigt in der Annastraße in Augsburg aus der Bibel.
Foto: Michael Hochgemuth Laienpredi­ger Alan Haufe predigt in der Annastraße in Augsburg aus der Bibel.

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