Der Absturz einer Frau
Eine drogenabhängige Mutter mit tragischer Geschichte stiehlt immer wieder. Nun muss sie ins Gefängnis
Zwei Jahre und acht Monate muss eine 31-jährige Frau in Haft, weil sie laut Gericht gewerbsmäßig gestohlen hat. Die drogenabhängige Mutter hatte seit 2015 mindestens 18 Fahrräder in Augsburg, Neusäß und Königsbrunn gestohlen, zudem wurde sie vier Mal bei Ladendiebstählen erwischt.
Anfangs meint es das Leben gut mit der gebürtigen Russin. In Spanien geht sie zur Schule, studiert dort und hat einen guten Job als Software-Entwicklerin. Dann verliert sie 2011 in der Wirtschaftskrise ihre Stelle. Noch schlimmer: Bei einem Badeunfall stirbt ihr damals eineinhalbjähriger Sohn. In Deutschland, in Augsburg, sucht die Spanierin ab 2015 nach einem Neuanfang – gerät aber in die falschen Kreise. Die Beziehung mit dem Vater des zweiten Kindes zerbricht. Sie wird obdachlos, lebt selbst als hochschwangere Frau auf der Straße, greift zu Drogen.
Das Familiengericht nimmt ihr den Sohn weg und gibt ihn in eine Pflegefamilie.
Da hatte die Angeklagte bereits ihre ersten Diebstähle begangen. Teilweise sind es Kleinigkeiten wie Nüsse und Eis, die sie aus einem Supermarkt oder Discounter stiehlt. Teilweise nimmt sie teureres Parfüm oder wertvolle Bekleidung aus Kaufhäusern und Modegeschäfte mit, „um sie für den Familienunterhalt zu versilbern“, wie es ihre Verteidigerin Alexandra Gutmeyer dem Gericht schildert. Zu einer Haupteinnahmequelle werden Fahrraddiebstähle, eines der Opfer ist gar ein Augsburger Eishockey-Profispieler. Als die Polizei eine Fahrradübergabe nach einem E-Bay-Verkauf überwacht, kommt sie auf die Fährte eines Ankäufers, in dessen Lechhauser Keller über 70 Fahrräder zum Verkauf bereitstehen. Für 18 Fahrraddiebstähle (Gesamtschaden rund 4400 Euro) wird schließlich die 31-jährige Angeklagte zur Verantwortung gezogen.
In der Verhandlung vor dem Schöffengericht unter Leitung von Richterin Rita Greser gibt die 31-Jährige über ihre Verteidigerin ein umfassendes Geständnis ab. Es wird klar, dass sie aufgrund ihrer Drogensucht in eine Abwärtsspirale geriet. In der es laut medizinischem Gutachter Dr. Albert Stein nur noch darum ging, den nächsten Entzug zu vermeiden. Der Gutachter hält eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für dringend angeraten. Denn wie es sonst mit der Angeklagten weitergehen würde, sei vorhersehbar. Und einer drogenabhängigen Mutter werde kein Gericht jemals ihr Kind wieder zusprechen. Staatsanwältin Andrea Kovacs bildet aus allen zur Debatte stehenden Einzeldelikten die Forderung einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, wohingegen Verteidigerin Gutmeyer für eine Strafe von unter zwei Jahren plädiert, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden könne.
Das Schöffengericht verhängt schließlich eine Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten mit einer möglichst baldigen Einweisung in eine Entziehungsanstalt. Die Angeklagte sei eine gebildete Frau, dennoch habe sie dreist gehandelt und gewerbsmäßig gestohlen. Wolle sie je wieder engeren Kontakt zu ihrem Kind erreichen, so sei die erfolgreiche Entziehungskur der einzige Weg dazu, so die Richterin.
Erleichternd für die Angeklagte wirkt sich das Bemühen der Richterin in Sachen Gewinnabschöpfung aus. Hätte die 31-Jährige ursprünglich ihren „Diebstahl-Gewinn“von rund 5200 Euro an die Staatskasse zurückzahlen sollen, so stellt sich heraus, dass die vier Diebstähle in Geschäften ohne Beute für die Angeklagte blieben, weil sie erwischt worden war. Auch fast alle gestohlenen Fahrräder hatten ihren ursprünglichen Eigentümern zurückgegeben werden können. Damit blieb der Angeklagten eine entsprechende Rückzahlung erspart.