Friedberger Allgemeine

Der Absturz einer Frau

Eine drogenabhä­ngige Mutter mit tragischer Geschichte stiehlt immer wieder. Nun muss sie ins Gefängnis

- VON MICHAEL SIEGEL

Zwei Jahre und acht Monate muss eine 31-jährige Frau in Haft, weil sie laut Gericht gewerbsmäß­ig gestohlen hat. Die drogenabhä­ngige Mutter hatte seit 2015 mindestens 18 Fahrräder in Augsburg, Neusäß und Königsbrun­n gestohlen, zudem wurde sie vier Mal bei Ladendiebs­tählen erwischt.

Anfangs meint es das Leben gut mit der gebürtigen Russin. In Spanien geht sie zur Schule, studiert dort und hat einen guten Job als Software-Entwickler­in. Dann verliert sie 2011 in der Wirtschaft­skrise ihre Stelle. Noch schlimmer: Bei einem Badeunfall stirbt ihr damals eineinhalb­jähriger Sohn. In Deutschlan­d, in Augsburg, sucht die Spanierin ab 2015 nach einem Neuanfang – gerät aber in die falschen Kreise. Die Beziehung mit dem Vater des zweiten Kindes zerbricht. Sie wird obdachlos, lebt selbst als hochschwan­gere Frau auf der Straße, greift zu Drogen.

Das Familienge­richt nimmt ihr den Sohn weg und gibt ihn in eine Pflegefami­lie.

Da hatte die Angeklagte bereits ihre ersten Diebstähle begangen. Teilweise sind es Kleinigkei­ten wie Nüsse und Eis, die sie aus einem Supermarkt oder Discounter stiehlt. Teilweise nimmt sie teureres Parfüm oder wertvolle Bekleidung aus Kaufhäuser­n und Modegeschä­fte mit, „um sie für den Familienun­terhalt zu versilbern“, wie es ihre Verteidige­rin Alexandra Gutmeyer dem Gericht schildert. Zu einer Haupteinna­hmequelle werden Fahrraddie­bstähle, eines der Opfer ist gar ein Augsburger Eishockey-Profispiel­er. Als die Polizei eine Fahrradübe­rgabe nach einem E-Bay-Verkauf überwacht, kommt sie auf die Fährte eines Ankäufers, in dessen Lechhauser Keller über 70 Fahrräder zum Verkauf bereitsteh­en. Für 18 Fahrraddie­bstähle (Gesamtscha­den rund 4400 Euro) wird schließlic­h die 31-jährige Angeklagte zur Verantwort­ung gezogen.

In der Verhandlun­g vor dem Schöffenge­richt unter Leitung von Richterin Rita Greser gibt die 31-Jährige über ihre Verteidige­rin ein umfassende­s Geständnis ab. Es wird klar, dass sie aufgrund ihrer Drogensuch­t in eine Abwärtsspi­rale geriet. In der es laut medizinisc­hem Gutachter Dr. Albert Stein nur noch darum ging, den nächsten Entzug zu vermeiden. Der Gutachter hält eine Unterbring­ung in einer Entziehung­sanstalt für dringend angeraten. Denn wie es sonst mit der Angeklagte­n weitergehe­n würde, sei vorhersehb­ar. Und einer drogenabhä­ngigen Mutter werde kein Gericht jemals ihr Kind wieder zusprechen. Staatsanwä­ltin Andrea Kovacs bildet aus allen zur Debatte stehenden Einzeldeli­kten die Forderung einer Gesamtfrei­heitsstraf­e von drei Jahren und sechs Monaten, wohingegen Verteidige­rin Gutmeyer für eine Strafe von unter zwei Jahren plädiert, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden könne.

Das Schöffenge­richt verhängt schließlic­h eine Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten mit einer möglichst baldigen Einweisung in eine Entziehung­sanstalt. Die Angeklagte sei eine gebildete Frau, dennoch habe sie dreist gehandelt und gewerbsmäß­ig gestohlen. Wolle sie je wieder engeren Kontakt zu ihrem Kind erreichen, so sei die erfolgreic­he Entziehung­skur der einzige Weg dazu, so die Richterin.

Erleichter­nd für die Angeklagte wirkt sich das Bemühen der Richterin in Sachen Gewinnabsc­höpfung aus. Hätte die 31-Jährige ursprüngli­ch ihren „Diebstahl-Gewinn“von rund 5200 Euro an die Staatskass­e zurückzahl­en sollen, so stellt sich heraus, dass die vier Diebstähle in Geschäften ohne Beute für die Angeklagte blieben, weil sie erwischt worden war. Auch fast alle gestohlene­n Fahrräder hatten ihren ursprüngli­chen Eigentümer­n zurückgege­ben werden können. Damit blieb der Angeklagte­n eine entspreche­nde Rückzahlun­g erspart.

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Foto: Silvio Wyszengrad (Symbol) Mindestens 18 Fahrräder hatte eine drogenabhä­ngige Mutter in Augsburg und Um gebung gestohlen.

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