Wann sollten Handys an Schulen erlaubt sein?
Das Kultusministerium hat Einrichtungen ausgesucht, die eigene Regeln zur Nutzung von Mobiltelefonen testen sollen. Das Gymnasium St. Stephan ist dabei. Dessen Schulleiter sieht die eigentliche Herausforderung woanders
Ob das Handyverbot an Bayerns Schulen noch zeitgemäß ist, wird seit Längerem diskutiert. Das bayerische Kultusministerium startet ab diesem Schuljahr einen Versuch an 135 Schulen. Sie sollen ausloten, wie die Nutzung von Handys sinnvoll geregelt werden kann. Für das Projekt wurden auch drei Augsburger Schulen ausgewählt. Eine davon ist das Gymnasium St. Stephan. Dort hat man im vergangenen Schuljahr bereits ein eigenes Handy-Konzept getestet. Denn Schulleiter Bernhard Stegmann ist überzeugt: „Die bisherige Regelung an den Schulen passt nicht zum Verhalten der Schüler.“
Bayern ist bislang das einzige Bundesland, das ein Handyverbot in seinem Schulgesetz verankert hat. Eltern- und Lehrerverbände zweifeln aber daran, dass das Verbot zeitgemäß ist. Das Kultusministerium prüft, ob diese Regelung modifiziert werden muss. Es nähert sich dem Thema auch mit einem Versuch an, für den sich sämtliche Schulen bewerben konnten. Er ist auf zwei Jahre angelegt. In Augsburg dürfen die Staatliche Berufsoberschule und Fachoberschule sowie das Gymnasium St. Stephan teilnehmen. „Die Schulen haben zum Schuljahr 2018/2019 die Chance, eigenständig und praxisnah Regelungen zu erproben und damit alle Beteiligten vor Ort einzubinden“, sagt Kultusminister Bernd Sibler. Die Regeln sollen etwa die private Handynutzung zeitlich, räumlich oder altersspezifisch festlegen.
Das Gymnasium St. Stephan ist seiner Zeit voraus: Bereits in den vergangenen zwei Jahren erarbeiteten die Lehrer ein eigenes Konzept für die Handynutzung. Es wurde mit Vertretern der Schüler und Eltern abgestimmt. Letztes Schuljahr trat es in Kraft. Das Konzept definiert gemeinsame Werte und das Nutzungsverhalten. Darin ist etwa die Aufforderung zu einem respektvollen Umgang in den sozialen Netzwerken festgehalten. Es gibt auch Regeln für die Praxis. Dabei gelte weiter das Verbot von elektronischen Mobilgeräten auf dem Schulgelände, das das Schulgesetz betont Stegmann. Aber im Gymnasium St. Stephan wurden zwei Ausnahmen geschaffen. Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 10 bis 12 dürfen ihre Smartphones in der Zentralbibliothek benutzen. „Die Bibliothek ist unter Aufsicht. Da kann eine Lehrkraft auch mal genauer hinschauen“, sagt der Direktor.
Den Schülern der elften und zwölften Klassen ist zudem erlaubt, in ihrem Aufenthaltsraum Handys zu gebrauchen. Stegmann sieht es als unerlässlich an, solche Inseln zu schaffen. Die Regel, dass Mobiltelefone bis auf Ausnahmen an Schulen ausgeschaltet bleiben müssen, führt seiner Meinung nach an der Realität vorbei. Das zeige allein die tägliche Beobachtung der Kinder.
„Sie tragen ihre Smartphones in den Hosentaschen und haben den Flugzeugmodus an. Aber spätestens bei Stundenwechsel oder beim Gang zur Turnhalle wird der Modus ausgeschaltet und sie prüfen ihre Whatsapp-Nachrichten“, weiß er aus Erfahrung. Man könne natürlich 200 oder mehr Handys an einem Vormittag einkassieren, aber das sei nicht einfach. Auch reagierten Lehrer unterschiedlich. Deshalb erachtet er ein festes Konzept als notwendig. Was den Pädagogen jetzt noch fehle, sei eine wissenschaftliche Auswertung ihres Projekts. Die erhofft sich Stegmann durch die Begleitung des Kultusministeriums. Denn der Schulversuch wird durch das Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung evaluiert. Gleichwohl weiß der Schulleiter, dass sich weiterhin nicht alle Schüler an die Regeln halten werden.
„Wir Schulen sind am Kämpfen. Dieses Thema ist eine große Herausforderung. Wir dürfen nicht kavorgibt, pitulieren.“Stegmann geht es dabei nicht nur um den Einsatz von Handys zu Unterrichtszwecken. Die größte Herausforderung sei, die Schüler für einen inhaltlich vernünftigen Umgang zu sensibilisieren. Dass etwas getan werden muss, untermauert er mit einem Beispiel: „Schon in den fünften und sechsten Klassen haben alle Whatsapp-Gruppen. Darin tauschen sie sich über Hausaufgaben aus und unterhalten sich so miteinander, wie sie es auf dem Pausenhof von Angesicht zu Angesicht tun. Sie machen Witze, unterstützen sich, beleidigen sich.“
Der wesentliche Unterschied zum Gespräch auf dem Pausenhof ist laut Stegmann: Über Whatsapp wird auf dem Handy alles dokumentiert und eine Vielzahl von Schülern liest mit. „Wenn wir uns früher in der Pause gezofft haben, ist danach jeder nach Hause und hatte seine Ruhe. Jetzt aber geht es über das Handy auch am Nachmittag weiter. Betroffene Kinder entkommen dem nicht mehr. Sie können nur noch die Whatsapp-Gruppe verlassen, sind dann aber die echten Außenseiter.“Die Schüler schreiben teilweise strafrechtlich relevante Dinge, ohne dass ihnen das bewusst sei. Um Aufklärungsarbeit zu leisten, lade das Gymnasium St. Stephan regelmäßig einen Vertreter der Polizei ein.
Eine Kripobeamtin, die sich neulich auf einem Schülerhandy die Nachrichten durchsah, sei erstaunt gewesen. „Sie sagte, es sei unglaublich, was da alles läuft.“Deshalb geht für Bernhard Stegmann die Frage, wann Handys an Schulen genutzt werden dürfen, nicht weit genug. „Wir brauchen einen inhaltlich pädagogischen Prozess. Denn die Schule muss ein geschützter Raum bleiben.“