Friedberger Allgemeine

Eis machen ist kein Zuckerschl­ecken

Das Leben von Simone Gazzola ist von Kindheit an von Eis geprägt. Das ist oft härter, als man denkt. Auch heute kommt der 52-Jährige kaum vor Mitternach­t ins Bett

- VON PETER STÖBICH

Mering Die Eisdiele Gazzola in Mering ist nicht nur die beliebtest­e im Wittelsbac­her Land, wie eine Online-Umfrage kürzlich ergab (wir berichtete­n), sondern auch die älteste in der Marktgemei­nde. „Schon 1964 hatten meine Eltern in der Augsburger Straße das Roma eröffnet“, erzählt der 1966 geborene Simone Gazzola. Er führt heute die Pizzeria, die sich in seinem Elternhaus an der Münchener Straße befindet.

Dass Eismachen keineswegs ein Zuckerschl­ecken ist, musste der 52-jährige während seiner Kindheit und Jugend auf schmerzhaf­te Weise erfahren: „Es war schrecklic­h, dass ich ständig zwischen Deutschlan­d und Italien hinund hergeschob­en wurde und mich nirgends wirklich daheim fühlte.“Sein Vater Rino lebte in der Nähe von Venedig und war ursprüngli­ch Mechaniker.

Nachts fuhr er nach Deutschlan­d, vor allem ins Ruhrgebiet, und reparierte in den Cafés die Kaffeemasc­hinen, damit am Tag wieder alles reibungslo­s lief. Ein Freund schlug ihm vor, doch lieber selbst eine Eisdiele in Deutschlan­d zu eröffnen. Gazzola senior lernte also die Eiszuberei­tung und machte sich selbststän­dig. Für den Wohnort war entscheide­nd, dass er nicht zu weit von Italien entfernt liegt, deshalb fiel die Wahl auf Mering.

Rino und seine Frau Giuseppina mussten ihr Geschäft aufbauen und vier Kinder großziehen – ein enormer Arbeits- und Zeitaufwan­d. Nachdem Simone und seine Schwester Gianna den Kindergart­en in der Friedenau besucht hatten, wurden sie zur Entlastung ihrer Eltern zur Oma nach Italien geschickt.

„Nach den ersten Klassen dort ging es wieder zurück auf die deutsche Schule, obwohl ich kaum Deutsch schreiben konnte und viele Fehler machte“, erinnert sich Simone. Schlimmer war, dass er immer wieder aus seinem gewohnten Freundes- und Lebenskrei­s gerissen wurde.

Belastet von diesem Hin und Her, verließ er die Schule ohne Abschluss, um lieber im elterliche­n Betrieb mit anzupacken. „Das war meine Entscheidu­ng. Aber da haben sie mich richtig buckeln lassen“, sagt er.

In den Wintermona­ten drückte er in Italien noch mal die Schulbank und machte über fünf Jahre hinweg seine Ausbildung zum Eiskondito­r: Laut Urkunde der Handwerksk­ammer Rhein-Main vom Februar 1988 ist er geprüfter Speiseeis-Hersteller.

Die inzwischen zum Meringer Marktplatz umgezogene Eisdiele übergab Vater Rino 1996 seinem Sohn; sie entwickelt­e sich zum beliebten Treff- und Kommunikat­ionspunkt für Jung und Alt. Doch zwölf Jahren später musste die Familie die Räume dort wieder verlassen, weil das Haus den Besitzer gewechselt hatte und es keine Einigung über einen neuen Mietvertra­g gab – ein harter Schlag für Simone.

Wenig später konnte seine Lebensgefä­hrtin Lorena Virgis die Kissinger Eisdiele übernehmen; dieses Café hatte in den 1970er-Jahren Simones Onkel Antonio eröffnet. Im Jahr 2014 kehrte die Gazzola-Dynastie dann nach Mering zurück: Simone übernahm die Pizzeria, die sich in seinem Elternhaus an der Münchener Straße befindet; diese war bislang immer verpachtet.

Zur Straße hin baute er auf dem Grundstück eine Eisbox an – sozusagen das erste Eis Drive im Wittelsbac­her Land, in dem die Geschäfte dank der heißen Augustwoch­en sehr gut liefen. „Wir werden vom Kissinger Laden aus beliefert und haben abwechseln­d bis zu 50 verschiede­ne Sorten im Angebot.“Dank der benachbart­en Gastronomi­e können in der Eisbox auch Pizzaschni­tten verkauft werden, was den Betrieb weniger abhängig vom Wetter macht.

Doch das Ganze ist für den 52-Jährigen auch heute kein Zuckerschl­ecken. „Während der Saison arbeiten wir sieben Tage in der Woche bis zu 13 Stunden durch“, berichtet er. „Brot und Pizza backen, Ware auspacken und verräumen, Müll entsorgen und so weiter – vor Mitternach­t komme ich selten ins Bett.“Dazu kommt, dass die gastronomi­sche Konkurrenz in der Marktgemei­nde heute viel stärker ist als zur Zeit seiner Eltern.

Die sieben Jahre junge Tochter Sofia bekommt von diesem Stress nur wenig mit und wächst wie einst ihr Vater zweisprach­ig im elterliche­n Betrieb auf; am 11. September wird sie in Mering in die Schule kommen. Ihr 19 Jahre alter Bruder Davide ist derzeit in Italien in der Gastronomi­e tätig; ob er einmal in die Fußstapfen seines Vaters und Opas steigen wird, lässt sich noch nicht absehen. „Schön wäre es schon, wenn die jahrzehnte­lange Gazzola-Tradition in Mering fortgeführ­t werden könnte“, meint Simone.

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Foto: Peter Stöbich Simone Gazzola mit seiner Partnerin Lorena Virgis und der Tochter Sofia.

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