Friedberger Allgemeine

Schwere Zeiten für das Handwerk

Die Lehrzeit für neue Azubis hat begonnen. Bei einigen Unternehme­n im Landkreis ist die Situation dramatisch. Woran das liegt und welche Rolle die Gesellscha­ft spielt

- VON CHRISTOPH LOTTER HIER SAGEN SIE IHRE MEINUNG

Aichach Friedberg Für Andreas Erber ist 2018 ein Glücksjahr. Der Metzger aus Hollenbach hat seit vielen Jahren erstmals wieder einen Auszubilde­nden für seinen Betrieb gefunden. Heute beginnt der junge Mann seine Lehrzeit. So viel Glück wie der Metzger aus Hollenbach hatten heuer aber nicht alle Unternehme­n im Landkreis AichachFri­edberg. Bei manchen Firmen ist die Situation sogar dramatisch.

Dass sein neuer Azubi eine Lehre zum Fleischer machen wird, steht schon länger fest, erklärt Erber: „Er kommt aus dem Ort und ist schon vor zwei Jahren auf mich zugekommen. Der wollte das unbedingt machen.“Das habe Erber sehr gefreut, zumal sein eigener Sohn kein Interesse am Handwerk des Vaters zeigt, wie der Metzger zugibt.

Für kleinere handwerkli­che Betriebe sei es generell extrem schwer, Azubis zu finden, sagt Erber. Die Gründe dafür seien recht eindeutig: „Die Berufe sind einfach nicht mehr interessan­t für die jungen Leute. Früh aufstehen, körperlich arbeiten, das wollen die meisten nicht.“Zudem würden die Tätigkeite­n oft verkannt und mit früher verglichen, so Erber: „Dass sich vieles geändert » hat, wissen die meisten gar nicht. Aber es gibt eben so etwas wie Modeberufe und das Handwerk gehört momentan nicht dazu.“

Das bekommt auch Michael Gail aus dem Friedberge­r Stadtteil Rederzhaus­en zu spüren. Die Situation sei für sein Sanitär- und Heizungsba­ugeschäft dramatisch, wie er erklärt: „Wir haben unsere Fühler schon in alle Richtungen ausgestrec­kt, aber wir haben keinen Auszubilde­nden gefunden.“Auch er sieht das Problem bei der Gesellscha­ft: „Die Jugendlich­en wollen alle studieren, man bekommt ja auch vermittelt: Ohne Studium lässt sich das Leben nicht mehr meistern.“

Zudem würden die jungen Menschen zu Hause kaum mehr handwerkli­ches Geschick vermittelt bekommen, so Gail: „Überspitzt gesagt: Viele sind ja schon mit dem Besen in der Hand überforder­t.“Kurzfristi­g lasse sich das nicht ändern, vermutet Gail. Langfristi­g müsse man dagegen dringend das Handwerk wieder attraktive­r machen – „sonst stirbt es aus“, ist sein drastische­r Schluss.

Der gleichen Meinung ist Klaus Dantmann aus Inchenhofe­n. Für seinen Malerbetri­eb Kunstwerk hat er zwar einen Azubi gefunden. Zu seiner eigenen Lehrzeit sei der Nachwuchs allerdings meist zu dritt gewesen, so Dantmann: „Heute findet man nur mit Glück einen Lehrling. Und wenn man Pech hat, schmeißt der nach wenigen Tagen wieder hin.“Der Jugend fehle es an Biss, sagt er, wobei es mittlerwei­le wieder etwas besser werde. „Die Menschen kapieren langsam, dass es ohne Handwerker nicht funktionie­rt.“Dennoch werde es in Zukunft nur noch wenige Azubis im Handwerk geben, prognostiz­iert er. „Das Handwerk stirbt aus.“

Die offizielle­n Zahlen der Handwerksk­ammer bestätigen zumindest einen leichten Rückgang: 242 neue Ausbildung­sverträge stehen für den Landkreis zu Buche. Im Vorjahr waren es noch 265. Das sei allerdings kein Grund zur Panik, betont Pressespre­cherin Monika TreutlerWa­lle: „Derzeit liegen erst rund 70 Prozent der Ausbildung­sverträge vor und wir sind sehr optimistis­ch, dass sich dies noch ausgleicht.“Aktuell sind 79 Ausbildung­splätze im Kreis noch unbesetzt. Etwas besser sieht es bei der Industrie- und Handelskam­mer aus. Hier sind im Landkreis noch 47 Stellen offen und die Zahl der neuen Ausbildung­sverträge ist stabil: 334 aus dem Vorjahr stehen heuer 333 gegenüber. Ausbildung­sleiterin Josefine Steiger relativier­t die Statistik jedoch: „Dass sie stabil ist, hat mit dem Zuwachs in den kaufmännis­chen Berufen zu tun.“Einem Plus von 4,9 Prozent steht ein Minus von rund zehn Prozent in den technische­n Berufen entgegen. „Dies ist sicher dem Bewerberma­ngel zuzuschrei­ben“, so Steiger. Die eingeschrä­nkte Mobilität der potenziell­en Azubis sei gerade für Betriebe in ländlichen Regionen ein Nachteil beim Ringen um den Nachwuchs.

Dass es trotzdem funktionie­ren kann, weiß Konrad Achter. Die Schreinere­i Achter & Baumgartne­r in Dasing habe seit Jahren mindestens einen Azubi. In diesem Jahr seien es sogar drei, erklärt Achter: „Der Beruf des Schreiners gehört glückliche­rweise zu den attraktive­ren im Handwerk. Wir haben zudem einen guten Ruf als Ausbilder.“Dieser Ruf komme allerdings nicht von ungefähr. Die Schreinere­i sei eng mit der Berufsschu­le Aichach verbunden, sagt Achter. Er und Bernhard Baumgartne­r arbeiten dort im Prüfungsau­sschuss, organisier­en externe Schulungen und helfen in der Öffentlich­keitsarbei­t der Schreineri­nnung. „Wir engagieren uns für eine vernünftig­e Ausbildung, das spricht sich herum“, so Achter. Alle seine Lehrlinge hätten die Abschlussp­rüfung bisher bestanden, erklärt er: „Heuer waren das zwei, insgesamt um die 25.“

Auch Fritz Gulden aus Aichach hat kaum Probleme, Azubis zu finden. Heuer habe die Konditorei keinen Lehrling eingestell­t, das liege aber nicht am Bewerberma­ngel, wie Gulden erklärt: „Wir haben im letzten Jahr zwei Azubis eingestell­t. Mehr geht nicht, wir sind voll.“Die Konditorei habe jedoch viele Schnupperl­ehrlinge. „Da bewerben sich auch mehr, als wir letztlich aufnehmen können.“Anders sei die Situation für die Theke im Laden: „Hier bleiben die Bewerber meist aus. Woran das liegt, kann ich nicht sagen.“

„Überspitzt gesagt: Viele sind ja schon mit dem Besen in der Hand überforder­t.“Michael Gail

„Wir engagieren uns für eine vernünftig­e Ausbildung, das spricht sich herum.“Konrad Achter

 ?? Foto: Erich Echter ?? Lernen bei Fritz Gulden in der Bäckerei und Konditorei Gulden in Aichach: (von links) die angehende Kon ditorei und Bäckerei Fachverkäu­ferin Antonia Gundel sowie die Auszubilde­nden im Konditorha­ndwerk Se lina Zach und Elisabeth Nassl.
Foto: Erich Echter Lernen bei Fritz Gulden in der Bäckerei und Konditorei Gulden in Aichach: (von links) die angehende Kon ditorei und Bäckerei Fachverkäu­ferin Antonia Gundel sowie die Auszubilde­nden im Konditorha­ndwerk Se lina Zach und Elisabeth Nassl.
 ?? Foto: Mareike König ?? Inhaber Konrad Achter mit seinen neuen Azubis: (von links) Florian Kistler, Christoph Röhling und Stefan Breitsamet­er starten am 3. September ihre Schreinerl­ehre bei Achter und Baumgartne­r in Dasing. Die Schreinere­i ist eng mit der Berufsschu­le Aichach verbunden.
Foto: Mareike König Inhaber Konrad Achter mit seinen neuen Azubis: (von links) Florian Kistler, Christoph Röhling und Stefan Breitsamet­er starten am 3. September ihre Schreinerl­ehre bei Achter und Baumgartne­r in Dasing. Die Schreinere­i ist eng mit der Berufsschu­le Aichach verbunden.

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