Schwere Zeiten für das Handwerk
Die Lehrzeit für neue Azubis hat begonnen. Bei einigen Unternehmen im Landkreis ist die Situation dramatisch. Woran das liegt und welche Rolle die Gesellschaft spielt
Aichach Friedberg Für Andreas Erber ist 2018 ein Glücksjahr. Der Metzger aus Hollenbach hat seit vielen Jahren erstmals wieder einen Auszubildenden für seinen Betrieb gefunden. Heute beginnt der junge Mann seine Lehrzeit. So viel Glück wie der Metzger aus Hollenbach hatten heuer aber nicht alle Unternehmen im Landkreis AichachFriedberg. Bei manchen Firmen ist die Situation sogar dramatisch.
Dass sein neuer Azubi eine Lehre zum Fleischer machen wird, steht schon länger fest, erklärt Erber: „Er kommt aus dem Ort und ist schon vor zwei Jahren auf mich zugekommen. Der wollte das unbedingt machen.“Das habe Erber sehr gefreut, zumal sein eigener Sohn kein Interesse am Handwerk des Vaters zeigt, wie der Metzger zugibt.
Für kleinere handwerkliche Betriebe sei es generell extrem schwer, Azubis zu finden, sagt Erber. Die Gründe dafür seien recht eindeutig: „Die Berufe sind einfach nicht mehr interessant für die jungen Leute. Früh aufstehen, körperlich arbeiten, das wollen die meisten nicht.“Zudem würden die Tätigkeiten oft verkannt und mit früher verglichen, so Erber: „Dass sich vieles geändert » hat, wissen die meisten gar nicht. Aber es gibt eben so etwas wie Modeberufe und das Handwerk gehört momentan nicht dazu.“
Das bekommt auch Michael Gail aus dem Friedberger Stadtteil Rederzhausen zu spüren. Die Situation sei für sein Sanitär- und Heizungsbaugeschäft dramatisch, wie er erklärt: „Wir haben unsere Fühler schon in alle Richtungen ausgestreckt, aber wir haben keinen Auszubildenden gefunden.“Auch er sieht das Problem bei der Gesellschaft: „Die Jugendlichen wollen alle studieren, man bekommt ja auch vermittelt: Ohne Studium lässt sich das Leben nicht mehr meistern.“
Zudem würden die jungen Menschen zu Hause kaum mehr handwerkliches Geschick vermittelt bekommen, so Gail: „Überspitzt gesagt: Viele sind ja schon mit dem Besen in der Hand überfordert.“Kurzfristig lasse sich das nicht ändern, vermutet Gail. Langfristig müsse man dagegen dringend das Handwerk wieder attraktiver machen – „sonst stirbt es aus“, ist sein drastischer Schluss.
Der gleichen Meinung ist Klaus Dantmann aus Inchenhofen. Für seinen Malerbetrieb Kunstwerk hat er zwar einen Azubi gefunden. Zu seiner eigenen Lehrzeit sei der Nachwuchs allerdings meist zu dritt gewesen, so Dantmann: „Heute findet man nur mit Glück einen Lehrling. Und wenn man Pech hat, schmeißt der nach wenigen Tagen wieder hin.“Der Jugend fehle es an Biss, sagt er, wobei es mittlerweile wieder etwas besser werde. „Die Menschen kapieren langsam, dass es ohne Handwerker nicht funktioniert.“Dennoch werde es in Zukunft nur noch wenige Azubis im Handwerk geben, prognostiziert er. „Das Handwerk stirbt aus.“
Die offiziellen Zahlen der Handwerkskammer bestätigen zumindest einen leichten Rückgang: 242 neue Ausbildungsverträge stehen für den Landkreis zu Buche. Im Vorjahr waren es noch 265. Das sei allerdings kein Grund zur Panik, betont Pressesprecherin Monika TreutlerWalle: „Derzeit liegen erst rund 70 Prozent der Ausbildungsverträge vor und wir sind sehr optimistisch, dass sich dies noch ausgleicht.“Aktuell sind 79 Ausbildungsplätze im Kreis noch unbesetzt. Etwas besser sieht es bei der Industrie- und Handelskammer aus. Hier sind im Landkreis noch 47 Stellen offen und die Zahl der neuen Ausbildungsverträge ist stabil: 334 aus dem Vorjahr stehen heuer 333 gegenüber. Ausbildungsleiterin Josefine Steiger relativiert die Statistik jedoch: „Dass sie stabil ist, hat mit dem Zuwachs in den kaufmännischen Berufen zu tun.“Einem Plus von 4,9 Prozent steht ein Minus von rund zehn Prozent in den technischen Berufen entgegen. „Dies ist sicher dem Bewerbermangel zuzuschreiben“, so Steiger. Die eingeschränkte Mobilität der potenziellen Azubis sei gerade für Betriebe in ländlichen Regionen ein Nachteil beim Ringen um den Nachwuchs.
Dass es trotzdem funktionieren kann, weiß Konrad Achter. Die Schreinerei Achter & Baumgartner in Dasing habe seit Jahren mindestens einen Azubi. In diesem Jahr seien es sogar drei, erklärt Achter: „Der Beruf des Schreiners gehört glücklicherweise zu den attraktiveren im Handwerk. Wir haben zudem einen guten Ruf als Ausbilder.“Dieser Ruf komme allerdings nicht von ungefähr. Die Schreinerei sei eng mit der Berufsschule Aichach verbunden, sagt Achter. Er und Bernhard Baumgartner arbeiten dort im Prüfungsausschuss, organisieren externe Schulungen und helfen in der Öffentlichkeitsarbeit der Schreinerinnung. „Wir engagieren uns für eine vernünftige Ausbildung, das spricht sich herum“, so Achter. Alle seine Lehrlinge hätten die Abschlussprüfung bisher bestanden, erklärt er: „Heuer waren das zwei, insgesamt um die 25.“
Auch Fritz Gulden aus Aichach hat kaum Probleme, Azubis zu finden. Heuer habe die Konditorei keinen Lehrling eingestellt, das liege aber nicht am Bewerbermangel, wie Gulden erklärt: „Wir haben im letzten Jahr zwei Azubis eingestellt. Mehr geht nicht, wir sind voll.“Die Konditorei habe jedoch viele Schnupperlehrlinge. „Da bewerben sich auch mehr, als wir letztlich aufnehmen können.“Anders sei die Situation für die Theke im Laden: „Hier bleiben die Bewerber meist aus. Woran das liegt, kann ich nicht sagen.“
„Überspitzt gesagt: Viele sind ja schon mit dem Besen in der Hand überfordert.“Michael Gail
„Wir engagieren uns für eine vernünftige Ausbildung, das spricht sich herum.“Konrad Achter