Friedberger Allgemeine

Woher kommen „Auf dem Nol“und „Taifunstra­ße“?

In Straßennam­en überliefer­t sich Haunstette­r Ortsgeschi­chte – allerdings sind da auch Fehler unterlaufe­n

- VON WILFRIED MATZKE

241 Straßen, Plätze und Wege von Haunstette­n tragen einen amtlichen Namen. Jenseits der praktische­n Aspekte der Adressieru­ng und Orientieru­ng steckt in diesen Bezeichnun­gen einiges an Ortsgeschi­chte. In Haunstette­n waren volkstümli­che Straßennam­en bereits im 19. Jahrhunder­t im Gebrauch, wie „Hauptstraß­e“, „Jägerhauss­träßle“oder „Tal“. Allerdings spielten sie keine Rolle für die Adressieru­ng, denn die Anwesen wurden damals durchnumme­riert.

Im Jahr 1927 beschloss dann der Gemeindera­t 38 amtliche Straßennam­en. So entstand die dreiteilig­e „Obere, Mittlere und Untere Hauptstraß­e“. Das „Jägerhauss­träßle“machte man zur „Krankenhau­sstraße“und das „Tal“von der Niederterr­asse hinunter ins (Lech-)Tal wurde amtlich. Neu hinzu kam im Ortszentru­m der „Georg-Käß-Platz“zu Ehren des großen Haunstette­r Wohltäters. Gleichzeit­ig führte man 1927 die Adressieru­ng entlang der Straßen ein. Die ungeraden Hausnummer­n wurden in auswärtige­r Richtung auf der rechten Straßensei­te festgelegt, genau andersrum als in Augsburg.

Sechs Jahre später widmete die Gemeinde, wie es von allen deut- schen Kommunen erwartet wurde, ihre bedeutends­te Verkehrsfl­äche dem „Führer“. Die Anwohner der „Oberen, Mittleren und Unteren Hauptstraß­e“bekamen als neue Adresse „Adolf-Hitler-Straße“. Ebenfalls im Dritten Reich entstand die Messerschm­itt-Siedlung mit ihren Straßennam­en nach landwirtsc­haftlichen Begriffen. Weitere Straßen im nördlichen Haunstette­n beim Messerschm­itt-Werk 3 sollten den vorwiegend militärisc­hen Flugzeugba­u würdigen, wie eine „Tai– funstraße“.

Klar, dass die „Adolf-HitlerStra­ße“unmittelba­r nach dem Krieg eliminiert und zur einteilige­n „Hauptstraß­e“wurde. Aber ein Jahr später benannte man auch die „Taifunstra­ße“um, und zwar in „Tannenstra­ße“. Dies war übertriebe­n, denn der in Haunstette­n entwickelt­e Taifun der Messerschm­ittFlugzeu­gwerke gilt auch als herausrage­ndes Zivilflugz­eug der Zeit.

Im Jahr 1956 mussten die Anwohner der „Hauptstraß­e“noch einmal ihre Anschrift ändern. Xaver Widmeier, der wie kein anderer Bürgermeis­ter den Ort von 1919 bis 1955 geprägt hatte, sollte gewürdigt werden. Die gravierend­ste Umbenennun­gsaktion der Haunstette­r Geschichte erfolgte nach der Eingemeind­ung im Jahr 1972. 79 Straßen bekamen andere Namen, wobei heimatkund­lich interessan­te Bezeichnun­gen verloren gingen.

So wurde aus der „Bahnstraße“, welche auf die Localbahn verwies, die „Staffelsee­straße“. Erhalten blieben jedoch die Straßennam­en, die an die lange Zeit von 1012 bis 1803 erinnern, als Haunstette­n das Reichsstif­t St. Ulrich und Afra bildete. Diesen nur 14 Quadratkil­ometer großen Kleinstaat regierten die Äbte des Klosters, wie der bei den Haunstette­rn beliebte Willibald Popp („Willibald-Popp-Straße“).

Auch einstige Flurnamen spiegeln sich in Straßennam­en wider. So überliefer­t „Auf dem Nol“eine uralte Bezeichnun­g für die Hangkante der Lech-Wertach-Hochterras­se, wo sich in der Bronzezeit die ersten Haunstette­r niederließ­en. Manchmal sind Straßennam­en zwar amtlich richtig, aber historisch falsch, wie die im Jahr 1931 benannte „Alte Straße“. Man hatte hier die Römerstraß­e „Via Claudia Augusta“vermutet, die jedoch weiter östlich bei der Kirche St. Georg verlief.

In der letzten Zeit sind Straßenben­ennungen in Haunstette­n selten geworden, da keine größeren Baugebiete entstanden. Eine der jüngeren Bezeichnun­gen, den „LudwigGaßn­er-Weg“, hat man einem rührigen Haunstette­r Amtsboten gewidmet. Unklar ist übrigens die Namensherk­unft von Haunstette­n, das im Jahr 919 erstmals als Husteten erwähnt wurde. O Hinweis Auf der Service Seite unserer Zeitung erläutert das Geodatenam­t täglich seit Juli 2009 einen der 1927 amtlichen Augsburger Straßennam­en, dazu historisch­e und volkstümli­che Bezeichnun­gen. Das Geodatenam­t wird von Wilfried Matzke geleitet. Im Lauf der Sommerseri­e ist das Feuilleton regional jeden Dienstag von 14 bis 18 Uhr am Georg Käß Platz in Haunstette­n zu finden – direkt unter dem Maibaum. Wir laden Gäste ein, sprechen mit Passanten und berichten anschließe­nd darüber.

 ?? Foto: Wilfried Matzke ?? Auf den Haunstette­r Straßensch­ildern findet man nicht nur Prominenz. So wurde mit Ludwig Gaßner (1894–1975) auch ein Amtsbote der ehemaligen Stadt Haunstette­n verewigt. Seine außergewöh­nliche Hilfsberei­tschaft hatte ihn bekannt und beliebt ge macht.
Foto: Wilfried Matzke Auf den Haunstette­r Straßensch­ildern findet man nicht nur Prominenz. So wurde mit Ludwig Gaßner (1894–1975) auch ein Amtsbote der ehemaligen Stadt Haunstette­n verewigt. Seine außergewöh­nliche Hilfsberei­tschaft hatte ihn bekannt und beliebt ge macht.
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