Das Gesicht des Atom-Widerstands
Als Landrat wehrte sich Hans Schuierer in Wackersdorf gegen eine Kernkraftanlage und handelte sich großen Ärger ein. Jetzt wird er zum Kinohelden
Könnte man Franz Josef Strauß noch zu seiner Meinung über Hans Schuierer befragen, man würde vermutlich einiges zu hören bekommen. Wenig Gutes. Schon in den 80er Jahren hatte Strauß für den Oberpfälzer nicht viel übrig. Schließlich war er einer dieser „apokalyptischen Narren“, die das „Werk des Teufels“betrieben und „besser das Maul halten“sollten – so beschimpfte Bayerns Ministerpräsident damals die Gegner einer atomaren Wiederaufbereitungsanlage im Landkreis Schwandorf. Hans Schuierer stand an deren Spitze. Als Landrat.
Noch heute ist der mittlerweile 87 Jahre alte Sozialdemokrat das Gesicht des Wackersdorfer Widerstands, bei dem sich Zigtausende gegen die Atomkraft, die Polizei und die Staatsregierung auflehnten. Dabei war der SPD-Politiker anfangs noch ein Freund der Idee, in „seinem“Landkreis – mit einer der deutschlandweit höchsten Arbeitslosenquoten – eine Fabrik mit 3600 Arbeitsplätzen zu errichten. „Ich hatte doch keine Ahnung, was abgebrannte Brennelemente sind“, erzählt Schuierer heute gerne und entwaffnend ehrlich. Als ihm die Betreiber aber von einem 200 Meter hohen Kamin berichteten, der „die radioaktiven Schadstoffe besser verteilen“sollte, gingen auch bei ihm die Alarmglocken an.
Gemeinsam mit seiner Frau Lilo schloss er sich dem Widerstand an. Er mischte sich unter die Demonstranten, lehnte Genehmigungen für den Bau der umstrittenen Anlage ab und erntete dafür vor allem zweierlei: Anerkennung von den Bürgern. Und mächtig Ärger mit der Staatsregierung. Ein Disziplinarverfahren wurde nach vier Jahren eingestellt. Ein extra wegen Wackersdorf beschlossenes Gesetz gibt es noch heute. Es soll verhindern, dass sich ein Landrat den Anweisungen eines Ministers verweigert. Es wurde bislang nur ein einziges Mal angewendet und wird seither zu Recht auch „Lex Schuierer“genannt. Hans Schuierer ist ein kerniger Oberpfälzer mit den Händen eines gelernten Maurers und einem politischen Rückgrat so stark wie der Stamm einer Eiche im nahe gelegenen Bayerischen Wald. Letzteres hat er von seinem Vater Max geerbt, der – ebenfalls Sozialdemokrat – im Zweiten Weltkrieg wegen seiner Gesinnung im Konzentrationslager landete.
Auch Sohnemann Hans bewies später mehrfach, dass „sozial“für ihn mehr als nur ein Wort ist. Als Bürgermeister und Landrat spendete er jedes Jahr mindestens zehn Prozent seines Einkommens für soziale Zwecke. Das tue er auch heute noch, sagt er, im Ruhestand. Den verbringt der zweifache Vater und Großvater in seiner Heimatgemeinde Klardorf im Landkreis Schwandorf. Zehn Kilometer entfernt liegt der Ort, der ihn berühmt gemacht hat. In diesen Tagen erzählt Hans Schuierer wieder häufiger davon, was dort vor gut 30 Jahren geschehen ist. Denn am heutigen Donnerstag startet der Film „Wackersdorf“, wie Sie auf Kino lesen können.