Mit zwei Pferden von Aichach nach Dänemark
Simone Hage reitet in diesem Sommer vom Wittelsbacher Land bis in den Norden Europas. Ende Oktober will sie in Skandinavien ankommen. Was die 18-Jährige auf ihrem Abenteuer antreibt und wie sie ihre Reise bisher erlebt hat
Aichach/Ostsee Simone Hage aus Aichach erfüllt sich in diesem Sommer einen Traum: Nach ihrem Schulabschluss machte sich die 18-Jährige Anfang Juli zusammen mit einer Freundin, drei Pferden und einem Hund auf in Richtung Norden – und zwar im Sattel. Heute, fast drei Monate später, befindet sich „die Herde“, wie sie ihre Reisegruppe nennt, an der Ostsee. Von dort setzt Hage ihre Reise nun ohne ihre Freundin und deren Pferd fort. Das Ziel: Dänemark. Dort will die junge Aichacherin ihre ungewöhnliche Reise Ende Oktober beenden.
Hallo Simone, wie kommt man denn auf die Idee, auf einem Pferd bis nach Dänemark zu reiten?
Simone Hage: „Durch die Kombination aus Fernweh und einem Herz, das für Pferde und Abenteuer schlägt. Mit Anfang 16 bin ich als Backpacker quer durch Europa gereist, wobei ich mein großes Faible für das Reisen entdeckt habe – durch meine Adern fließt seitdem Reiseblut. In der Zeit danach haben zwei Wildpferde und ein schottischer Hütehund ihren Platz in meinem Leben gefunden – ebenfalls eine große Leidenschaft, die mich seit meiner Kindheit begleitet. Damals dachte ich, das mit dem Reisen hätte sich für mich erst mal erledigt, die Tiere brauchen mich schließlich. Ich habe aber schnell gemerkt: Das funktioniert so nicht. Ich bin eine Reisende im Herzen, ohne geht nicht. Also musste eine Idee her, die beide Leidenschaften vereint. Der Traum, mit einem Pferd ans Meer zu reiten, war schon immer da. Als ich meiner besten Freundin Valeska van den Berg davon erzählte, beschlossen wir zusammen: Jetzt oder nie, wir machen das jetzt einfach.“
Und jetzt habt ihr es schon bis an die Ostsee geschafft. Wie hast du eure Reise denn bisher erlebt?
Hage: „Es ist super aufregend und intensiv. Irgendwie genau das Gegenteil von dem Leben, das ich von zu Hause kenne. Wir müssen jeden Tag aufs Neue sehen, wo wir bleiben, uns im Grundbedürfnisse wie Nahrung und Schlafplatz kümmern. Ich habe schnell gelernt, worum es im Leben wirklich geht, was wirklich wichtig ist und glücklich macht. Für mich ist es das Größte, den ganzen Tag im Freien zu sein. Die Natur und die enge Verbindung zu unserer Herde zu spüren, ist ein Gefühl, das ich jedem Menschen wünsche: Zu spüren, wie jeder die Energie des anderen mitträgt und wir alle aneinander wachsen dürfen. Ich fühle mich frei, kann jeden Tag selbst bestimmen. Dieses Gefühl von Glück und Unabhängigkeit ist ziemlich schwer zu beschreiben, das muss man erleben. Am Anfang hatten wir noch einen Packsattel für Schlafsäcke und dergleichen dabei. Der Sattel hat auf Dauer aber die Haut der Pferde wund gerieben, deshalb haben wir ihn kurzerhand nach Hause geschickt. Das Wohl unserer Herde steht an erster Stelle und ist uns wichtiger als unser eigener Komfort. Alles, was wir jetzt noch dabei haben, sind zwei Paar Socken, ein T-Shirt, Unterwäsche, eine Fleece Jacke, eine Regenjacke und die Zahnbürste. Man braucht nicht viel Materielles, um glücklich zu sein. Wahres Glück entsteht im Innern. Wir hatten bisher aber auch enormes Glück und haben überall große Gastfreundschaft erfahren. Jeden Tag haben wir an einem anderen Pferdehof Halt gemacht, wo unsere Pferde versorgt wurden und wir zum Beispiel im Stall im Stroh schlafen durften. Wir mussten noch keine einzige Nacht durchlaufen und sind auch noch nicht verhungert. Je weniger du hast, desto mehr wird dir gegeben. Es ist aber nicht immer so leicht, wie es vielleicht wirkt. Oft habe ich mich schon gefragt, wieso ich das alles mache. Es ist eben ein Abenteuer voller Nervenkitzel, die Hochs und Tiefs wechseln sich ab. Aber genau das gehört zum Leben dazu und das sind die Geschichten, die wir alle insgeheim irgendwann erzählen wollen.“
Wie schaffst du es, die Reise in schweren Zeiten nicht einfach abzubrechen, alles hinzuschmeißen?
Hage: „Wo ein Wille, da ein Weg. Ich habe volles Vertrauen und bin der festen Überzeugung, dass wir das empfangen, was wir ausstrahlen. Mein Ziel war es von Anfang an, die Reise in vollen Zügen zu genießen, eine intensive Zeit zu erleben. Wir wollen mit dem Ritt zeigen, dass alles möglich ist, egal was andere zu unseren Träumen sagen. Viele haben mir versucht einzureden, dass es utopisch sei, mit zwei ehemals wilden Jungpferden und einem jungen Hund aus dem Tierheim durch ganz Deutschland bis nach Dänemark zu wandern. Den Kopf haben sie geschüttelt. Aber ich hatte immer den tiefen Glauben, dass es möglichst ist. Und jetzt stehen wir an der Ostsee, drehen in Zusammenarbeit mit Catamaranfilms einen Kinofilm, sehen unsere Herde mehr strahlen als je zuvor und fetzen mit unseren Pferden über den Strand.“
Und jetzt hast du schon mehr als die Hälfte geschafft. Von der Ostsee geht es für dich nun alleine weiter in Richtung Dänemark. Wie fühlst du dich, wenn du daran denkst?
Hage: „Ich habe definitiv einen gesunden Respekt vor dem letzten Teil der Reise. Alleine ist es doch noch einmal etwas anderes, als mit einem Menschen an meiner Seite, mit dem ich seit Jahren alle großen Abenteuer teile. Ich habe die alleinige Verantwortung für die Herde. Aber Angst habe ich keine. Ganz im Gegenteil: Ich freue mich riesig darauf. Auf die Einsamkeit, den rauen Wind der Nordsee, den Nervenkitzel, die Menschen in Dänemark und all die Abenteuer, die mir noch bevorstehen. Valeska wird mir fehlen, mittlerweile denke ich mir aber: Auch wenn sie und ihr Pferd nicht mehr körperlich anwesend sind, irgendwie sind sie doch mit dabei. Natürlich hoffe ich, dass alles gut geht. Tief im Herzen weiß ich aber, dass es gut wird. Es hat alles einen Sinn, auch wenn wir ihn erst Wochen später oder manchmal gar nicht herausfinden. Wir dürfen loslassen und
vertrauen.“