Patienten haben die schlechteste Lobby
Pro Tag gibt Deutschland eine Milliarde Euro für das Gesundheitswesen aus. Mit nahezu zwölf Prozent des Bruttoinlandprodukts steht Deutschland weltweit auf Platz drei, nach der Schweiz und den USA. Damit leistet sich die Bundesrepublik nicht nur eines der teuersten, sondern laut einem OECDBericht vom November vergangenen Jahres eines der unwirtschaftlichsten Systeme: Nirgends gebe es mehr Klinikbetten und Arztpraxen im Verhältnis zur Einwohnerzahl, nirgends erfolgten mehr überflüssige Eingriffe und Operationen als in Deutschland.
Trotz gut gefüllter Kassen stehen Krankenhausträger wie der Landkreis Aichach-Friedberg finanziell unter Dauerdruck. Seit Anfang der 1980er-Jahre hat der Kreis für seine Kliniken mehr als 100 Millionen draufgelegt. Und oft laufen die Versuche, durch eine stetige Ausweitung und Verbesserung des medizinischen Angebots die Defizite zu verringern, ins Leere.
Auf der einen Seite gehen Landkreis und Krankenhausleitung in Vorleistung und bauen mit viel Geld weitere Geschäftsfelder auf. Dabei muss sich erst noch zeigen, ob sich die mit der neuen Abteilung für Pneumologie und Allergologie verknüpften Hoffnungen erfüllen. Auf der anderen Seite bringt die große Politik eine gut laufende Abteilung wie die Geburtshilfe am Friedberger Krankenhaus, die mit 700 Entbindungen im Jahr und einem guten Ruf über die Stadtgrenzen hinaus zu den Aushängeschildern der Klinik gehört, in Bedrängnis.
Warum das so ist? Eine wissenschaftliche Studie aus den Jahren 2009 bis 2013 könnte darauf eine Antwort geben: Sie vergleicht die Zahl der auswärtigen Experten, die im Lauf dieser Periode in den unterschiedlichen Ausschüssen des Bundestags sprachen: Im Auswärtigen Ausschuss gaben ganze 28 Fachleute ihre Stellungnahmen ab, im Gesundheitsausschuss dagegen 528, die sich mit 1274 Beiträgen zu Wort meldeten. Fast 64 Prozent der Sachverständigen wurden von Verbänden entsandt – von den Kassen über die Bundesärztekammer bis zur Krankenhausgesellschaft und den Bundesverband Verbraucherzentrale. Die Ärztezeitung zog aus diesen Zahlen den Schluss, dass keiner der Verbände die Arbeit im Gesundheitswesen dominiere. Am allerwenigsten wahrscheinlich die Vertreter derer, um die es geht: die Patienten.