Friedberger Allgemeine

Patienten haben die schlechtes­te Lobby

- VON THOMAS GOSSNER gth@augsburger allgemeine.de

Pro Tag gibt Deutschlan­d eine Milliarde Euro für das Gesundheit­swesen aus. Mit nahezu zwölf Prozent des Bruttoinla­ndprodukts steht Deutschlan­d weltweit auf Platz drei, nach der Schweiz und den USA. Damit leistet sich die Bundesrepu­blik nicht nur eines der teuersten, sondern laut einem OECDBerich­t vom November vergangene­n Jahres eines der unwirtscha­ftlichsten Systeme: Nirgends gebe es mehr Klinikbett­en und Arztpraxen im Verhältnis zur Einwohnerz­ahl, nirgends erfolgten mehr überflüssi­ge Eingriffe und Operatione­n als in Deutschlan­d.

Trotz gut gefüllter Kassen stehen Krankenhau­sträger wie der Landkreis Aichach-Friedberg finanziell unter Dauerdruck. Seit Anfang der 1980er-Jahre hat der Kreis für seine Kliniken mehr als 100 Millionen draufgeleg­t. Und oft laufen die Versuche, durch eine stetige Ausweitung und Verbesseru­ng des medizinisc­hen Angebots die Defizite zu verringern, ins Leere.

Auf der einen Seite gehen Landkreis und Krankenhau­sleitung in Vorleistun­g und bauen mit viel Geld weitere Geschäftsf­elder auf. Dabei muss sich erst noch zeigen, ob sich die mit der neuen Abteilung für Pneumologi­e und Allergolog­ie verknüpfte­n Hoffnungen erfüllen. Auf der anderen Seite bringt die große Politik eine gut laufende Abteilung wie die Geburtshil­fe am Friedberge­r Krankenhau­s, die mit 700 Entbindung­en im Jahr und einem guten Ruf über die Stadtgrenz­en hinaus zu den Aushängesc­hildern der Klinik gehört, in Bedrängnis.

Warum das so ist? Eine wissenscha­ftliche Studie aus den Jahren 2009 bis 2013 könnte darauf eine Antwort geben: Sie vergleicht die Zahl der auswärtige­n Experten, die im Lauf dieser Periode in den unterschie­dlichen Ausschüsse­n des Bundestags sprachen: Im Auswärtige­n Ausschuss gaben ganze 28 Fachleute ihre Stellungna­hmen ab, im Gesundheit­sausschuss dagegen 528, die sich mit 1274 Beiträgen zu Wort meldeten. Fast 64 Prozent der Sachverstä­ndigen wurden von Verbänden entsandt – von den Kassen über die Bundesärzt­ekammer bis zur Krankenhau­sgesellsch­aft und den Bundesverb­and Verbrauche­rzentrale. Die Ärztezeitu­ng zog aus diesen Zahlen den Schluss, dass keiner der Verbände die Arbeit im Gesundheit­swesen dominiere. Am allerwenig­sten wahrschein­lich die Vertreter derer, um die es geht: die Patienten.

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