Für mehr Leben im Dorf
Kirche, Rathaus, Bäcker – und sonst ist nichts los im Ort. So erleben das viele Bürger. Doch oft gibt es keinen geeigneten Platz, wo mehr „Wir-Gefühl“entstehen kann. Einige Gemeinden wollen das ändern – und gehen auch neue Wege
Friedberg/Ried/Westendorf In vielen kleineren Orten bietet sich das immer gleiche Bild: Im Ortskern an der Hauptstraße stehen die Kirche, ein Verwaltungsgebäude und der Bäcker, daran schließen sich die Wohnhäuser an. Viele Leute sieht man dort nie. Einige Gemeinden wollen das ändern und einen Platz für die Einwohner einrichten, an dem man sich trifft und der so ein Wir-Gefühl vermittelt.
Besonders engagiert verfolgt die 3000-Einwohner-Kommune Ried im Süden des Landkreises AichachFriedberg ein solches Ziel: Die Ortsmitte wird gerade völlig neu gestaltet. Die aktuellste Neuerung war die Eröffnung eines Edeka-Supermarkts in zentraler Lage, nur wenige Meter von Rathaus und Kirche entfernt. Ein zentraler Supermarkt freut die Einwohner, weil sie dann zum Einkaufen nicht mehr mit dem Auto in Nachbarorte fahren müssen und sorgt für mehr Begegnungen beim Wocheneinkauf.
Doch was wird in einigen Jahren oder Jahrzehnten sein, wenn Edeka das Grundstück vielleicht weiterverkauft oder vermietet? Um diese Unsicherheit auszuräumen, haben sich die Rieder eine ausgefallene Lösung überlegt. Die Kommune verkaufte die zentral gelegene Fläche nicht, sondern baute auf eigene Kosten ein Gebäude, das sie dann an den Lebensmittelhändler vermietete – zunächst für 16 Jahre. „Das Grundstück bleibt so in Gemeindehand und es gibt auch langfristig keine Risiken für die Ortsmitte“, erklärt Bürgermeister Erwin Gerstlacher.
Dass der neue Supermarkt in Ried ein besonderer ist, hat man auch bei der bayerischen Staatsregierung registriert. Da ließ sich sogar Innenminister Joachim Herrmann zur Eröffnung blicken: „Großen Respekt, dass Sie diese Vision so konsequent umgesetzt haben“, lobte er. Und dabei ist der Laden nur ein Teil eines größeren Projekts. Direkt davor legte die Gemeinde einen Platz mit Bänken, Bepflanzung und Wasserspiel an, der den Bereich optisch aufwertet und zum Verweilen einlädt. Die Erweiterung der Fläche bis hin zu Maibaum und Bushaltestelle soll 2019 erfolgen. Auch der Eisbach, der durch den Ort fließt, wurde teilweise aufgeweitet und ökologisch aufgewertet.
Durch diese und weitere Maßnahmen sollen die Einwohner öfter im eigenen Ort zusammenkommen. Ried soll mehr Eigenleben bekommen, soll nicht nur Wohnort, sondern auch Heimat sein. Dass all das nicht billig ist, versteht sich von selbst: Etwa vier Millionen Euro stecken bereits in Lebensmittelmarkt, Dorfplatz und Eisbach.
Um diese Kosten zu stemmen, hat sich Ried um die Aufnahme ins Städtebauförderungsprogramm beworben und war erfolgreich. „Wir rechnen mit acht bis elf Jahren Zusammenarbeit“, meint GemeindeGeschäftsführer Andreas Sausenthaler, „dafür müssen wir regelmäßig Fortschritte bei der Aufwertung des Ortes vorweisen und bekommen im Gegenzug Gelder zur Verfügung.“Ideen gibt es genug: Auf dem leeren Grundstück gegenüber dem Supermarkt könnte zum Beispiel ein Ärz-
In Westendorf ging es mit dem Dorfplatz los
tehaus oder eine Einrichtung für altersgerechtes Wohnen entstehen, überlegt Sausenthaler.
Westendorf im Augsburger Land plant derweil einen anderen Schritt zur Belebung der Dorfmitte. Die 1700-Einwohner-Gemeinde hat bereits 2013 ihren Dorfplatz erneuert und später zudem einen Multifunktionsplatz eingerichtet. Aktuell wird überlegt, was auf einem 2015 von der Gemeinde erworbenen Grundstück neben dem Rathaus gebaut werden soll. Die Vereine sehen hier ihre Chance, größere Räumlichkeiten in zentraler Lage zu bekommen. „Wir haben ein aktives Vereinsleben, das sich in den vergangenen Jahren gut entwickelt hat. Manchen Vereinen ist wegen der gestiegenen Mitgliederzahlen schlicht der Platz ausgegangen“, fasst Bürgermeister Steffen Richter zusammen. Er ist sicher, dass sich der Wunsch der Vereine gut mit einer beliebten und belebten Ortsmitte vereinbaren lässt.
In Rinnenthal (einem Friedberger Stadtteil) stehen andere Überlegungen im Vordergrund: Dort soll im Rahmen des Ortsentwicklungskonzeptes auch ein Platz geschaffen werden, an dem die Einwohner sich treffen können. Im Zentrum wäre das jedoch kompliziert: „Im Bereich um den Maibaum sind die Grundstücke Privateigentum, dort wird es kaum möglich sein, genügend Fläche zu bekommen“, sagt CSU-Ortsvorsitzender Matthias Stegmeir. „Stattdessen könnten wir aber an anderer Stelle eine neue Ortsmitte schaffen.“Angedacht ist ein Bereich in der Nähe des Sportplatzes. Dort soll auch das neue Kinderhaus entstehen, das Krippe und Kindergarten beherbergt. Mit jungen Sportlern und kleinen Kindern in unmittelbarer Nähe wäre das Areal gut für einen neuen Treffpunkt für alle Rinnenthaler geeignet. Doch die Planungen sind noch nicht abgeschlossen.