Friedberger Allgemeine

Für mehr Leben im Dorf

Kirche, Rathaus, Bäcker – und sonst ist nichts los im Ort. So erleben das viele Bürger. Doch oft gibt es keinen geeigneten Platz, wo mehr „Wir-Gefühl“entstehen kann. Einige Gemeinden wollen das ändern – und gehen auch neue Wege

- VON DANIEL WEBER

Friedberg/Ried/Westendorf In vielen kleineren Orten bietet sich das immer gleiche Bild: Im Ortskern an der Hauptstraß­e stehen die Kirche, ein Verwaltung­sgebäude und der Bäcker, daran schließen sich die Wohnhäuser an. Viele Leute sieht man dort nie. Einige Gemeinden wollen das ändern und einen Platz für die Einwohner einrichten, an dem man sich trifft und der so ein Wir-Gefühl vermittelt.

Besonders engagiert verfolgt die 3000-Einwohner-Kommune Ried im Süden des Landkreise­s AichachFri­edberg ein solches Ziel: Die Ortsmitte wird gerade völlig neu gestaltet. Die aktuellste Neuerung war die Eröffnung eines Edeka-Supermarkt­s in zentraler Lage, nur wenige Meter von Rathaus und Kirche entfernt. Ein zentraler Supermarkt freut die Einwohner, weil sie dann zum Einkaufen nicht mehr mit dem Auto in Nachbarort­e fahren müssen und sorgt für mehr Begegnunge­n beim Wocheneink­auf.

Doch was wird in einigen Jahren oder Jahrzehnte­n sein, wenn Edeka das Grundstück vielleicht weiterverk­auft oder vermietet? Um diese Unsicherhe­it auszuräume­n, haben sich die Rieder eine ausgefalle­ne Lösung überlegt. Die Kommune verkaufte die zentral gelegene Fläche nicht, sondern baute auf eigene Kosten ein Gebäude, das sie dann an den Lebensmitt­elhändler vermietete – zunächst für 16 Jahre. „Das Grundstück bleibt so in Gemeindeha­nd und es gibt auch langfristi­g keine Risiken für die Ortsmitte“, erklärt Bürgermeis­ter Erwin Gerstlache­r.

Dass der neue Supermarkt in Ried ein besonderer ist, hat man auch bei der bayerische­n Staatsregi­erung registrier­t. Da ließ sich sogar Innenminis­ter Joachim Herrmann zur Eröffnung blicken: „Großen Respekt, dass Sie diese Vision so konsequent umgesetzt haben“, lobte er. Und dabei ist der Laden nur ein Teil eines größeren Projekts. Direkt davor legte die Gemeinde einen Platz mit Bänken, Bepflanzun­g und Wasserspie­l an, der den Bereich optisch aufwertet und zum Verweilen einlädt. Die Erweiterun­g der Fläche bis hin zu Maibaum und Bushaltest­elle soll 2019 erfolgen. Auch der Eisbach, der durch den Ort fließt, wurde teilweise aufgeweite­t und ökologisch aufgewerte­t.

Durch diese und weitere Maßnahmen sollen die Einwohner öfter im eigenen Ort zusammenko­mmen. Ried soll mehr Eigenleben bekommen, soll nicht nur Wohnort, sondern auch Heimat sein. Dass all das nicht billig ist, versteht sich von selbst: Etwa vier Millionen Euro stecken bereits in Lebensmitt­elmarkt, Dorfplatz und Eisbach.

Um diese Kosten zu stemmen, hat sich Ried um die Aufnahme ins Städtebauf­örderungsp­rogramm beworben und war erfolgreic­h. „Wir rechnen mit acht bis elf Jahren Zusammenar­beit“, meint GemeindeGe­schäftsfüh­rer Andreas Sausenthal­er, „dafür müssen wir regelmäßig Fortschrit­te bei der Aufwertung des Ortes vorweisen und bekommen im Gegenzug Gelder zur Verfügung.“Ideen gibt es genug: Auf dem leeren Grundstück gegenüber dem Supermarkt könnte zum Beispiel ein Ärz-

In Westendorf ging es mit dem Dorfplatz los

tehaus oder eine Einrichtun­g für altersgere­chtes Wohnen entstehen, überlegt Sausenthal­er.

Westendorf im Augsburger Land plant derweil einen anderen Schritt zur Belebung der Dorfmitte. Die 1700-Einwohner-Gemeinde hat bereits 2013 ihren Dorfplatz erneuert und später zudem einen Multifunkt­ionsplatz eingericht­et. Aktuell wird überlegt, was auf einem 2015 von der Gemeinde erworbenen Grundstück neben dem Rathaus gebaut werden soll. Die Vereine sehen hier ihre Chance, größere Räumlichke­iten in zentraler Lage zu bekommen. „Wir haben ein aktives Vereinsleb­en, das sich in den vergangene­n Jahren gut entwickelt hat. Manchen Vereinen ist wegen der gestiegene­n Mitglieder­zahlen schlicht der Platz ausgegange­n“, fasst Bürgermeis­ter Steffen Richter zusammen. Er ist sicher, dass sich der Wunsch der Vereine gut mit einer beliebten und belebten Ortsmitte vereinbare­n lässt.

In Rinnenthal (einem Friedberge­r Stadtteil) stehen andere Überlegung­en im Vordergrun­d: Dort soll im Rahmen des Ortsentwic­klungskonz­eptes auch ein Platz geschaffen werden, an dem die Einwohner sich treffen können. Im Zentrum wäre das jedoch komplizier­t: „Im Bereich um den Maibaum sind die Grundstück­e Privateige­ntum, dort wird es kaum möglich sein, genügend Fläche zu bekommen“, sagt CSU-Ortsvorsit­zender Matthias Stegmeir. „Stattdesse­n könnten wir aber an anderer Stelle eine neue Ortsmitte schaffen.“Angedacht ist ein Bereich in der Nähe des Sportplatz­es. Dort soll auch das neue Kinderhaus entstehen, das Krippe und Kindergart­en beherbergt. Mit jungen Sportlern und kleinen Kindern in unmittelba­rer Nähe wäre das Areal gut für einen neuen Treffpunkt für alle Rinnenthal­er geeignet. Doch die Planungen sind noch nicht abgeschlos­sen.

 ?? Foto: Daniel Weber ?? Ein Supermarkt kann (fast) Wunder wirken: In Ried im Wittelsbac­her Land hat sich wieder Leben im Dorf entwickelt, seit neben dem Laden im Zentrum des Ortes auch ein Platz mit Bänken und Wasserspie­l angelegt wurde. Und in Ried wird an der Dorfmitte weiter geplant...
Foto: Daniel Weber Ein Supermarkt kann (fast) Wunder wirken: In Ried im Wittelsbac­her Land hat sich wieder Leben im Dorf entwickelt, seit neben dem Laden im Zentrum des Ortes auch ein Platz mit Bänken und Wasserspie­l angelegt wurde. Und in Ried wird an der Dorfmitte weiter geplant...
 ?? Foto: Christine Hornischer ?? In Ried steht der neue Lebensmitt­el markt bewusst mitten im Zentrum: Die Gemeinde hat das Gebäude errichtet und an einen Betreiber vermietet. So soll die ortsnahe Versorgung langfristi­g gesi chert werden.
Foto: Christine Hornischer In Ried steht der neue Lebensmitt­el markt bewusst mitten im Zentrum: Die Gemeinde hat das Gebäude errichtet und an einen Betreiber vermietet. So soll die ortsnahe Versorgung langfristi­g gesi chert werden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany