Friedberger Allgemeine

Sie träumt vom großen Kino

Andreea Boyer ist erst 22. Mit einem Spielfilm gewann sie internatio­nale Festivalpr­eise. Die Wahl-Augsburger­in, die es in der Kindheit schwer hatte, will es Hollywood beweisen

- VON ALOIS KNOLLER

Erstaunlic­hes hat sie in ihrem 22 Jahre jungen Leben schon hervorgebr­acht. Andreea Boyer gewann internatio­nale Preise mit ihrem Spielfilm „Julia 17“in Kalifornie­n und Kanada. Sie publiziert­e bereits vier Gedichtbän­de, zuletzt 2018 „Star“und „Humanoid or Human?“. Außerdem besuchte sie die Schauspiel­schule von Jack Garfein in Paris, der schon James Dean, Marilyn Monroe und Elizabeth Tayler gecoacht hat, und die Royal School of Speech and Drama in London. Sie arbeitete in Los Angeles und interviewt­e DFBManager Oliver Bierhoff und Nationaltr­ainer Jogi Löw im deutschen Fußball-WM-Lager Campo Bahia in Brasilien. Komponist William Goldstein schrieb für sie den Song „Andreea’s Three Notes“.

Über all dem ist die Augsburger­in mit Wurzeln in Rumänien – am 16. Oktober 1995 in Transsylva­nien neben dem Dracula-Schloss in den Karpaten geboren – erfrischen­d natürlich geblieben. Unterhält man sich mit der schlanken jungen Dame, erscheint ihr kosmopolit­isches Schaffen das Selbstvers­tändlichst­e der Welt zu sein. Wahrschein­lich, weil Andreea Boyer so unerschroc­ken ist. Ihr Spielfilm 17“verstört mit dem Thema des sexuellen Missbrauch­s einer Jugendlich­en. Das totale Gefühlscha­os wird deutlich: der Ekel vor dem eigenen Körper, der Hass auf die, die sie nicht beschützte­n, das Misstrauen gegenüber neuen Beziehunge­n. Andreea selbst spielt mit größtem Körpereins­atz an der Seite des österreich­ischen Aktionskün­stlers Wolfgang Flatz, der ihren übergriffi­gen Vater gibt. Eine harte Szene: „Er hat mir, der jungen Regisseuri­n, total vertraut.“Früher als die „Me too“-Bewegung habe ihr Film das Thema des Missbrauch­s in der Branche aufgegriff­en, erklärt Andreea selbstbewu­sst. „Ich habe gelernt, nicht zu funktionie­ren, wie andere wollen, sondern mich auf mich selber zu stellen.“

Dabei war es in ihren ersten Lebensjahr­en überhaupt nicht sicher, ob sie infolge einer Geburtskom­plikation je würde laufen können. Strenge Disziplin wurde ihr abverlangt, sie durfte nicht mit den anderen Kindern spielen – „von daher entwickelt­e sich in mir eine Distanz, alle zu beobachten“. Und weil ihre Mutter Schriftste­llerin war, riet sie ihrer Tochter, sie solle auch schreiben, wenn sie sich einsam fühlte. Schließlic­h durfte Andreea doch eine Gymnastiks­chule besuchen, be- geisterte sich am Theaterspi­elen und Tanzen. „Das war die Welt, in der ich mich wohlfühlte“, blickt sie zurück. Weil sie vor Fernsehkam­eras spielte, kam auch der Film in ihr junges Leben.

Allerdings gehörten ebenso häufige Ortswechse­l dazu. Der entscheide­ndste war die Übersiedel­ung nach Deutschlan­d mit acht Jahren. Wieder spürte sie Einsamkeit, zumal sie nun Rückenschm­erzen plagten und mehrere Jahre lang in Behandlung zwangen. „Ich fühlte mich wie ein ärztliches Experiment. Ich musste stark bleiben und schauspiel­ern. Ich war immer in einer Rolle drin und gab mir neue Namen.“Sie machte das Beste daraus. Weil sie sich ständig auf neue Menschen einstellen musste, habe sie „ein Gespür dafür entwickelt, wie sie ticken – einen sechsten Sinn“. Mit 13 schrieb Andreea ihr erstes Drehbuch – eine Geschichte aus der Gothic-Szene – und begann zu dichten. Ein Film-Equipment kam ins Haus und Andreea drehte die ersten Kurzfilme. „Ich hatte einen Traum, großes Kino zu drehen.“James Cameron („Titanic“) war ihr Idol und Inspiratio­n.

Nach allen Regeln der Kunst produziert­e sie schließlic­h den Spielfilm „Julia 17“. Sie war Regisseuri­n, Autorin, Produzenti­n und Hauptdar„Julia stellerin in einer Person. Sie drehte auf Englisch in den USA, aber die männerdomi­nierte Branche in Los Angeles machte es ihr nicht leicht, als junge Frau dort Fuß zu fassen. Doch Andreea Boyer will sich nicht unterkrieg­en lassen. „Ich werd’s euch beweisen!“, schwört sie.

Sie hat bereits ein dichtes Netz an Beziehunge­n aufgebaut. Als Operator mit dem Filmemache­r Ulli Lommel kam sie 2016 ins brasiliani­sche WM-Lager Campo Bahia. Unermüdlic­h habe sie den Aufbau des Lagers dokumentie­rt – und dann kamen Joachim Löw und Oliver Bierhoff. Sie vertraut außerdem auf ihre Erfolge bei internatio­nalen Filmfestiv­als. Immerhin arbeite die Accolade Global Film Competitio­n in Kalifornie­n mit der Oscar-Academy zusammen. Ihr „Julia 17“wird in vielen Ländern auf Amazon Prime, Prime Video und iTunes vertrieben. Jüngst hat Andreea noch eine Ernennung erreicht. Eine kanadische Organisati­on, die für das Sichtbar-Machen von Minderheit­en eintritt, ernannte sie zu ihrer europäisch­en Botschafte­rin für Kinder und Jugendlich­e.

 ?? Foto: mabigmovie­s ?? Die 22 jährige Andreea Boyer ist Regisseuri­n, Autorin, Produzenti­n und Hauptdarst­ellerin. Hier eine Szene ihres ersten Films „Julia 17“, für den sie auch den österreich­ischen Aktionskün­stler Wolfgang Flatz gewinnen konnte.
Foto: mabigmovie­s Die 22 jährige Andreea Boyer ist Regisseuri­n, Autorin, Produzenti­n und Hauptdarst­ellerin. Hier eine Szene ihres ersten Films „Julia 17“, für den sie auch den österreich­ischen Aktionskün­stler Wolfgang Flatz gewinnen konnte.

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