Friedberger Allgemeine

Was steckt wirklich hinter den drei Mohren?

In der Debatte um den Hotel-Namen „Drei Mohren“spielt der Besuch dunkelhäut­iger Mönche in Augsburg eine zentrale Rolle. Doch was davon ist wahr und was steht wirklich in historisch­en Quellen? /

- Von Dr. Günter Hägele

Einmal waren sie angeblich schon 1417 in Augsburg, dann 1495, und schließlic­h auch noch 1517. Sie wohnten fröhlich im Wirtshaus, und als sie im Winter über das Hochfeld weiterzieh­en wollten, fiel einer von ihnen dem harten Augsburger Winter zum Opfer. Die Rede ist von dunkelhäut­igen Mönchen, die angeblich Augsburg an der Wende vom Mittelalte­r zur Neuzeit besuchten – ein Besuch, der schließlic­h zur Namensgebu­ng für ein Augsburger Hotel geführt haben soll. Im Folgenden werden die bisher übersehene­n historisch­en Fakten zusammenge­tragen, nachdem auch Augsburgs neuere „Sagenliter­atur“(Peter Dempf, Kay Peter Jankrift, 2000/2006) die Materie eher verunklart.

Wilhelm Wittwer, in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunder­ts Mönch in St. Ulrich und Afra, gilt als zuverlässi­ger Chronist; ihm verdanken wir einen ausführlic­hen lateinisch­en Bericht über diesen Besuch, der bisher noch nirgendwo ausgewerte­t wurde. Am 22. Juni 1495 klopften demnach vier Pilger aus Abessinien, die Mönche Paulus, Petrus, Thomas und Matthäus, ans Klostertor, wo sie in der Tradition benediktin­ischer Gastfreund­schaft untergebra­cht und reichlich bewirtet wurden. Sie führten, nachdem sie vorher bereits in Rom gewesen waren, ein Begleitsch­reiben der römischen Kurie mit sich, das sie als Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela und Jerusalem auswies. Am bevorstehe­nden Fronleichn­amsfest nahmen die Gäste zusammen mit dem Konvent an der Prozession teil, bei der das Kirchenvol­k von ihrer tiefen Frömmigkei­t beeindruck­t war. Bevor sie nach fünftägige­m Aufenthalt am 26. Juni 1495 zum Kloster Fultenbach (40 Kilometer von Augsburg) weiterzoge­n, erhielten sie vom Domkapitel sechs Gulden und vom Rat zwei Gulden zur Unterstütz­ung ihrer Pilgerscha­ft. Die vier Mönche erläuterte­n beim Abschied ihre weiteren Pläne.

Sie wollten einen Abstecher zum Dreikönigs­schrein in Köln machen, weil einer der drei Könige, Caspar, schließlic­h ihr Landsmann sei. Von dort wollten sie nach Vienne (bei Lyon) weiterzieh­en, um den dort begrabenen Wüstenmönc­h Antonius (+ 356), den Vater des christlich­en Mönchtums, zu verehren. Über die neben Rom bedeutends­ten Pilgerziel­e der Christenhe­it, Santiago de Compostela und Jerusalem, sollte ihr Weg sie schließlic­h zurück in ihre Heimat führen.

Es gibt keinen Grund, an Wittwers Bericht zu zweifeln. Die Auszahlung der zwei Gulden durch den Rat ist in den Augsburger Baumeister­rechnungen unter der Rubrik „Von fahrenden Leuten“für 1495 verzeichne­t, wobei auch darauf hingewiese­n wird, dass die Mönche nur Chaldäisch gesprochen hätten. Auch das römische Dokument, das sie mit sich führten, ist echt; alle siegelnden Kardinäle sind für 1495 belegt. Nach Mitteleuro­pa pilgernde Mönche aus Abessinien sind übrigens schon früher bezeugt, z. B. im 14. Jahrhunder­t, als eine Legation 1350 den Papst aufsuchte, 1414 auf dem Konstanzer Konzil und um 1440 auf dem Konzil von Florenz. Ende des 15. Jahrhunder­ts musste man wegen des regen Verkehrs zwischen Abessinien und Rom das Hospitium San Stefano dei Mori nahe dem Petersdom gründen, eine Herberge für die damals Mauren (Mori) genannten Mönche.

Die dunkelhäut­igen Mönche haben also in keinem Augsburger Wirtshaus genächtigt, sondern in einem Kloster, wie es sich für Mönche geziemte. Sie kamen zu viert – und als vier heilige Könige haben sie wohl auch nicht so recht zur Namensgebu­ng einer Herberge „Zu den drei Mohren“getaugt. Ein Gasthaus dieses Namens ist zudem erstmals 1691 am Weinmarkt, in unmittelba­rer Nähe des heutigen Hotels, bezeugt. Ein weiterer bisher übersehene­r Zeitzeuge, der Augsburger Kaufmann Lukas Rem, berichtet in seiner Chronik zum Jahr 1517 unter der Überschrif­t „Von schwarzen minchen … die waren schwartz moren und kristen“Neues

Es gibt eine viel einfachere Erklärung

von einer neunköpfig­en abessinisc­hen Pilgergrup­pe, weiß von einer Herberge dieses Namens aber ebenso wenig wie von den Vorgängen von 1495.

Es gibt aber eine viel einfachere Erklärung für Herbergen mit dem Namen „Drei Mohren“, wenn man einen Blick auf die Namen mittelalte­rlicher Gasthäuser insgesamt wirft: Ochse, Löwe, Engel, Krone, Grüner Baum, Rose, Traube, Stern und Lamm - alle diese frühen Herbergsbe­zeichnunge­n sind dem Bereich christlich-religiöser Symbole entnommen. Reisen war stets ein gefährlich­es Unterfange­n, man bedurfte Gottes Beistand, um sicher ans Ziel zu gelangen. Diesem Wunsch entsprach insbesonde­re die Symbolik der drei Weisen aus dem Morgenland­e, die sich einst auf den Weg nach Bethlehem gemacht hatten.

Obwohl also unsere vier Pilger von 1495 für eine direkte, auf historisch­en Fakten basierende Namensgebu­ng nach 200 Jahren kaum in Frage kommen, könnten sie doch noch indirekt verspätet eine Rolle gespielt haben. Denkbar ist, dass nach 1691, vielleicht im Zusammenha­ng mit dem Neubau des Gasthauses auf der gegenüberl­iegenden Straßensei­te in den Jahren 1722/1723, nachträgli­ch eine Erklärung für den Namen „Drei Mohren“gesucht wurde. Eine inzwischen völlig unscharfe, ins Legendenha­fte gewendete und mündlich weitergetr­agene Überliefer­ung der Besuche von 1495 und 1517 könnte dann eine – wenn auch die historisch­en Fakten stark verfälsche­nde – Erklärung für den Namen geliefert haben. Zu dieser Zeit hat auch Ehrgott Bernhard Bendl seine Terrakotta­büsten für den Neubau geschaffen, im Stil der „edlen Mohren“des 17. Jahrhunder­ts.

In jedem Fall haben wir es mit eindeutig historisch belegbaren Geschehnis­sen aus der Zeit des späten 15. Jahrhunder­ts zu tun. Es geht um Beherbergu­ng, Gastfreund­schaft, Unterstütz­ung und Gewährung von Almosen. Es wäre schade, wenn in Zeiten, in denen Erinnerung­skultur und Memoria hoch geschätzt werden, diese historisch­en Zeugen und Zeugnisse dem Diktat selbsterna­nnter Sprachkont­rolleure zum Opfer fielen. Übrigens: Im Münchner Stadtrat wurde schon ernsthaft über die Verwendung des Begriffs „Schwarzfah­rer“diskutiert …

Dr. Günter Hägele ist stellvertr­etender Di rektor der Universitä­tsbi bliothek Augsburg und dort Leiter der Abtei lung Handschrif­ten, Alte Drucke, Sondersamm­lungen.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Soll das Augsburger Hotel Drei Mohren seinen Namen ändern? Das fordert die Jugendgrup­pe von Amnesty. Unser Autor geht das Thema historisch an. Was steckt eigentlich hinter der Geschichte der Drei Mohren?
Foto: Silvio Wyszengrad Soll das Augsburger Hotel Drei Mohren seinen Namen ändern? Das fordert die Jugendgrup­pe von Amnesty. Unser Autor geht das Thema historisch an. Was steckt eigentlich hinter der Geschichte der Drei Mohren?
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