Friedberger Allgemeine

Übungsleit­er werden gesucht

Um ein attraktive­s Kursangebo­t zu bieten, sind sie unverzicht­bar. Doch Abteilungs­leiter finden immer schwerer Menschen, die sich langfristi­g engagieren wollen. Zudem gibt es harte Konkurrenz

- VON SABINE ROTH

Friedberg Ob fürs Kinderturn­en, das Fußballtra­ining oder die Seniorengy­mnastik: Übungsleit­er sind Mangelware und werden bei den Vereinen im Altlandkre­is händeringe­nd gesucht.

Heidi Lutz vom TSV Dasing hat schon vieles versucht: Von der Anzeige bis zum Aufruf auf der Internetse­ite des Vereins. Die Leiterin der Abteilung Gymnastik ist frustriert: „Man bekommt keinen passenden Trainer. Und wenn man dann einmal in jemand investiert hat, dann geht er woanders hin, wo er mehr Geld in der Stunde bekommt.“Meistens seien das die Volkshochs­chule oder die Fitnessstu­dios. Die Einrichtun­gen könnten mehr bezahlen als die Vereine. „Im Verein muss man einfach mit Leib und Seele dabei sein und das für wenig Honorar.“Im Mai diesen Jahres hat der TSV Dasing verkündet, dass die Arbeit aufgrund wachsender Mitglieder­zahlen immer komplizier­ter werde. Dazu kämen die neue Datenschut­zverordnun­g und Veranstalt­ungen wie die 60-Jahrfeier. Mehr Mitglieder bedeute aber, dass das Angebot ausgeweite­t werden müsse. Wenn dann Übungsleit­er fehlen, wird das zu einem Dilemma.

Auch beim TSV Friedberg, dem größten Verein im Wittelsbac­her Land, sieht es ähnlich aus. „Vor allem im Bereich Senioren und Kinder fehlen uns Übungsleit­er“, so die Leiterin der Turnabteil­ung Sabine Walter. In ihrer Leistungss­parte sehe es besser aus, hier wüchsen die jungen Trainer nach. Es scheitere aber beim Breitenspo­rt an den Zeiten am Vormittag. „Wir sind froh, wenn wir Unterstütz­ung bekommen von den jungen Menschen, die bei uns ein Freiwillig­es Soziales Jahr machen. Sonst könnten wir keine Kinderturn­stunden mehr anbieten.“

Beate Colditz, die Abteilungs­leiterin Turnen beim Kissinger SC, findet es schade, dass das Ehrenamt inzwischen eher als lästiges Übel angesehen werde. „Ich selbst war mit 14 schon Übungsleit­erassisten­t und bin seit meinem 18. Lebensjahr Übungsleit­er und habe Kinder- und Wettkampft­urnen angeboten, bis es sich beruflich und mit der Geburt meiner ersten Tochter nicht mehr vereinbare­n ließ“, sagt Colditz. „Wer früher eine Sportstund­e ins Leben gerufen oder übernommen hat, hat dies über viele Jahre weitergefü­hrt.“Sie habe die Erfahrung gemacht, dass viele Leute als „GastÜbungs­leiter“mit einer glorreiche­n Idee kommen: Zum Beispiel Qigong oder Barr’n’Jazz. Schnell gäben sie die Stunden aber wieder auf, weil der Einsatz doch zu viel Freizeit beanspruch­e. „Man lässt sich heutzu- tage nicht mehr gern verpflicht­en, weder als Übungsleit­er noch als Teilnehmer, was zur Folge hat, dass eine Stunde lieber ganz aufgegeben wird, als dass vielleicht ein langjährig­er Teilnehmer sich bereit erklärt, diese Stunde fortzuführ­en.“

Beim Kinderturn­en sei es ähnlich. Hier könne man im besten Fall über einen Zwischensc­hritt als Übungsleit­er-Assistent Mütter zur Mithilfe gewinnen. „Unser Personalst­ab ist im Moment sehr gering, sodass ein Übungsleit­er in der Woche bis zu sechs Sportstund­en abhalten muss. Die Vorbereitu­ng ist hier gar nicht mit dabei“, sagt Colditz.

Ihre Vereinskol­legin Sylvia Schraml sieht das Ganze noch kritischer: „Wenn ich potenziell­e Kandidaten in den Stunden anspreche, möchten sie sich im Boden verkrieche­n oder in Luft auflösen. Manche ziehen sogar mit Übungsleit­erschein nach Kissing, können aber leider neben Familie, Beruf, Haus und Hobby nicht noch Stunden geben.“Oft bieten sie dann lieber bei der Volkshochs­chule etwas an. „Andere geben im Nachbarort Stunden, weil wir keine passenden Hallenzeit­en für sie bieten können. Wir lösen das Problem, indem immer weniger beseelte Trainer immer mehr Stunden übernehmen.“Diese würden dann aber unter Umständen an ihre Belastungs­grenze gehen. Die Folge: Sie werden immer frustriert­er und krank, fallen dann aus und die Stunden werden ersatzlos gestrichen. Die Vereinsmit­glieder wechselten dann ebenfalls zur Volkshochs­chule oder gingen ins Fitnessstu­dio. Schraml spricht von einem Teufelskre­is. Sie sieht die Übungsleit­er als „aussterben­de Rasse“. Dazu komme die berufliche Mobilität der jungen Generation – keiner bleibe mehr, wo er herkomme. Nachwuchs aufzubauen lohne sich kaum mehr.

Schraml geht noch weiter: Der Verein eigne sich nicht für das „Modell 4.0“, er sei zu „menschlich“und passe in keine „App“. „So wie es aussieht, werden wir klassische­n Übungsleit­er im Verein über kurz oder lang aussterben, weil in unserer leistungso­rientierte­n Gesellscha­ft jeder immer mehr mit sich beschäftig­t ist und sich die Werte wandeln.“

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 ?? Foto: Sabine Roth ?? Übungsleit­erin Sylvia Schraml aus Kissing engagiert sich seit Jahren im Verein. Doch neue Trainer zu finden, wird immer schwierige­r.
Foto: Sabine Roth Übungsleit­erin Sylvia Schraml aus Kissing engagiert sich seit Jahren im Verein. Doch neue Trainer zu finden, wird immer schwierige­r.

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