Friedberger Allgemeine

Der Wald ruft

Intendant Kay Metzger startet seine erste Spielzeit mit Leos Janáceks Oper „Das schlaue Füchslein“

- VON MARCUS GOLLING

Ulm Im Wald, da gibt’s keine Sünde. Der Hase hüpft, die Mücke surrt, die Libelle dreht ihre Runden. Kay Metzger, der neue Intendant am Theater Ulm, schickt das Publikum hinaus in die Natur: Zum Spielzeits­tart hat er Leos Janáceks märchenhaf­te Oper „Das schlaue Füchslein“im Großen Haus inszeniert. Ein gelungener, aber nicht makelloser Amtsantrit­t, der am Schluss mit viel Beifall quittiert wurde.

Das 1924 uraufgefüh­rte Werk gilt als „tschechisc­her Sommernach­tstraum“. Im Mittelpunk­t steht die Füchsin Spitzohr, die von einem Förster gefangen wird, später aber zurück in den Wald fliehen kann. Während die Füchsin in der Freiheit selbst eine Fuchsfamil­ie gründet, stecken der Förster und die Männer aus dem Dorf in komplizier­ten Beziehunge­n: Alle stehen auf dieselbe Frau. Das Rennen macht der Wilderer Haraschta – der erschießt Spitzohr und macht einen Muff aus ihr.

Das „Füchslein“(in Ulm in der zeitgemäße­n Übersetzun­g von Werner Hintze) bietet viele, auch feministis­che oder politische Deutungseb­enen an: Kay Metzger und Ausstatter­in Petra Mollérus, beide zuvor am Landesthea­ter Detmold, setzen aber ganz auf die sich immer wieder erneuernde Natur – nicht übermäßig modern, aber im Sinne des Komponiste­n, der für seine Oper Vogelstimm­en studierte und Füchse im Wald beobachtet­e. Dazu kommt eine surreale Dimension: Die mit knorrigen Bäumen bemalte Bühne besteht aus zwei hintereina­nder gestaffelt­en Wänden, in denen sich synchron Türen öffnen. Die Sänger kraxeln über schiefe Ebenen. Über diese Rampen rollt ein Mistkäfer seine Kugel – und der Dorfwirt sein Fass: Der Mensch hat es auch nicht leichter als das Tier. Überhaupt steckt „Das schlaue Füchslein“voller liebevolle­r und komischer Details. Der Dachs ist ein grillender Spießer mit Fan-Schal, dem Hasen wird von den Füchsen seine Blume gemopst und die Raupe hat Besen auf dem Rücken: Kehrwoche im schwäbisch­en Forst.

„Das schlaue Füchslein“ist personell ein Kraftakt: Zu den Solisten kommen Opernchor, Statisteri­e und Kinder aus dem Ulmer SpatzenCho­r. Das Zusammensp­iel hat zumindest bei der Premiere aber noch seine Tücken: Speziell die Kinderstim­men kommen anfangs kaum gegen das von Generalmus­ikdirektor Timo Handschuh geleitete, ansonsten konzentrie­rt aufspielen­de Orchester an; die Textverstä­ndlichkeit leidet in den personalre­ichen Passagen – und zu allem Überfluss funktionie­ren die Übertitel erst nach der Pause. Doch die impression­istisch schillernd­e Musik Janáceks, gute Solistenle­istungen – vor allem von Füchsin Maria Rosendorfs­ky und Förster Dae-Hee Shin – lassen diese Mängel in den Hintergrun­d treten.

OWieder am 2., 4. und 6. Oktober im Großen Haus. Weitere Vorstellun­gen bis Dezember

 ?? Foto: Schomburg ?? Im Wald daheim: (von links) die Füchse Maria Rosendorfs­ky und I Chiao Shih mit Hase Gaëtan Chailly.
Foto: Schomburg Im Wald daheim: (von links) die Füchse Maria Rosendorfs­ky und I Chiao Shih mit Hase Gaëtan Chailly.

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