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Porträt Natascha Kohnen (SPD) geht ihren Konkurrenten Markus Söder (CSU) massiv und persönlich an
München/nürnberg Es gibt Situationen, da fällt Natascha Kohnen nix ein. Zum Beispiel in Nürnberg bei einem Vier-augen-duell mit Markus Söder. Die Spd-spitzenkandidatin soll drei Eigenschaften nennen, die sie an ihrem Csu-widersacher, Ministerpräsident Markus Söder, gut findet. Die beiden Chefredakteure der Nürnberger Nachrichten, die das Duell moderieren, zeigen sich geduldig. Aber es kommt nix. Kohnen kann sich nicht überwinden, auch nur ein nettes Wort über ihren Konkurrenten zu sagen.
Ganz anders Söder. Er attestiert seiner Widersacherin Kampfgeist, lobt ihre Kostümierungen beim fränkischen Fasching in Veitshöchheim und nennt sie eine „sehr intelligente Dame“. Daraufhin bekommt Kohnen eine zweite Chance. Sie zögert weiter und nennt Söder schließlich „gerissen“und „machtorientiert“. Söder reagiert enttäuscht: „Wir kommen da nicht wirklich weiter. Sie schimpfen immer so.“Darauf Kohnen: „Dann machen wir doch Folgendes aus: Ich schimpfe nicht mehr und Sie sind nicht mehr so arrogant.“
Kohnen hätte auf Söders Charmeoffensive auch anders reagieren können, zum Beispiel: „Hey, ich wusste gar nicht, dass Sie auch charmant sein können.“Damit hätte sie beim Publikum wahrscheinlich eher gepunktet. Sie tut es aber nicht. Sie kann nicht über ihren Schatten Das ist vermutlich eine ihrer größten Schwächen.
Wo Kohnens Stärken liegen, zeigt sich in Nürnberg am selben Tag an anderer Stelle. Einige hundert Taxifahrer demonstrieren gegen drohende Einbußen beim Einkommen durch internetgestützte Konkurrenzunternehmen. Kohnen spricht zu ihnen. Sie weiß, wovon sie redet. Und sie weiß, wie sie die Taxler beeindrucken kann. Das Taxi, so Kohnen, sei ein wichtiger Baustein im öffentlichen Personennahverkehr. Das müsse auch in Zukunft so bleiben. Sie sagt: „Das Taxi ist verlässlich und, das ist doch klar: Wir dürfen dieses verlässliche System nicht aufs Spiel setzen.“Dafür werde sich die SPD einsetzen, verspricht Kohnen und demonstriert dann auch noch, dass sie mit den entscheidenden Details und Problemen des veralteten Personenbeförderungsgesetzes vertraut ist: welche Regelungen zum Schutz des Taxigewerbes verteidigt werden müssen und wo sich das Gewerbe an neue Entwicklungen wird anpassen müssen.
Die Spitzenkandidatin der Bayern-spd kann – das ist wahrscheinlich ihre größte Stärke – in ähnlich informierter Weise über die Bekämpfung der Wohnungsnot in Ballungsräumen, über Verbesserungen bei der Bildung, den Ausbau von Kindertagesstätten oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf reden. Als Wirtschaftsexpertin hat sie sich im Landtag in den vergangenen Jahren mit ihrem Detailwissen und ihrem Verständnis für Probleme über Parteigrenzen hinweg Respekt verschafft. Doch all das scheint der 50-jährigen Spd-landeschefin, die es in der Bundespartei sogar zu einer der vier stellvertretenden Parteivorsitzenden gebracht hat, in diesem Landtagswahlkampf nicht viel zu nützen. Die SPD ist im Freistaat in einigen Umfragen auf zwölf, in einer Umfrage sogar auf elf Prozent abgestürzt. Der letzte Spd-spitzenkandidat in Bayern, der frühere Münchner Oberbürgermeister Christian Ude, konnte im Jahr 2013 gegen Ministerpräsident Horst Seehofer immerhin noch 20,6 Prozent holen. Davon kann die Bayernspd, obwohl auch die CSU und Söder in Umfragen eingebrochen sind, zur Zeit nur noch träumen.
Über die Umfragen spricht Kohnen nicht so gerne. „Echt hart“seien die Werte für die SPD, sagt sie. Mehr sagt sie dazu nicht. Sie macht einfach weiter, scheinbar unverdrossen und ohne sich ihren Frust anmerken zu lassen. Sie nennt es „Haltung zeigen“.
In der einstigen Spd-hochburg München zum Beispiel ist Wahlkampf für Sozialdemokraten zur Kärrnerarbeit geworden. Mit „Kohnen plus“hat sich die Spitzenkandidatin ein Veranstaltungsformat gebastelt, das ihrer Lust an einer vertieften Debatte vor mehreren hundert Zuhörern entspricht. Einige Male hat das außerhalb Münchens schon ganz gut geklappt. In den Saal des Wirtshauses am Bavariapark oberhalb der Theresienwiese aber sind an diesem Abend nicht einmal 80 Zuhörer gekommen, obwohl Kohnen mit Bundesjustizministerin Katarina Barley eine deutschlandweit bekannte Parteifreundin zu Gast hat.
Es ist ein munteres, aufschlussreiches Gespräch. Beide Frauen haben Migrationshintergrund – Kohnens Mutter ist Irin, Barleys Vater Brite. Beide Frauen sind lange nach dem legendären Spd-vorsitzenden Wilspringen. ly Brandt zur Politik und zur Partei gekommen. Bei Kohnen gab ein Auftritt von Ex-bundeskanzler Helmut Schmidt auf dem Marienplatz in München den Ausschlag, sich in der SPD zu engagieren. Und beide Frauen zeigen sich auf ihren Politikfeldern bis in die Details informiert.
Kohnens wichtigstes Thema ist der Wohnungsbau. Bezahlbaren Wohnraum für alle zu schaffen, ist für sie die soziale Frage der nächsten Jahrzehnte. Erste Erfolge kann sie bereits vorweisen. Die Vereinbarungen in der Großen Koalition in Berlin zum Wohnungsbau hat sie mit ausgehandelt. Ihr Vorschlag für Bayern: ein Mietpreisstopp für die kommenden fünf Jahre in Kombination mit einer groß angelegten staatlichen Wohnbau-offensive. Mieterschutz allein, das weiß die Wirtschaftsexpertin, schafft keinen neuen Wohnraum. Politik muss bei Kohnen beides sein – sozialdemokratisch und realistisch. Ihr erklärtes Ziel ist es, „ganz praktisch das Leben der Menschen in unserem Land zu verbessern.“Im Dialog mit ihrer Parteifreundin Barley erfährt sie keinen Widerspruch. Die beiden Frauen spielen sich die Bälle zu.
In der Abschlussdebatte dieser Wahlperiode im Landtag ist das anders. Hier trifft Kohnen zum letzten Mal in diesem Wahlkampf direkt auf Söder. Er hat in seiner Regierungserklärung für ein stabiles Bayern geworben und sich als „Brückenbauer“präsentiert. Sie arbeitet Punkt für Punkt heraus, was die SPD von der CSU unterscheidet. Das Familiengeld der Staatsregierung, so Kohnen, schaffe keine neuen Kitaplätze und bringe keinen Fortschritt bei der Qualität der Kinderbetreuung. Das Pflegegeld der Staatsregierung schaffe keine neuen Pflegeplätze. Im öffentlichen Nahverkehr, beim schnellen Internet oder beim Wohnungsbau versage der freie Markt. Nur ein starker Staat, so sagt die Vorsitzende der Bayern-spd, könne diese Probleme lösen und für neuen Zusammenhalt in der Gesellschaft sorgen.
Die Unterschiede in der Sache zu betonen aber reicht Kohnen nicht. Sie geht ihren Konkurrenten massiv und persönlich an. Sie wirft ihm vor, Politik ohne echte Überzeugungen zu betreiben. „Ihnen geht es ausschließlich um das Machterringen und das Machtausüben, und zwar ausschließlich, als reiner Selbstzweck“, sagt Kohnen. Söder sei kein „Brückenbauer“, sondern habe lange selbst zur Spaltung im Land beigetragen zu haben. Dass sie ihm noch einmal das Wort „Asyltourismus“, noch dazu im Zusammenhang mit „Ertrinkenden im Mittelmeer“vorhält, löst bei der CSU einen Sturm der Entrüstung aus. Söder hatte sich dafür entschuldigt und versprochen, das Wort nicht mehr zu verwenden. Kohnen zieht seine Aufrichtigkeit in Zweifel.
Der Grund ist offenkundig: Die SPD steht in Bayern mit dem Rücken zur Wand. Natascha Kohnen setzt auf Konfrontation statt auf nette Worte.