Die Stadt spricht beim Weinnest ein Machtwort
Bauen Die Verwaltung verfügt Sicherungsmaßnahmen für das einsturzgefährdete Gebäude in der Stadtmitte. Diese gefallen nicht allen Beteiligten. Doch die Zeit drängt
Friedberg Bis 1. November soll das lange Hin und Her um das einsturzgefährdete Weinnest in der Bauernbräustraße ein Ende haben. Weil nach Ansicht der Stadtverwaltung von den verantwortlichen Privatpersonen keine überzeugenden Lösungsvorschläge präsentiert worden seien, ordnet die Kommune angesichts der Jahreszeit, in der mit Stürmen zu rechnen ist, nun selbst Notsicherungsmaßnahmen an. Die Straße soll außerdem spätestens zum Start des Friedberger Advents wieder frei sein. Die Anordnungen sorgen aber für noch mehr Streit.
Als der Bauunternehmer Bernhard Spielberger im April dieses Jahres sein Haus neben dem ehemaligen Weinnest abriss, stellte sich heraus, dass sich beide Gebäude eine Wand teilten. Und in ihr klafften nun bedenkliche Risse. Zunächst war nicht klar, zu welchem Gebäude die Wand gehörte und wer für den Schaden aufkommen sollte. Als sich an der Situation bis zum Juni noch nichts geändert hatte, verbot die Stadt aus Sicherheitsgründen, das nun als einsturzgefährdet eingestufte Gebäude zu betreten. Die Familie mit mehreren Kindern, die darin lebte, stand auf der Straße und durfte seitdem keinen Fuß mehr in das Gebäude setzen. Und die Angelegenheit ist noch komplizierter: Der Verkauf des Hauses – Eigentümerin ist Christl Fischer – war zu dieser Zeit schon zur Hälfte abgewickelt. Der Käufer Gregor Holzbrecher will ihn aber erst abschließen, wenn das Haus geräumt wurde, doch das ist bis heute wegen des Betretungsverbotes unmöglich.
„Seit Juni hat die Stadt mehrfach Notsicherungsvorschläge abgefragt und angemahnt“, berichtet Stadtsprecher Frank Büschel. Erst im September seien Unterlagen eingetroffen, die jedoch unzureichend gewesen seien. Auch das später Nachgereichte habe der technischen Beurteilung nicht standgehalten.
der die Unterlagen eingereicht hat, bietet an, mit einem Gerüst die Wand provisorisch zu sichern. Dann könne das Gebäude wieder betreten und ausgeräumt werden. „Das Gerüst muss ohnehin aufgestellt werden, wenn an der Wand gearbeitet werden soll“, reagiert Holzbrecher mit Unverständnis darauf, dass die Stadt seinen Plänen nicht zustimmt. Er betont, dass möglichst schnell etwas passieren müsse, und gibt zu bedenken, dass es im Haus bereits übel rieche. Trotz der vielen heißen Sommertage durfte niemand hinein, um zu lüften.
Bevor aber überhaupt etwas repariert werden kann, müsse erst einmal geklärt werden, wem nun die Wand eigentlich gehört, fordert Holzbrecher. Sowohl er als auch Spielberger haben je ein Gutachten erstellen lassen. Holzbrechers Schriftstück zählt die Wand zum ehemaligen Weinnest, Spielbergers Dokument bekräftigt, dass sie zu dem abgerissenen Gebäude gehört. „Spielberger hat die Wand beim Abriss beschädigt, aber von ihm hört man gar nichts“, ärgert sich Holzbrecher. Spielberger sieht darin kein Problem, der Schaden sei schließlich an seiner eigenen Wand entstanden.
Die Stadt will zu den angeordneten Maßnahmen derzeit keine Angaben machen. Holzbrecher beklagt sich, dass sie den Empfehlungen Spielbergers entsprechen. Der empfiehlt, die Wand nicht mit einem Gerüst zu sichern. „Ich habe gelernt, dass ein Baugerüst am Haus befestigt wird, nicht das Haus am Baugerüst“, sagt der Bauunternehmer und stellt den Nutzen einer solchen Aktion infrage. Stattdessen rät er, Schrägstützen zu verwenden, um die marode Wand sicher mit dem ehemaligen Weinnest zu verbinden.
Eine größere Gefahr gehe aber vom Dach aus, betont er: Weil die Dachbalken des alten Hauses nicht wie heute üblich miteinander verbunden wurden, könnten sie jederHolzbrecher, zeit herunterfallen. Angesichts der bevorstehenden Herbststürme sollte dagegen schnellstens etwas unternommen werden, meint Spielberger. Eine gängige Lösung sei, die Balken mit Gurtbändern zu verbinden. Zusammen mit den Schrägstützen koste das nur einige Tausend Euro.
Die Sicherung des Gebäudes verzögert sich auch deshalb, weil nicht klar ist, ob Fischer oder Holzbrecher die Entscheidung treffen muss. Fischer erläutert, dass Holzbrecher das Haus erst übernehmen wolle, wenn sie es repariert hat. Den Antrag für die Reparaturarbeiten reichte jedoch nicht sie, sondern Holzbrecher bei der Stadt ein.
Die Stadt Friedberg jedenfalls drängt zur Eile: Spätestens zum Friedberger Advent will sie die öffentlichen Verkehrsflächen wieder freigeben. Und auch sie ist in Sorge wegen stürmischer Herbsttage. Bürgermeister Roland Eichmann hat die Verwaltung angewiesen, den rechtlichen Rahmen voll auszuschöpfen, um den Zeitplan einzuhalten.
Niemand darf das Haus betreten
Schrägstützen statt eines Gerüsts