Friedberger Allgemeine

Ein kurzer Ausflug in den Libanon

Kultur Autor Pierre Jarawan liest Schülern des Gymnasiums Friedberg aus seinem Roman vor

- VON ANNEMARIE RENCKEN

Friedberg Eine junge Frau liegt im Bikini Wasserpfei­fe rauchend am Pool. Hinter ihr trägt ein recht verfallene­s Gebäude deutliche Spuren des langen Bürgerkrie­gs. Das sieht man auf dem Foto, das Pierre Jarawan den Schülern des Gymnasiums Friedberg bei der Lesung seines Romans „Am Ende bleiben die Zedern“zeigt. Für ihn drückt es genau das aus, was er mit dem Libanon verbindet: „Ein Volk, das gerne feiert und das Leben genießt, das aber auch gut darin ist, verfallene Gebäude zu ignorieren.“

Damit meint er, dass der Bürgerkrie­g bei Weitem noch nicht aufgearbei­tet wurde, obwohl fast 30 Jahre seit dem Ende vergangen sind. Vielen sei es gar nicht so wichtig, sich der Vergangenh­eit zu stellen. Erst die Jungen würden anfangen, Fragen zu stellen.

Für die etwa 110 Schüler aus der elften und zwölften Klasse des Gymnasiums Friedberg und einige Frauen des Literaturk­reises aus Kissing ist die Lesung gewisserma­ßen Deutsch-, Geschichts- und Geografies­tunde in einem. Der deutsch-libanesisc­he Autor nimmt sie mit in seinen Roman, aber auch auf eine Reise in die Vergangenh­eit und Gegenwart des Libanons. Das Land spielt in seinem eigenen Leben aber auch in dem Roman eine besondere Rolle. Die Eltern seines Protagonis­ten Samir flohen kurz vor dessen Geburt vor dem Bürgerkrie­g aus dem Libanon nach Deutschlan­d. Und auch Jarawans Eltern kamen aus diesem Grund zusammen mit ihm als Dreijährig­en hierher.

Trotz dieser Parallelen ist der Roman nicht autobiogra­fisch: „Für mich ist der Reiz am Schreiben, dass man sich etwas ausdenken kann. Aber ich habe aus einer Welt erzählt, die ich kenne,“antwortet Jarawan auf die Fragen der Schüler. Gewisse Details, wie die Szene am Anfang, als Samirs Vater die Satelliten­schüssel so einstellt, dass er arabisches Fernsehen empfangen kann, seien an seine eigene Kindheit angelehnt. Die Geschichte an sich sei allerdings fiktiv. „Natürlich habe ich eine emotionale Bindung zum Land, da die ganze Familie meines Vaters im Libanon verstreut lebt. Anders als Samir wäre ich aber nicht lieber dort als hier.“

Sein Roman beschäftig­t sich mit der Identitäts­suche der zweiten Einwanderu­ngsgenerat­ion, die oft nicht genau wisse, wo sie hingehört „Ich kenne viele türkischst­ämmige Deutsche, die sagen, dass sie hier immer die Türken sind, und in der Türkei die Deutschen.“Sein Protagonis­t Samir reist so auf der Suche nach seiner Identität und seinem geliebten, spurlos verschwund­enen Vater, als Erwachsene­r zum ersten Mal in den Libanon.

Zwischen den Passagen aus seinem Roman erklärt Jarawan, was den Libanon ausmacht, zeigt Fotos vom Land - die schönen, touristisc­hen und die, die man nicht in jedem Reisekatal­og zu sehen bekommt. „Man sieht an vielen Stellen noch Häuser mit Einschussl­öchern vom Bürgerkrie­g. Nach ein paar Tagen fällt einem das aber tatsächlic­h nicht mehr auf.“Der Libanon sei als Reiseziel empfehlens­wert und sicherer, als die meisten denken.

Und wie kam die Lesung bei den Schülern an? „Mir hat sie sehr gut gefallen, besonders die Geschichte dahinter. Vom Libanon wusste ich davor nur wenig, darüber hört man ja nicht so viel in den Nachrichte­n. Und ich finde, er hat es sehr gut vorgetrage­n,“erzählt Serap aus der Q12.

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Foto: Annemarie Rencken Im Anschluss an seine Lesung am Gymnasium Friedberg signierte Pierre Jarawan Bücher.

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