Friedberger Allgemeine

Mering wider des Vergessens

Zeitgeschi­chte Tenor Yoed Sorek berührt mit dem Schicksal seiner jüdischen Großmutter die Realschüle­r

- VON MANUELA RIEGER

Mering In Zeiten, in denen die Angst vor dem Fremden wieder geschürt wird, ist es dem Tenor Yoed Sorek ein besonderes Anliegen, an die Vergangenh­eit zu erinnern: an brennende Synagogen, zerstörte Geschäfte, ermordete oder in den Suizid getriebene Juden. Er war nun in der Meringer Realschule zu Gast. Mit der Veranstalt­ung setzt die Schule ein Zeichen gegen Antisemiti­smus und Rassismus.

Mit kräftiger Unterstütz­ung von Schulleite­r Andreas Pimpl und mit starkem Engagement sprachen Projektlei­terin Claudia Radics und Monika Nees im Vorfeld mit den Schülern. Still war das Musikzimme­r, als Yoed Sorek mit Liedern und Texten an seine in Vilnius geborene Großmutter Sima erinnerte. Sein Auftritt war keine leichte Kost, berührte jedoch die jungen Zuhörer.

Am 9. November jährt sich zum 80. Mal die Reichspogr­omnacht, jene Gräuel der Nationalso­zialisten, die den Übergang von der Diskrimini­erung der deutschen Juden zur systematis­chen Verfolgung markierten. 1941 zogen die mordenden Deutschen in Litauens Hauptstadt Vilnius ein.

Jahr für Jahr werden die Zeitzeugen weniger, die als Überlebend­e vom Holocaust berichten können – und von ihrem Leben nach dem Überleben. Angehörige­r einer Zeitzeugin ist der in Jerusalem geborene Pianist, Komponist, Autor und Tenor Yoed Sorek. „Das darf sich nicht wiederhole­n, das dürfen wir nicht vergessen“, lautete sein Appell. Der Tenor las aus einem Buch, in dem die Geschichte seiner Großmutter und die Ereignisse dieser Zeit festgehalt­en werden. „Hoffnung und Trost in finsterer Nacht“heißt die Autobiogra­fie der Holocaust-Überlebend­en Sima Shukovitsh. Und die Texte erinnern an Menschen, die wegen ihrer Abstammung oder Religionsz­ugehörigke­it entrechtet, ausgebeute­t, gedemütigt, ermordet wurden – und sie erinnern daran, wie die Tötungsmas­chinerie funktionie­rte. Sie zeigen auf, wie wir heute dem Vergessen wehren können.

Den Vortrag gestaltete der Sänger mit jiddischen und hebräische­n Liedern mitunter durchaus heiter, die Pianistin Susanne Klovsky unterstric­h musikalisc­h den Gesang. „Der Menschen Kampf gegen die Macht ist der Kampf der Erinnerung gegen das Vergessen“, eröffnete Yoed Sorek.

Musikalisc­h erzählte er vom Leben seiner glückliche­n Großmutter Sima im litauische­n Vilnius und wie es ihr später im Getto von Ponar erging. Über die Not der Verfolgten im Dritten Reich trug Yoed Sorek einige beklemmend­e literarisc­he Texte vor. „Ist das ein Mensch?“, fragte sich die damals junge Sima, als sie in die kalten blauen Augen des Lagerarzte­s schaute. Dort entdeckte sie nur den Wahnsinn, der ein Wesen nicht als menschlich, sondern nur nach seinem Zweck beurteilt.

Todesangst, der Zwang zum Töten und die erzwungene Preisgabe der eigenen Identität lassen sich hinter den Melodien der meisten Lieder kaum erahnen. Es bleibt den Zuhörern vorbehalte­n, die Schönheit dieser Texte und Melodien zu verstehen. In der Erinnerung an Erniedrigu­ng, Folter und Mord im KZ wird die Liebe Anfang und Endpunkt, Voraussetz­ung für Würde, Freiheit und Solidaritä­t, für Hoffnung.

Gerade mal 80 Jahre ist es her, seit in der Reichspogr­omnacht überall in Deutschlan­d Geschäfte und Häuser der Juden verwüstet wurden. Umso erstaunlic­her und erschrecke­nder seien die Ereignisse der Gegenwart, stellte Sorek fest. „Doch mein Shalom soll fröhliche Hoffnung vermitteln“, fügte er hinzu. Zuletzt ermutigte er die Schüler, offen zu sein für andere Kulturen, sich mit ihnen auseinande­rzusetzen, da man nur so Verständni­s füreinande­r gewinnen könne.

 ?? Foto: Manuela Rieger ?? Über eine aufschluss­reiche Veranstalt­ung freuen sich (von rechts) Projektlei­terin Claudia Radics, Yoed Sorek, Susanne Klovsky und Schulleite­r Andras Pimpl.
Foto: Manuela Rieger Über eine aufschluss­reiche Veranstalt­ung freuen sich (von rechts) Projektlei­terin Claudia Radics, Yoed Sorek, Susanne Klovsky und Schulleite­r Andras Pimpl.

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