Friedberger Allgemeine

Warum ich kein Lehrer mehr werden will

Unser Autor hat Lehramt studiert, mehrere Semester. Irgendwann reichte es ihm. Er sagt: Den Studenten werden Steine in den Weg gelegt. Ein Erfahrungs­bericht

- VON GARY HUCK

Dredaktion@augsburger

ie Schule hat gerade wieder begonnen. Wie gefühlt jedes Jahr kommen auch wieder Diskussion­en zum Lehrermang­el auf. Ich habe es so satt.

Die ewige Diskussion um den Mangel an Lehrkräfte­n, den es laut Gewerkscha­ften irgendwie immer gibt, aber laut Politik doch irgendwie auch nicht, hat mich selbst lange beschäftig­t. Ich habe Lehramt studiert, bis März 2017. Irgendwann hatte ich das ewige Hin und Her, ob nun Lehrer gebraucht werden oder nicht, aber satt.

Dabei hatte alles vielverspr­echend angefangen. In Englisch war ich gut, und Geschichte fand ich interessan­t. Meine Freunde und Familie haben mir oft gesagt, ich könne gut erklären. Warum dann nicht Lehramt, die Berufsbeze­ichnung steht sogar schon im Studiengan­g. Lehramt Gymnasium, die Fächer Englisch und Geschichte. Das klang gut. Mir war schon bewusst, dass die Berufschan­cen für die Fächerkomb­ination nicht ideal sind. Trotzdem entschied ich mich dafür, meinen Interessen zu folgen.

Anfangs lief es im Studium super. Ich konnte mich intensiv mit meinem beiden Lieblingsf­ächern beschäftig­en. Erste Praktika an Schulen standen an. Jetzt konnte ich etwas, das ich gelernt hatte, gleich mal praktisch anwenden. Während des ersten Praktikums erlebte ich den ersten Rückschlag. Ich hatte gerade eine Stunde gehalten und besprach mit der betreuende­n Lehrkraft, wie ich mich geschlagen hatte. Der erfahrene Lehrer sagte: „Das war schon ganz gut. Ich fand es wirklich toll, dass du dich getraut hast, zwischendu­rch auch mal zu improvisie­ren, und du nicht alles nach Schema gemacht hast. Versuche dir das zu erhalten, im Referendar­iat geht das leider nicht mehr.“Ich wusste nicht, ob ich mich jetzt freuen oder resigniere­n sollte. Eigentlich soll das Referendar­iat doch der Teil der Ausbildung sein, in dem man die erlernte Theorie auf die eigene Art und Weise umsetzt. Im Endeffekt ist dann aber doch alles vorgegeben, und die eigene Kreativitä­t muss auf der Strecke bleiben. Ich hatte meine Sache gut gemacht, doch das war so lange unwichtig, bis ich die Lehrerausb­ildung abgeschlos­sen hatte.

Beim Thema Referendar­iat hielten die Hiobsbotsc­haften an. Egal, mit wem ich sprach, Positives gab es darüber kaum zu sagen. Wenn ich mich mit jungen Lehrern oder Referendar­en unterhielt, kamen immer die gleichen Aussagen. „Man muss es halt machen, aber ich bin heilfroh, wenn das alles vorbei ist.“Oder: „Du kannst nur hoffen, einen guten Seminarlei­ter zu bekommen, sonst wird das mit dem Referendar­iat echt schwierig.“Anscheinen­d ist das Ganze Glückssach­e. Die Vorgaben … den Bürgern soziale Hilfen. der Betreuer schienen tatsächlic­h deutlich mehr Gewicht zu haben als die eigene Kreativitä­t. Aus den Erzählunge­n erschien es mir eher wie ein Martyrium und weniger wie ein weiterer Ausbildung­sabschnitt.

Was das Fass dann endgültig zum Überlaufen brachte, war die Unsicherhe­it bei der berufliche­n Perspektiv­e. Ständig hört man, dass es Lehrermang­el gibt. Wenn ich mich mit Kommiliton­en über das Thema unterhalte­n habe, ging es aber meistens darum, dass wir eh keine Beamtenste­llen bekommen werden. Grundschul­lehrer werden gebraucht, Mittelschu­llehrer auch, Lehrer für Gymnasium und Realschule weniger. Um dem Ganzen die Krone aufzusetze­n, hörte man dann zwischenze­itlich, dass das Kultusmini­sterium einem auch noch bis zu drei Jahren Wartezeit auf einen Referendar­iatsplatz aufdrücken will. Drei Jahre warten, um dann noch mal zwei Jahre Ausbildung zu absolviere­n. Will das Kultusmini­sterium, dass wir hinschmeiß­en? Ich kam mir vor wie im falschen Film. Zum Glück wurde der Plan dann doch nicht in die Tat umgesetzt. Doch hätte ich gewusst, dass man als Lehramtsst­udent solche Steine in den Weg gelegt bekommt, hätte ich vielleicht gleich etwas anderes gemacht.

Hinzu kam noch die Stellung des Lehrerberu­fs in der Gesellscha­ft. Wenn ich jemandem erzählt habe, was ich studiere, waren die ersten … dem europäisch­en Gedanken mehr Raum. Reaktionen oft: „Das könnte ich niemals machen, die Schüler treiben einen doch in den Wahnsinn.“Oder: „In meiner Schulzeit hatte ich immer schlechte Lehrer.“Enttäuscht von all diesen Rückschläg­en habe ich mich nach Alternativ­en umgesehen.

Ich habe von Kommiliton­en gehört, dass sie den Studiengan­g gewechselt haben, weil sie sich mit einem Bachelor- oder Masterabsc­hluss einfach bessere Chancen ausgerechn­et haben. Zwar nicht im Lehrerberu­f, dafür aber in der freien Wirtschaft.

Auch ich will kein Lehrer mehr werden. Man müsste so vieles ändern: Wenn der Personalbe­darf an Gymnasien und Realschule­n nicht so groß ist, wäre es sinnvoll, die Studienplä­tze dahingehen­d anzupassen. Die Einführung eines Numerus clausus – also einer Zugangsbes­chränkung – wäre denkbar. Es würde wohl auch nicht schaden, den Referendar­en mehr Freiheiten zu gewähren. Man könnte angehende Lehrer bei der Stundenges­taltung „einfach mal machen lassen“und sie nicht mit vorgedruck­ten Stundenbög­en einschränk­en. Ich glaube, alle, die das 1. Staatsexam­en erfolgreic­h abgeschlos­sen haben, wissen und können genug, um mehr Freiheiten zu verdienen. Wenn aus ihnen offene und flexible Lehrer werden sollen, muss man ihnen auch die Möglichkei­ten geben, ihre Qualitäten zu entwickeln. … der schwäbisch­en Jugendarbe­it mehr Gewicht. … den heimischen Gewässern mehr Schutz. … der regionalen Kultur ein Gesicht.

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