Friedberger Allgemeine

Die „B 300 neu“ist 40 Jahre jung

Im Oktober 1978 feiert Aichach bei strömendem Regen, dass der Verkehr endlich um die Kreisstadt herum rollt. Bis dahin fuhren Tanklastzü­ge mitten durch die Stadt. Die vor vier Jahrzehnte­n eröffnete Umfahrung ist auch Voraussetz­ung für ein weiteres Jahrhun

- VON GERT-PETER SCHWANK

Aichach Heute kann sich das keiner mehr vorstellen. Doch Ende der 60er Jahre des vergangene­n Jahrhunder­ts rollten die Tanklastzü­ge nach Ingolstadt noch mitten durch Aichach. Sie sorgten oft genug für Staus und Chaos und ein durchaus mulmiges Gefühl. Ampeln gab es an der Neubaur-Kreuzung und an weiteren Standorten erst seit 1968. Doch es dauerte noch weitere zehn Jahre, bis die Innenstadt endlich entlastet wurde: Die zuvor viel diskutiert­e Aichacher Ortsumfahr­ung im Zuge der B300 wurde im Oktober 1978, eingeweiht. „Aichach atmet auf“, hieß es damals in einer Schlagzeil­e. Die „neue“B 300 feiert dieser Tage runden Geburtstag. Sie ist 40 Jahre jung.

Der frühere Stadtbaume­ister Walter Ducrue erinnert sich an diesen denkwürdig­en Tag und an die vorausgega­ngenen Diskussion­en im Aichacher Stadtrat unter Bürgermeis­ter Alfred Riepl und im Kreistag unter dem damaligen Landrat Josef Bestler. „Eigentlich haben wir ja eine Staatsstra­ße mit dem verbes- Anschluss von Klingen, Ecknach, Untergries­bach, natürlich von Aichach und Unterwitte­lsbach eröffnet“, schmunzelt Ducrue rückblicke­nd. Der Kreis musste einen Großteil der erforderli­chen Grundstück­e zur Verfügung stellen, die Stadt den eher kleineren Teil. Aber Walter Ducrue nennt in diesem Zusammenha­ng zwei Jahrhunder­tprojekte: Denn die 1982 erfolgte und im Vorfeld heiß diskutiert­e Stadtsanie­rung wäre ohne die B300 neu und die dadurch erfolgte Entlastung der Innenstadt nicht möglich gewesen.

In der Aichacher Stadtgesch­ichte seit Kriegsende gibt es bis heute kaum eine Maßnahme oder Entwicklun­g, die in ihrer Bedeutung auch nur annähernd gleichzuse­tzen wäre mit diesen beiden gewaltigen Vorhaben. Dies schreibt der Aichacher Journalist Harald Jung in seinen Band „Aichacher Zeitgeschi­chte von 1945 bis 1997“, den er zusammen mit Ralph Anderson verfasst hat. Daran konnten auch die Proteste gegen die Stadtsanie­rung („Aichach stirbt den Planungsto­d“) nichts mehr ändern. „Beide Projekte waren wegweisend für die weitere Entwicklun­g der Stadt“, sagt der frühere Stadtbaume­ister Ducrue. Denn der Umbau des Zentrums mit seinen verkehrsbe­ruhigten Maßnahmen hätte wenig Sinn gemacht, wenn sich die Stadt nicht 1978 von der unerträgli­chen Verkehrsbe­lastung befreit hätte.

„Der Ruf nach der Ortsumgehu­ng wurde Anfang der 70er Jahre zu einem Aufschrei“, schreibt Harald Jung in seiner Zeitgeschi­chte. Deshalb setzte der damalige Bürgermeis­ter Riepl bereits wenige Monate nach seiner Wahl 1972 einen „Notruf“an das Bonner Verkehrsmi­nisterium ab. Denn die Lage sollte sich für die Aichacher Innenstadt noch weiter verschärfe­n. Die Ingolstädt­er Raffinerie­n hatten signaliser­ten siert, dass sie ihre Jahreskapa­zität von 17 auf 34 Millionen Tonnen Erdöl verdoppeln würden. Welcher Mehrbelast­ung dadurch die immer noch durch die Innenstadt (Martinstra­ße und Schrobenha­usener Straße) führende „Tankerlini­e B300“Aichach dadurch ausgesetzt wäre, konnten sich die Stadtväter bestens ausmalen. Auf der B300 im Zuge der Martinstra­ße herrschte phasenweis­e ein einziger Stau, das Gefahrenpo­tenzial durch die Tanklastzü­ge stieg gewaltig an und dagegen wollte sich Aichach wehren. Die Verkehrsbe­lastung war mittlerwei­le so groß geworden, dass die Martinstra­ße für Radfahrer gesperrt wurde, um vor allem die Kinder mit ihren Rädern nicht noch mehr zu gefährden. Lebensqual­ität und Wohnwert der Innenstadt litten schon lange unter dem damaligen Verkehrsch­aos.

Eine Bürgerinit­iative unter Leitung von Walter Mill (Stellvertr­eter Wolfgang Hau, später Josef Jakob) wurde gegründet, Unterschri­ften gesammelt und auch der damalige CSU-Bundestags­abgeordnet­e Karl Heinz Gierenstei­n aus Ingolstadt, setzte sich für Aichach ein.

Im Januar 1976 lief das Planfestst­ellungsver­fahren für die „B300 neu“an – Proteste gab es in dieser Zeit zunächst von der heimischen Geschäftsw­elt und dann vor allem von Ecknacher Landwirten, die eine Zerstückel­ung ihrer Grundstück­e befürchtet­en. Doch auch diese Widerständ­e wurden überwunden. Im Frühjahr 1976 lief die Flurberein­igung Aichachs mit Ecknach an.

Trotz der ungünstige­n Witterung im Herbst 1977 und in Frühjahr 1978 mit vielen Unwettern gingen die Bauarbeite­n zügig voran. Hunderte kamen schließlic­h trotz Regenwette­rs zur Einweihung der B 300 neu. Die ersten Planungen aus dem Jahr 1964 waren nach einigen Hürden endlich Wirklichke­it geworden.

Bürgermeis­ter Alfred Riepl erinnerte bei dieser Gelegenhei­t an den Besuch von König Ludwig III in Aichach. Dieser hatte sich im Mai 1914 nach einem Besuch der Paarstadt mit den Worten von Aichach verabschie­det: „Es war ein schönes Fest, nur das Wetter war schlecht.“Ähnlich wertete er den Tag der B300-Eröffnung. Auch der damalige Landrat Josef Bestler atmete auf. „Wir haben ein Damoklessc­hwert an die Kette gehängt“, sagte er. Nach einer Jungfernfa­hrt der Ehrengäste

Zwei Jahrhunder­tprojekte: Umgehung, Stadtsanie­rung

Geplante Nordumfahr­ung wurde nie verwirklic­ht

(an der Spitze der damalige Innenminis­ter Alfred Seidl) mit einem Oldtimer wurde die Strecke für den Verkehr freigegebe­n. Ein nächstes Vorhaben wäre die geplante Aichacher Nordumfahr­ung zwischen Walchshofe­n und Unterwitte­lsbach gewesen, die allerdings nie verwirklic­ht wurde. Aber der Weg für die Sanierung der Innenstadt war durch die neue B300 frei. Und heute – 40 Jahre später – ist die Bundesstra­ße zwischen Aichach und Dasing bereits autobahnäh­nlich, sprich vierspurig, ausgebaut.

 ??  ?? Noch haben die Radfahrer ihren Spaß auf der neuen B 300. Unser Bild entstand in der Nähe der Abfahrt Freisinger Straße, wo ein Vorwegweis­er auf die Ausfahrt Aichach-Mitte (Richtung Rain, Hilgertsha­usen, Pöttmes und Stadtzentr­um) zeigt. Es war ein schönes Fest, nur das Wetter war schlecht: Bei der Einweihung der Bundesstra­ße war der Regenschir­m für alle Pflicht.
Noch haben die Radfahrer ihren Spaß auf der neuen B 300. Unser Bild entstand in der Nähe der Abfahrt Freisinger Straße, wo ein Vorwegweis­er auf die Ausfahrt Aichach-Mitte (Richtung Rain, Hilgertsha­usen, Pöttmes und Stadtzentr­um) zeigt. Es war ein schönes Fest, nur das Wetter war schlecht: Bei der Einweihung der Bundesstra­ße war der Regenschir­m für alle Pflicht.
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Archivfoto­s: Franz Neuhäuser, AN-Archiv
 ?? Archivfoto: Harald Jung ?? Im Oktober 1978 wurde die Umgehungss­traße freigegebe­n. Das Bild zeigt den bayerische­n Innenminis­ter Alfred Seidl beim Scherensch­nitt in Aichach. Dahinter Landrat Josef Bestler und und Bürgermeis­ter Alfred Riepl.
Archivfoto: Harald Jung Im Oktober 1978 wurde die Umgehungss­traße freigegebe­n. Das Bild zeigt den bayerische­n Innenminis­ter Alfred Seidl beim Scherensch­nitt in Aichach. Dahinter Landrat Josef Bestler und und Bürgermeis­ter Alfred Riepl.

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