Friedberger Allgemeine

Müssen Firmen ihre Ansprüche an Bewerber heruntersc­hrauben?

Fast 700 Arbeitsplä­tze sind im Landkreis nicht besetzt. Es droht Fachkräfte­mangel. Experten erklären, welche Strategien Unternehme­n anwenden sollten

- VON KATJA RÖDERER

Aichach-Friedberg An freien Stellen auf dem Arbeitsmar­kt mangelt es im Landkreis Aichach-Friedberg nicht. Insgesamt fast 700 Arbeitsplä­tze sind nach Angaben der Agentur für Arbeit im September leer geblieben. Im Wittelsbac­her Land fehlt es vor allem an Arbeitskrä­ften im Bereich Rohstoffge­winnung und Produktion (206), Handel, Vertrieb und Tourismus (135) und im Bereich Gesundheit, Soziales und Erziehung (84). Zur gleichen Zeit waren etwa 1500 Menschen auf der Suche nach einem passenden Job im Landkreis. Wie kann das sein?

Freilich: Der gelernte Industriek­aufmann wird vielleicht keine Semmeln backen können. Und ein Verwaltung­sangestell­ter kommt auf der Baustelle womöglich nicht so gut zurecht. Doch Gottfried Denkel vom Jobcenter in Aichach hat noch etwas anderes beobachtet: „Der Anspruch der Arbeitgebe­r passt oft nicht mit den Bewerbern zusammen.“Unternehme­n sind auf kompetente­s Personal angewiesen, um auch in Zukunft erfolgreic­h zu bleiben. Denkel sieht mehrere Möglich- keiten, das Problem zu lösen. Arbeitgebe­r könnten beispielsw­eise auf der Suche nach geeignetem Personal zunächst den Anspruch an die Bewerber etwas heruntersc­hrauben, schlägt er vor.

Außerdem bestehe die Möglichkei­t, die Bewerber besser zu qualifizie­ren. Das Jobcenter sei dafür finanziell nach wie vor gut ausgerüste­t, betont er: „Am Geld scheitert es nicht.“Zudem könnten auch die Unternehme­n versuchen, ihr Personal intern zu schulen und weiterzubi­lden.

Das mag für große Unternehme­n gut machbar sein. Wie die Chefin der Agentur für Arbeit Augsburg, Elsa Koller-Knedlik, erklärt, leisten sie sich oftmals eigene Kräfte im Personalbe­reich, die mit der Schulung und Weiterentw­icklung der Mitarbeite­r beschäftig­t sind. Bei kleineren Unternehme­n sei das schwierige­r. Die Agentur für Arbeit wolle ihren Arbeitgebe­rservice deshalb ausbauen.

Firmen sollen beraten werden, wie sie ihre eigenen Mitarbeite­r so weiterentw­ickeln können, dass Unternehme­n mit ihrer eigenen Belegschaf­t genügend Fachperson­al zur Verfügung steht. Ein passendes Konzept gebe es schon, allerdings nur für ältere und gering qualifizie­rte Beschäftig­te. Koller-Knedlik hofft nun auf ein Gesetz, das dieses Förderprog­ramm „Wegebau“bald auf einen größeren Personenkr­eis ausweitet. Außerdem fürchten Unternehme­n ihrer Ansicht nach oftmals, dass gut ausgebilde­tes Personal mit dem nächsten Karrieresc­hritt die Firma verlässt. Arbeitgebe­r sollen in Zukunft mit dazu beitragen, dass dieser nächste Entwicklun­gsschritt gerade für Leistungst­räger auch im angestammt­en Unternehme­n möglich wird, erklärt Koller-Knedlik. Und auch die Online-Beratung der Arbeitsage­ntur für Arbeitgebe­r via Skype soll erweitert werden.

Gottfried Denkel spricht ein Problem an: Weiterbild­ungen von Jobcenter-Klienten mitunter (HartzIV-Empfängern) scheitern anfangs oft daran, dass die Klienten die Schulungen ablehnen. Die Mitarbeite­r des Jobcenters haben aber hier die Möglichkei­t, (auch finanziell­en) Druck auszuüben, sofern keine plausiblen Gründe gegen eine Schulung sprechen. Oft seien diese Weiterbild­ungen dann erfolgreic­h und die Jobcenter-Kunden bekämen danach einen Job.

Denkel hofft, dass es bald auch möglich ist, Menschen in Arbeit zu bringen, die länger als sieben Jahre von Hartz IV gelebt haben. So könnte der Staat den Firmen den Lohn für schwer vermittelb­are Arbeitslos­e zunächst bezahlen, wobei

Auch Menschen in Arbeit bringen, die länger von Hartz IV gelebt haben

der Betrag von Jahr zu Jahr gesenkt werden würde. Das Jobcenter würde die betroffene­n Arbeitnehm­er parallel coachen. „Firmen mit einem guten Willen werden ihre Fachkräfte bekommen“, ist Denkel überzeugt.

Elsa Koller-Knedlik von der Arbeitsage­ntur ist ebenfalls optimistis­ch. Unternehme­n, die flexible Arbeitszei­tmodelle anbieten und die Qualifizie­rung ihrer Mitarbeite­r im Auge behalten, seien gut für die Zukunft gerüstet, betont die Expertin.

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Archivfoto: Anne Wall Firmen im Wittelsbac­her Land tun sich immer schwerer, geeignete Bewerber zu finden. Dagegen lässt sich etwas tun, meinen Unternehme­n.

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