Tiere misshandelt: Tierheim-Leiterin verurteilt
Zwei kranke Hunde wurden nicht ausreichend medizinisch versorgt. In dem Prozess kamen noch andere Missstände in der Derchinger Einrichtung zur Sprache. Muss Gerlinde Bitzl nun ihren Posten räumen?
Aichach-Friedberg Wegen Tiermisshandlung in zwei Fällen hat das Amtsgericht Aichach die Leiterin des Tierheims Lechleite, Gerlinde Bitzl, zu einer Geldstrafe von 4500 Euro verurteilt. Richter Walter Hell hielt es nach fast fünfstündiger Verhandlung für erwiesen, dass Bitzl zwei Hunde in ihrer Obhut, Bruno und Cäsar, nicht ausreichend medizinisch behandeln ließ. Zentral war die Frage, ob die Tiere unnötige Schmerzen erleiden mussten.
Der rumänische Straßenhund Bruno kam im Mai 2016 in die Einrichtung. Er habe von Anfang an unter Problemen an den Ohren gelitten. Im Dezember habe die Veterinärin, die im Tierheim angestellt ist, den Hund operieren lassen. Danach seien die Probleme besser geworden, berichteten Veterinärin und Bitzl übereinstimmend. Wie die Ärztin sagte, verschlimmerte sich im Sommer 2017 Brunos Zustand wieder. Deshalb wollte sie eine Gewebeprobe nehmen, um eine Krebserkrankung auszuschließen. Bitzl habe warten wollen, bis die Veterinärin zwei Wochen später aus dem Urlaub zurückkommt. Dem habe sie zugestimmt. Als sie zurückkam, habe eine Tierschutzorganisation den Hund jedoch bereits abgeholt. Eine Tierärztin aus Hessen, die den Hund für die Organisation behandelte, berichtete, die Ohren von Bruno seien voller Beläge gewesen. So etwas habe sie noch nie gesehen.
Zwei ehemalige Helferinnen des Tierheims sagten aus, die Zustände dort seien katastrophal gewesen. Sie berichteten von verdorbenem Futter, toten Ratten und Hunden, die zwei Tage in Zwingern eingesperrt gewesen seien. Weil vor den Ferien eine Pflegerin gekündigt hatte, arbeiteten neben Bitzl nur Ehrenamtliche sowie zehn Stunden pro Woche die Tierärztin in der Einrichtung. In dieser Zeit kam Hund Cäsar dorthin. Das Tier habe bei seiner Aufnahme ein stark entzündetes Zahnbett und Zahnfleisch gehabt. Sie habe es für medizinisch notwendig gehalten, den Hund zu operieren, sagt die im Tierheim angestellte Tierärztin. Sie habe Bitzl aber auch vor dem Risiko der Narkose gewarnt, weil Cäsar Übergewicht hatte. Die Leiterin habe entschieden, den Eingriff nicht durchführen zu lassen. Der Veterinär, der den Hund fünf Wochen später behandelte, nachdem er adoptiert wurde, sagte aus, er habe Cäsar elf Zähne ziehen müssen. Das Übergewicht sei kein größerer Risikofaktor gewesen. Der Hund habe lange andauernde Schmerzen erlitten. Bitzls Verteidiger Stefan Mittelbach erklärte, seine Mandantin verfüge nicht über die medizinische Expertise zu beurteilen, welche Behandlung richtig gewesen wäre. Sie sei auf den Rat der Tierärztin angewiesen gewesen. Deshalb sei sie freizusprechen. Bitzl lägen Tiere am Herzen. Die Aussagen über weitere Missstände in der Einrichtung seien für den Prozess nicht relevant.
Richter Hell verurteilte Bitzl aber zu einer Geldstrafe von 4500 Euro. Die Fälle Bruno und Cäsar passen seiner Ansicht nach ins Gesamtbild des Betriebs. Die Zustände im Tierheim seien wichtig für das Verfahren gewesen. Fotos und Aussagen der Zeugen zeigen laut Hell klar, dass Bitzls Verhalten nicht von Tierliebe geprägt sei. Dass die beiden Hunde nicht korrekt behandelt wurden, sei nur die Spitze des Eisbergs. „Ich glaube, Sie wären gut beraten, dass Tierheim in jüngere Hände abzugeben“, sagte Hell. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Darauf verwies auch das Landratsamt, das über die Betriebserlaubnis zu entscheiden hat. Diese war Ende 2017 ausgelaufen, seitdem ist der Betrieb geduldet. Inhaber der Erlaubnis ist der Verein gegen Tierversuche und Tierquälerei, dessen Vorsitzende die 83-Jährige ist. In der Verantwortung des Vereins liege es nun, innerhalb weniger Wochen eine sachkundige und zuverlässige Person als neue Leiterin zu benennen. „Sollte er dieser Aufforderung nicht nachkommen, wird der Antrag auf Betriebserlaubnis voraussichtlich abgelehnt“, so Behördensprecher Wolfgang Müller. Bitzls zweiter Verteidiger Bernhard Hannemann erklärte, man werde Rechtsmittel einlegen. Bitzl habe sich lange für Tiere eingesetzt, es gehe darum, ihren Ruf zu verteidigen.
Die Fälle Bruno und Cäsar – nur die Spitze eines Eisbergs?