Ein Jahr für Deutschland
Die CDU überlegt, eine Allgemeine Dienstplicht einzuführen. Die jungen Leute könnten dabei in sozialen Einrichtungen oder Vereinen helfen. Doch werden sie überhaupt gebraucht?
Friedberg Eine allgemeine Dienstpflicht für junge Leute – Thomas Winter winkt ab, wenn die Rede auf diesen Vorschlag der CDU kommt. „Wir haben auch jetzt kein Problem, junge Leute für das Rote Kreuz zu gewinnen“, meint der stellvertretende Geschäftsführer des Roten Kreuzes in Friedberg. Auf zusätzliche Dienstpflichtleistende sei seine Einrichtung nicht angewiesen. An Bewerbungen für den Bundesfreiwilligendienst mangle es nicht, mit „Bufdis“sei sein Standort gut versorgt. Das sei zwar nicht immer so gewesen; als 2011 die Wehrpflicht ausgesetzt wurde und damit gleichzeitig der Zivildienst wegfiel, spürten das auch Winter und seine Kollegen. Doch der damalige Engpass an jungen freiwilligen Helfern ist inzwischen Geschichte.
In der Debatte um die Dienstpflicht, die die CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer ins Rollen brachte, positioniert sich Winter trotzdem eher für den Vorschlag. Dass junge Männer und Frauen sich dabei statt einer Tätigkeit bei der Bundeswehr auch in sozial, ökologisch oder kulturell engagierten Organisationen einsetzen können, sieht er positiv.
Am wenigsten gefällt ihm der Zwang, der im Konzept der Dienstpflicht mitschwingt. Doch dass die jungen Leute nach der Schule oder nach dem Studium ein soziales Jahr einlegen sollen, begrüßt er. „Wir beobachten es selbst und hören es auch von den Eltern der Bufdis, dass sie nach ihrem Dienst beim Roten Kreuz gereift und erwachsener sind“, erklärt er. Sie nähmen viel für das Leben mit. Natürlich sollte die Dienstpflicht aber gerecht sein und für alle Frauen und Männer gleichermaßen gelten, stellt Winter klar.
Dass nicht wenige der jungen Helfer auch später noch ehrenamtlich in den Institutionen mitwirken, denen sie einmal gearbeitet haben, oder dort sogar hauptberuflich einsteigen, überzeugt Winter ebenfalls von der Dienstpflicht. Dieser Türöffner-Effekt sei für viele Einrichtungen ein Segen.
Stellen für Bufdis und FSJ-Leistende gibt es auch beim TSV Friedberg. Doch im Gegensatz zum Roten Kreuz fände der Vorstandsvorsitzende Karsten Weigl die Dienstpflicht nicht nur eine lehrreiche Erfahrung für die jungen Leute. „Auch finanziell wäre das für unseren Verein günstig.“Zwei Stellen hat der TSV bisher für interessierte Freiwillige, die dort zum Beispiel für die Kooperation mit den Schulen zuständig sind. Gerade vormittags, während der Schulzeit, hätten die meisten Ehrenamtlichen eben keine Zeit, erklärt Weigl, deshalb seien die jungen Helfer sehr wichtig für den Verein.
Die mögliche Einführung der Dienstpflicht sieht Weigl zwiegespalten: „Ich bin skeptisch wegen des Pflichtaspekts und sähe es lieber, wenn die Leute durch Förderung motiviert würden.“Finanzielle Unterstützung wünscht er sich auch für die Institutionen, in denen die jungen Leute arbeiten. Zum Beispiel sei das freiwillige soziale Jahr in seiner aktuellen Form ein kostspielige Angelegenheit für den Sportverein.
Davon, dass möglicherweise auch Flüchtlinge den neuen Dienst leisten sollen, hätte der TSV Friedberg wenig, vermutet Weigl. „Für die Arbeit bei uns müssen die Helfer selbstständig handeln können und gut deutsch sprechen. Wir könnten sie nicht die ganze Zeit betreuen, dafür haben wir zu wenig Kapazitäten.“
Gerhard Frick leitet die Offene Behindertenarbeit der CAB in Friedberg und kann sich ebenfalls gut vorstellen, dass seine Einrichtung von einer Dienstpflicht profitieren würde. Doch seit dem Aus für die Zivildienstler hat sich die Strukin tur beim CAB geändert, derzeit gibt es keine Stellen für FSJ-Leistende und Bufdis. „Seit 2017 haben wir allerdings die stationäre Wohngruppe, die böte sich vielleicht für solche Zwecke an.“Definitiv lasse sich das allerdings noch nicht sagen, dafür sei die Einrichtung zu neu.
Auch Frick stört sich am Zwang der Dienstpflicht, doch andererseits findet er es keine schlechte Idee, dass jeder Bürger einmal etwas für die Gesellschaft tut. „Das kann auch der Anstoß für die eigene Karriere sein und den Fachkräftemangel in vielen Branchen beseitigen helfen“, erinnert er. Auch der CAB tue sich seit dem Wegfall des Zivildienstes schwerer, junge Leute zu gewinnen.
Zum Vorschlag, auch Asylbewerber zu verpflichten, gibt Frick zu bedenken: „Ob jemand eine Arbeit erledigen kann, hat natürlich nichts mit der Herkunft zu tun. Die Frage ist vielmehr, ob derjenige es als Zwang empfindet, denn dann hat es keinen Sinn.“