Jetzt müssen endlich Verbesserungen kommen
Die erneute Erhöhung der Nahverkehrs-Tarife zum Jahreswechsel verärgert viele Kunden. Dabei hadern viele noch mit der letzten Reform. Um Fahrgäste zu versöhnen, muss schnell etwas passieren
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ielleicht hatte Augsburg einfach das Pech, zu früh drangewesen zu sein: Als die Tarifreform im Nahverkehr vor eineinhalb Jahren abschließend diskutiert wurde, geisterten Diesel-Fahrverbote als Thema allenfalls am Horizont herum. Inzwischen aber sind sie in einigen Städten Realität. Die Politik ist damit unter Druck geraten: Sie muss das sich seit vielen Jahren abzeichnende Stickoxid-Schlamassel in Ordnung bringen. Und auf einmal sind Dinge im öffentlichen Nahverkehr denkbar, die vor zwei Jahren noch kopfschüttelnd als Fantastereien abgetan worden wären. Nur: Für die Augsburger Tarifreform kommt das zu spät.
Interessant ist der Blick auf München und dessen Tarifreform: Erst zeigten sich Stadt und Landkreise bereit, Millionenbeträge für die dortige Tarifreform zuzuschießen. So sollten gewisse Härten abgemildert werden; in Augsburg wurden solche Überlegungen von Anfang an abgeblockt. Als in der Landeshauptstadt trotzdem das Scheitern drohte, machte der Freistaat (der in München allerdings anders als in Augsburg am Verkehrsverbund beteiligt ist) am Ende 50 Millionen Euro locker.
Die hiesige SPD fordert, dass das zumindest in kleinerem Maßstab auch in Augsburg passiert. Einige Millionen Euro jährlich seien auch hier angemessen, sagen die Fraktionschefs Harald Güller (Landkreis Augsburg) und Margarete Heinrich (Stadt). Doch ist das so einfach? Die Situation in München, wo Millionenbeträge in die Subventionierung der Tarifreform fließen, sei mit der in Augsburg nicht zu vergleichen, hält Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) dagegen. In München gehe es angesichts eines drohenden Fahrverbots darum, viele Menschen schnell in den öffentlichen Nahverkehr zu bringen. Man könne froh sein, dass Augsburg nicht unter derartigem Handlungsdruck steht, sagt Gribl.
Da ist was dran. Dennoch kann man sich fragen, warum in Augsburg über Maßnahmenpakete zur Luftreinhaltung gesprochen wurverschwiegen de, die Tarife beim Nahverkehr in dieser Diskussion aber so gut wie außen vor blieben. Die diese Woche angekündigte erneute Erhöhung der Fahrpreise zum Jahreswechsel ist für sich gesehen nachvollziehbar – die Kosten für Treibstoff gehen durch die Decke. Und wer will den nicht üppig bezahlten Bus- und Tramfahrern die zuletzt erstrittenen Tarifverbesserungen neiden?
Das Problem aber ist die Gesamtgemengelage: Erst gab es Anfang 2018 eine Tarifreform, die für Unmut sorgte. Abos wurden zum Teil nur attraktiver gemacht, indem die Nutzung von Einzelfahrausweisen für manche Fahrten verteuert wurde. Bei Weitem nicht jeder Fahrgast wurde schlechtergestellt – für manche gab es auch Verbesserungen. Aber die Einschnitte für Gelegenheitsfahrer speziell in Augsburg waren teils erheblich. Nicht werden darf allerdings, dass die Stadtwerke aufgrund bisheriger Zählungen und Berechnungen für dieses Jahr von deutlichen Fahrgaststeigerungen ausgehen. Ein Teil dieser Steigerungen ist aber mehr oder weniger auf Zwang zurückzuführen. Auch das muss man deutlich sagen ...
Nach der Reform wurden, auch wegen des Protests, Verbesserungen angekündigt, deren Umsetzung noch immer in den Sternen steht. Dafür wird – auch wenn das niemanden überraschen konnte – zum Jahreswechsel alles noch teurer. So überzeugt man keine Neukunden und verärgert Bestandskunden!
Es wäre wohl besser gewesen, den erneuten Preisanstieg abzudämpfen und die Mindereinnahmen vorübergehend mit Steuergeldern von Stadt und Landkreisen abzufedern, bis die angekündigten Ver- besserungen bei Tarifen für die Fahrgäste greifbar sind. Diese Vorgehensweise hätte die Akzeptanz erhöht. Die Grünen erneuerten gestern vielleicht auch deshalb ihre Forderung, die kommunalen Parkgebühren in Augsburg zu erhöhen und das Geld in die Nahverkehrsfinanzierung zu stecken.
Es ist eine ganze Reihe von Dingen geplant, aber noch nicht in trockenen Tüchern: Das vom Stadtrat angeregte Maßnahmenpaket zur Reform der Tarifreform (Wiedereinführung der Wochenkarte, stadtteilbezogene Kurzstrecken zum Stadtteilzentrum, Änderung der Zustempel-Regelung für Abonnenten in Augsburg), ohnehin eher eine Beruhigungspille, ist nur ein Baustein. Hier muss sich im kommenden Jahr etwas tun. Erst 2020 Dinge zu ändern, ist keine Perspektive. Ein interessanter Ansatz ist auch die Mobilitäts-Flatrate für Bus/Tram, Bike- und Carsharing, die momentan von Testkunden der Stadtwerke ausprobiert wird und vielleicht im Frühjahr kommt.
Zentral für Gelegenheitsfahrer ist aber das Vorhaben, den Nahverkehr in der Kern-Innenstadt kostenlos zu machen. Die Bemühungen laufen weiter, aber ein Einführungstermin wurde von Mitte 2019 auf Ende 2019 gerückt und die jährlichen Kosten von 500 000 auf 900 000 Euro hochgerechnet (wobei es eine Förderung geben soll). Diese Maßnahme wäre eine Entlastung für Gelegenheitsfahrer mit dem Ziel Innenstadt, denen die Kurzstrecke nicht ausreicht. Manko der Tarifreform wäre damit zumindest teilweise behoben.
Und dann ist da noch die Jahreskarte für 365 Euro, die Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor einigen Wochen für mehrere bayerische Städte – darunter Augsburg – aus dem Hut gezaubert hat. Es
Ein
Das 365-Euro-Ticket muss auch nach der Wahl Ziel bleiben
wäre gut, wenn an diesem Vorhaben auch nach der Wahl festgehalten wird und es bald eine Perspektive für Augsburg gäbe. Wäre dieses Angebot schon vor zwei Jahren absehbar gewesen, hätte die Tarifreform wohl anders ausgesehen.
Denn sollte das vom Freistaat bezuschusste 365-Euro-Abo kommen, muss das Gefüge wohl neu gedacht werden. Mit den Fördergeldern von Bund und Land, die durch den Diesel-Skandal und die Stickoxid-Thematik verfügbar wurden, vermischt sich die Finanzierung des Nahverkehrs noch stärker als bisher. Das ist gut, weil so mehr Geld ins System kommt. Es macht aber manches unübersichtlicher. Um die geplante Gratis-Zone in der Innenstadt – formal ein Projekt zur Luftreinhaltung – als Gelegenheitsfahrgast nutzen zu können, muss man sich genau mit dem Tarifsystem beschäftigen. Das ist eine Hürde. Für Fahrgäste ist es uninteressant, welcher Zuschussgeber welches Projekt gefördert hat. Wichtig ist, dass der Nahverkehr einfach zu nutzen ist. Auch das war ein Ziel der Tarifreform.