Friedberger Allgemeine

Alles nur ein großes Theater

Satire geht im Ausweichqu­artier in Königsbrun­n über die Bühne – ein Stück für Kenner Friedberge­r Verhältnis­se

- VON PETER STÖBICH

Friedberg/Königsbrun­n Kabarettis­ten und Satiriker haben es heutzutage nicht leicht, denn allzu schnell werden ihre humorvolle­n Beiträge für die Bühne von der Realität weit überholt. Beispiele dafür gibt es von der Bundespoli­tik in Berlin bis zur Kommunalpo­litik in Friedberg, wo die junge Theatertru­ppe um Tobias Hilgers für ihren Dreiakter „Die Qual der Wahl“keinen Spielort fand. Wie berichtet, hatten Bürgermeis­ter und Volkshochs­chule die Mensa nicht zur Verfügung gestellt, was ihnen den Vorwurf der Zensur einbrachte und ein Medienecho weit über den Landkreis hinaus fand.

So mussten die Friedberge­r am Wochenende über den Lech nach Königsbrun­n fahren, um sich das Stück dort im Jugendzent­rum anzuschaue­n. Hilgers hatte es nach den Querelen aktualisie­rt und die Suche nach einem Spielort zum Thema gemacht. Schauspiel­er, die in einem Schauspiel ein Schauspiel proben, das kennt man bereits von Shakespear­es „Sommernach­tstraum“; die verschiede­nen Ebenen funktionie­rten auch in „Die Qual der Wahl“recht gut.

Sehr überzeugen­d wirkten der Regisseur in seiner Rolle als Stadtoberh­aupt Robert Reichmann und Peter Hohner als Pressespre­cher Eddie. Der smarte Bürgermeis­ter ist zwar der beliebtest­e Junggesell­e im Ort, hat mit Frauen aber nur Probleme. Die feministis­che Stadträtin Erika Eser-Huberth setzt ihm wegen seines Feng-Shui-Gutachtens fürs Schloss zu. Die vorlaute Vertreteri­n der Theatertru­ppe (Sabrina Schwarz) nervt ihn wegen eines Saals für ihre Satire über ihn. Und seine Sekretärin (Isabella Spengler), mit der er sich gern mal im Kopierraum vergnügt, gibt ihm den Laufpass.

Im Rathaus beziehungs­weise auf der Bühne wurden für einen Lacher sämtliche Klischees bedient, nicht schlechter und nicht besser als in jedem Bauernthea­ter. So ist der Reporter der örtlichen Zeitung ein Dorfdepp, Reichmanns Hundesitte­r ist schwul und tänzelt in engen Goldglanzs­trumpfhose­n durch die Dekoration.

Nur schwer verständli­ch war die Aufführung für Zuschauer, die nicht mit Friedberge­r Verhältnis­sen vertraut sind. Echte Satire blitzte nur hin und wieder auf, wenn es politisch unkorrekt wurde und der Bürgermeis­ter für ein Pressefoto „ein nettes Negerkind, möglichst etwas behindert, aber keinen Terroriste­n“suchte.

Ein netter Überraschu­ngsgag: In einer Video-Zuspielung machte die echte Claudia Eser-Schuberth Wahlwerbun­g. Im Stück unterlag sie ihrem männlichen Mitbewerbe­r, der die gewonnene Wahl im Kreis von Mitarbeite­rn und Bürgern mit Sekt feiert. Doch in Wahrheit ist der Sekt nur Apfelsaft, und Reichmann muss am Ende erkennen, dass er nur Teil eines Theaters ist, ein Mitspieler auf einer großen Bühne.

Dieser philosophi­sche Schluss war einer der stärksten Momente des Abends, den man am besten mit Shakespear­e beschreibe­n kann: viel Lärm um nichts. Denn nach den öffentlich geführten Auseinande­rsetzungen in Friedberg waren die Erwartunge­n des Publikums in eine Politsatir­e sehr hoch gesteckt. Dass der Bürgermeis­ter aber gern Porsche fährt, seinen Hund liebt und um die Gunst der Wähler ringt, das hätte der echte Roland Eichmann gut aushalten und über sich selbst schmunzeln können. Denn derbleckt werden ist keine Schande, sondern wie auf dem Münchner Nockherber­g eine der höchsten Ehren, die einem Politiker in Bayern zuteil werden kann.

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Foto: Peter Stöbich Wie Hund und Katz kommen Robert Reichmann (Tobias Hilgers) und Erika EserHubert­h (Inga Heggelmann) miteinande­r aus.

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