Wiener Lehren
Im Tabakladen lernt der Bub aus der Provinz eine ganze Menge fürs Leben
Im Jahr 1937 wird des siebzehnjährige Franz Huchel (Simon Morzé) aus dem Salzkammergut nach Wien geschickt, wo er bei einem Freund der Mutter zum Trafikanten ausgebildet werden soll. Trafik – so nennt man in Österreich ein kleines Geschäft für Zeitungen, Tabak- und Schreibwaren. Vom kriegsversehrten Otto Trsnjek (Johannes Krisch) lernt Franz, was einen guten Trafikanten ausmacht: ein verlässliches Gedächtnis, Diskretion, regelmäßige Zeitungslektüre und der fachgerechte Umgang mit den Zigarren.
Die Havannas müssen regelmäßig gedreht werden, damit sie nicht austrocknen, und sind für ganz besondere Kunden, wie den Dr. Sigmund Freud (Bruno Ganz), der die Köpfe der Menschen „von innen heraus“repariert. Der „Deppendoktor“wird zum wichtigsten Gesprächspartner für den jungen Franz, der mit ersten, unglücklichen Liebesund Libido-Erfahrungen zu kämpfen hat. Aber die Zeiten fordern von Franz schneller erwachsen zu werden, als ihm lieb ist. Die heimischen Nazis stehen in den Startlöchern und jubeln dem Anschluss an das Deutsche Reich zu.
Mit seinem Roman „Der Trafikant“(2012) verband Robert Seethaler eine klassische Coming-ofAge-Geschichte mit den Härten der österreichischen Nazi-Geschichte. Seethaler verlässt nie die Warte der Naivität und gerade diese Unschuld bewahrt den jungen Helden vor faschistischem Opportunismus. Diesem Geist bleibt Nikolaus Leytners Kinoverfilmung treu, konsequent nimmt sie die subjektive Perspektive des heranreifenden Jugendlichen ein, der zunächst von der Vielfalt der städtischen Welt und den ersten Liebeserfahrungen ins Staunen versetzt und dann mit den sich verdüsternden politischen Verhältnissen konfrontiert wird. Leytner weiß die eigene, spröde Poesie des Romans visuell leider nicht zu vermitteln.
» Der Trafikant (1 Std. 54 Min.), Drama, Deutschland/Österreich 2018 Wertung ★★✩✩✩