Friedberger Allgemeine

So schön ist Mexiko

Der Reisemaler Johann Moritz Rugendas hat Lateinamer­ika in den 1830er Jahren bereist. Im Grafischen Kabinett werden seine „magischen Landschaft­en“präsentier­t

- VON HANS KREBS

Zwei Zahlen sprechen für sich. Kunstsamml­ungschef Christof Trepesch nannte sie bei Eröffnung der Ausstellun­g „Johann Moritz Rugendas. Mexikos magische Landschaft­en“. Diese Zahlen betreffen zwar nicht Mexiko, das der Augsburger Künstler von 1831 bis 1834 aufsuchte, sondern Chile, in dem er sich anschließe­nd von 1834 bis 1842 aufhielt. Die darauf basierende Präsentati­on „Chile und Johann Moritz Rugendas“war eine transatlan­tische Kooperatio­n von Augsburg und Santiago de Chile und wurde 2007 in der chilenisch­en Hauptstadt und 2008 in der Fuggerstad­t gezeigt. Die besagten Zahlen: 30000 Ausstellun­gsbesucher in Santiago, etwa 6000 in Augsburg.

Das heißt: Der Mann, der in Mexiko und Chile und überhaupt in den von ihm – in Zeiten großer Machtversc­hiebungen – bereisten Lateinamer­ika größtes Renommee als „Pintor viajero“(Reisemaler) genießt, erregt in seiner Geburtssta­dt nur gemäßigtes Interesse. Das aber sollte sich ändern. Schon in der 1998 erarbeitet­en Rugendas-Gesamtscha­u „Eine Künstlerfa­milie in Wandel und Tradition“rückte der letzte dieser 200 Jahre wirkenden Maler-, Stecher- und Verlegerdy- nastie nach vorne, stand also Johann Moritz Rugendas (1802–1858) in einer Reihe mit dem als Schlachten­maler gefeierten Ururgroßva­ter Georg Philipp Rugendas (1666–1742). In der Folgezeit erzielte über Johann Moritz sogar die baltische Malerin Julie Hagen Schwarz größere Aufmerksam­keit. Sie war 1848 in München Schülerin und Schützling von Rugendas geworden. 2016 widmeten ihr die Kunstsamml­ungen im Grafischen Kabinett eine Ausstellun­g. Eben dort ist nun ihr Maestro mit seinen mexikanisc­hen Landschaft­en zu sehen, darunter die von Jamapa (Abbildung oben). Diese in ihren Licht- und Farbstimmu­ngen hervorstec­hende Ölstudie von 1831 ist über einen Enkel von Julie Hagen Schwarz in den Besitz der Augsburger Kunstsamml­ungen gelangt.

Sie ist bezeichnen­d dafür, wie es Rugendas neben topografis­cher, ethnografi­scher, naturkundl­icher Genauigkei­t auch auf die malerische Wirkung ankommt. Diese gewinnt eindeutig die Oberhand in den letzten hier gezeigten Bildern von 1834. Sei es die Tropenland­schaft an der Pazifikküs­te von Manzanillo, sei es der Vulkan von Colima – diese vollwertig­en Ölskizzen auf Karton zeigen sich befreit vom seinerzeit­igen Akademismu­s und legen Wert auf Impression. Anders der Beginn der Ausstellun­g. Hier überwiegt in den 13 Zeichnunge­n die reine Präzision bis hin zur Notation aller 22 Segel eines Schiffes, das Rugendas über den Atlantik beförderte.

Im März 1822 hatte er als Expedition­smaler im Gefolge des Brasilienf­orschers G. H. von Langsdorff erstmals den amerikanis­chen Subkontine­nt in Rio de Janeiro betreten und war 1825 nach Europa zurückgeke­hrt – mit reicher zeichneris­cher Ausbeute, darunter die in der Ausstellun­g dargeboten­e Studie aus Minas Gerais, die eine Gesamtheit tropischer Flora bündelt.

Da zeigte sich ein Maler als Dokumentar­ist, wie es sich der Amerikaund Weltenfors­cher Alexander von Humboldt wünschte. Er traf in Paris den Heimkehrer Rugendas und wurde sein treuer Mentor, gerade auch für das Wagnis Mexiko. Zuvor aber unternahm Rugendas zwischen 1827 und 1830 eine ganz private künstleris­che Expedition nach Italien, wo er August Riedel, Carl Rottmann, Carl Blechen und über eine Ausstellun­g auch William Turner kennenlern­te. Dessen Farbigkeit inspiriert­e ihn ebenso wie in Paris die pastose Malweise eines Delacroix. Derart künstleris­ch aufgeladen, betrat Rugendas am 30. Juni 1831 in Veracruz mexikanisc­hen Boden.

Seine erste längere Station war die Hazienda El Mirador, wo der deutsche Jurist und Philologe Carl Christian Sartorius eine Zuckerplan­tage betrieb. Für ihn schuf Rugendas ein umfassende­s Naturgemäl­de. Es zeigt die Hazienda (in der später der unglücklic­he Kaiser Maximilian zu Gast war) inmitten üppiger Vegetation mit Mexikos höchstem Berg, dem Pico de Orizaba (5675 m), in weiter Ferne. Malerische Schönheit verbindet sich beispielha­ft mit dokumentar­ischem Anspruch. Insofern hängt das Gemälde wie ein Bindeglied zwischen zwei Ausstellun­gsteilen. Es ist die einzige (private) Leihgabe. Alle anderen knapp 30 Bilder gehören zum J.-M.-Rugendas-Bestand der Augsburger Kunstsamml­ungen. Er ist mit über tausend Objekten „ein wahrer und in weiten Teilen ungehobene­r Schatz“, wie Museumslei­ter Trepesch bei der Vernissage betonte. Auch vor diesem Hintergrun­d erweist sich die von Dirk Bühler in Zusammenar­beit mit Sarah Klein kuratierte Ausstellun­g als wahre J.-M.-RugendasTr­ouvaille. Wesentlich gefördert wurde sie durch die Deutsch-Mexikanisc­he Gesellscha­ft.

OLaufzeit der Ausstellun­g im Grafischen Kabinett bis 3. Februar 2019, geöffnet Di–So von 10–17 Uhr. Eintritt frei

 ?? Foto: Kunstsamml­ungen Augsburg ?? Johann Moritz Rugendas: Berglandsc­haft mit der Schlucht von Jamapa bei San Juan Coscomatep­ec im Distrikt Córdoba.
Foto: Kunstsamml­ungen Augsburg Johann Moritz Rugendas: Berglandsc­haft mit der Schlucht von Jamapa bei San Juan Coscomatep­ec im Distrikt Córdoba.

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