Verkehrsminister bremst Tempolimit aus
Viele Leser wünschen sich eine Geschwindigkeitsbegrenzung, die mehr Verkehrssicherheit bringen könnte. Die Regierung bevorzugt die sogenannte Telematik – was sie kann und was Rettungskräfte von ihr halten
Landkreis Augsburg Diese Entwicklung verfolgt die Polizei mit großer Sorge: Seit auf der ausgebauten A8 zwischen Ulm und München schneller gefahren werden kann, hat sich das Unfallrisiko erhöht. Die Folgen sind in der Regel dramatischer – es gibt mehr Verletzte als früher. Darüber ist eine hitzige Diskussion entbrannt: In sozialen Medien ist von „Elefantenrennen“genauso wie von „hirnlosen Rasern“und von „Mittelspurschleichern“die Rede. Mehr Verkehrssicherheit bringen könnte ein Tempolimit. Das befürwortet die Hälfte der über 1600 Leser, die sich an einer Umfrage beteiligt hatten. Eine Woche lang konnten sie online und telefonisch abstimmen. Auch wenn die Umfrage keinen repräsentativen Charakter hatte: Die hohe Beteiligung zeigt, dass das Thema viele Menschen beschäftigt.
Einer von ihnen ist Stefan Vogg aus dem Zusmarshauser Ortsteil Streitheim. Er fordert schon lange eine Geschwindigkeitsbegrenzung, neben mehr Verkehrsicherheit auch mehr Ruhe für seine Gemeinde bringen könnte.
Vogg hat mittlerweile unzählige Briefe an Politiker und Verantwortliche geschrieben, um auf den Missstand aufmerksam zu machen. Verkehrsminister Andreas Scheuer gab im Antwortschreiben an Vogg zu verstehen, dass die Bundesregierung von einem generellen Tempolimit auf deutschen Autobahnen absieht. Der CSU-Politiker teilte Vogg, der Dritter Bürgermeister von Zusmarshausen ist, mit: „Obwohl auf Autobahnen rund 31,4 Prozent der Gesamtfahrleistungen erbracht werden, ereignen sich hier weniger als 6,0 Prozent der Unfälle mit Personenschaden.“Die Bun- desregierung hält ein Tempolimit für weniger sinnvoll. Stattdessen gibt sie auf Autobahnen einer „situationsangepassten Geschwindigkeitsregelung“, sprich der Telematik, den Vorzug. Mit der Technik kann gezielt der Verkehr gesteuert werden. Deshalb wird sie auch von Rettungskräften befürwortet. Der Kommandant der Gersthofer Feuerwehr, Wolfgang Baumeister, sagt: Mit den dynamischen Verkehrszeichen ließen sich unter anderem Überholverbote anordnen und Fahrstreifen sperren oder freigeben. Der Vorteil: Die Feuerwehr hätte dann freie Fahrt und kommt schneller zum Unfall. Damit würde der Vergangenheit angehören, was den Rettern neuerdings immer wieder Ärger macht.
Lastwagen und Busse wechseln am Stauende zwischen der rechten und der mittleren Spur in der Hoffnung, schneller vorwärts zu kommen. Das Problem dabei: Sobald der Verkehr steht, stehen auch die mehrere Tonnen schweren Gefährte, die dann nicht mehr rangieren können und sich im schlimmsten Fall verdie keilen. Auch der Geschäftsführer des Autobahnbetreibers Pansuevia, Robert Schmidt, hält die Telematik für sinnvoll – nämlich gerade dort, wo es ein erhöhtes Fahrzeugaufkommen gibt.
Angedacht ist die neue Technik derzeit am Verkehrsknoten zwischen den Anschlussstellen Friedberg und Neusäß. Bundestagsabgeordneter Hans-Jörg Durz (CSU) setzte sich jetzt dafür ein, dass die Telematik im gesamten Großraum Augsburg zum Einsatz kommt. Auch der Leiter des BRK-Rettungsdienstes im Landkreis Günzburg, Christian Skibak, hat eine klare Meinung dazu: „Ich verstehe nicht, warum es so etwas bei uns nicht gibt.“Auf baden-württembergischen A-8-Gebiet geht es nach dem Kreuz Elchingen gleich los mit der Verkehrsbeeinflussung. Und in anderen Bundesländern – Skibak nennt Nordrhein-Westfalen und die A 3 als Beispiel – seien diese dynamischen Verkehrsregelungen viel häufiger anzutreffen.
Nötig sei die Anwendung vorhandener Technik in der Region allein schon wegen der „interessanten Wetterlagen“, wie er sagt. „Aquaplaning“sei eine Gefahr, vor der der Autofahrer mit der Hilfe von Telematik rechtzeitig gewarnt werden könnte. „Und das schnelle Hineinfahren in plötzlich auftauchende Nebelbänke“komme hier auch nicht selten vor und könne entsprechend informiert vermieden werden. Die Frage nach den Kosten ist für Skibak nachrangig, „wenn es um die Verbesserung der Sicherheit auf der A 8 geht“. Die Technik hat ihren Preis. Zum Vergleich: Für die Telematik auf zehn Kilometer der B17 im Augsburger Süden wurden zum Beispiel fünf Millionen Euro investiert.
Wesentlich günstiger wäre freilich ein Tempolimit. Stefan Vogg aus Streitheim hat schon einmal beim früheren Verkehrminister Alexander Dobrindt angeregt, es auf einer Teststrecke versuchsweise zu ausprobieren, um dann analysieren zu können. Nach der Absage aus Berlin stellte Vogg fest: „Es geht scheinbar nur dann: wenn ein Wille, dann ein Weg.“