Abzocke beim Schlüsseldienst
Überrumpelte Kunden in Mering und Friedberg zahlen Rechnungen von teils über 1000 Euro. Die Polizei spricht von Wucher. Was der Verbraucherservice empfiehlt
Mering Es ist schnell passiert. Raus zur Tür, nur kurz etwas holen – und der Schlüssel bleibt drinnen liegen. Dann muss der Schlüsseldienst kommen – die Suche im Internet listet viele Anbieter auf. Doch hier ist Vorsicht angebracht, wie die Geschichte einer Familie in Mering zeigt, die sich vor Kurzem ereignete: Nach einer halben Stunde Arbeit verlangte der über Suchmaschine gefundene Handwerker mehr als 900 Euro. Völlig überrumpelt zahlten die Betroffenen – für die Friedberger Polizei ein klarer Fall von Wucher.
„Von Wucher sprechen wir dann, wenn die verlangte Bezahlung in einem deutlichen Missverhältnis zur erbrachten Leistung steht“, erklärt Peter Zimmermann, stellvertretender Leiter der Friedberger PI. Er ermutigt alle Betroffenen, solche Vorfälle auch tatsächlich bei der Polizei anzuzeigen. „Denen muss man das Handwerk legen!“, sagt er.
Denn die aktuelle Geschichte aus Mering ist kein Einzelfall. Ebenfalls in der Marktgemeinde kam einer Familie im März das Öffnen ihrer Türe sogar noch teurer zu stehen. Die Betroffenen hatten sich ausgesperrt und laut Zimmermann über die Internetseite schlüsselexperte.de Hilfe angefordert. Diese kam auch. Der Handwerker bohrte den Schließzylinder auf und ersetzte ihn durch einen neuen. Dafür stellte er 1299 Euro in Rechnung und ließ sich diese per Kartenzahlung auch gleich überweisen.
Im Juni war ein Friedberger Geschäftsmann in der Ludwigstraße das Opfer. Er wollte seinen Laden aufsperren, doch der Schlüssel hatte sich verhakt. Im Internet wurde ihm eine 0800er-Nummer angeboten, über die er den Schlüsseldienst anforderte. Der brauchte 70 Minuten, um zu kommen, bohrte den Zylinder auf und setzte einen neuen ein. Dafür brauchte er gerade einmal 14 Minuten – die Rechnung belief sich laut Polizei auf 956,52 Euro. „Der Mann stand unter Druck, die Kunden haben schon gewartet, also hat er gezahlt, aber danach bei uns Anzeige erstattet“, berichtet Zimmermann.
Auch der Verbraucherservice Bayern wird immer wieder wegen solcher überhöhten Zahlungen um Hilfe gebeten. Gabriele Gers, Leiterin der Augsburger Beratungsstelle, gibt einen Orientierungsrahmen: „Zwischen 100 und 220 Euro für den Schlüsseldienst – das ist real“, sagt die Juristin. Doch ist eine zu hohe Rechnung einmal bezahlt, wird es sehr schwierig, das Geld wieder zurückzubekommen, ist ihre Erfahrung. Deswegen empfehlen Verbraucherservice und Polizei, eine Rechnung, die einem hoch vorkommt, nicht sofort zu bezahlen, auch wenn die Handwerker zum Teil deutlichen Druck ausüben. „Auf keinen Fall sollte man sich zum Geldautomaten fahren lassen, um mehrere Hundert Euro abzuheben“, sagt Gers.
Sie rät auch, zu hinterfragen, was der Handwerker genau tut. „Ist die Tür nur ins Schloss gefallen, muss ich normalerweise nicht gleich den Zylinder austauschen“, sagt sie.
Die Juristin empfiehlt, wenn möglich einen Ersatzschlüssel bei Nachbarn oder Freunden zu deponieren. Außerdem sollte man sich vorab einen vertrauenswürdigen Schlosser vor Ort heraussuchen – beraten kann hier im Zweifelsfall der BVM (Bundesverband Metall) – und im Handy einspeichern sowie die Nummer auf einem Zettel an der Haustür oder in der Garage notieren, damit diese parat ist, wenn man sich wirklich einmal aussperrt. Bei der Suche im Internet rät sie vor allem bei 0800er-Nummern zur Vorsicht. Oft werden dabei von Callcentern Handwerker mit zu weiten Anfahrtswegen geschickt.
Es sei nicht immer einfach, Ruhe zu bewahren, beispielsweise wenn sich Eltern ausgesperrt haben und ein Kind noch in der Wohnung ist, weiß auch Peter Zimmermann. „Da ruft man dann aber besser die Feuerwehr an, die öffnet in einem solchen Notfall auch die Tür“, sagt der stellvertretende PI-Leiter. Weiter empfiehlt er, mit dem Schlüsseldienst am Telefon einen Preis zu vereinbaren und vor allem vor dem Öffnen der Türe keine Blankorechnung ohne genaue Kostensumme zu unterschreiben.