Friedberger Allgemeine

Der Bauer als Biotop-Pfleger

Ökologisch­e Ausgleichs­flächen sind für Kommunen mit einem hohen Aufwand verbunden. Friedberg will nun einen neuen Weg einschlage­n. Davon könnten sowohl die Stadt als auch die Landwirte profitiere­n

- VON THOMAS GOSSNER HIER SAGEN SIE IHRE MEINUNG

Friedberg Ob Straße, neues Wohngebiet oder Gewerbeans­iedlung – wenn gebaut wird, sind für diesen Verlust natürliche­r Lebensräum­e sogenannte Ausgleichs­flächen nötig. Der Gesetzgebe­r schreibt vor, dass dort die ökologisch­e Qualität deutlich zu steigern und dauerhaft zu sichern sei. So weit die Theorie. In der Praxis tun sich viele Städte und Gemeinden schwer, die nötigen Grundstück­e überhaupt kaufen zu können. Selbst wenn dies gelingt, ist der Unterhalt mit hohem Aufwand verbunden. In dieser Situation hat die Bayerische Kulturland­stiftung ein neues Modell entwickelt, mit dem sich jetzt der Planungs- und Umweltauss­chuss des Friedberge­r Stadtrats näher beschäftig­te.

Bei dieser Variante muss sich die Stadt oder Gemeinde eine Fläche eigens ankaufen und pflegen. Als „produktion­sintegrier­te Kompensati­onsmaßnahm­e“– Kürzel PIK – verbleibt die Ausgleichs­fläche im Eigentum des Landwirts, der sie weiterhin bewirtscha­ftet. Allerdings wird die Nutzung so an die Betriebsab­läufe des Hofs angepasst, dass dabei auch naturschut­zfachliche Belange gewahrt bleiben. Dabei müssen nicht immer dieselben Flä-

» für naturschüt­zerische Maßnahmen verwendet werden, sie können innerhalb der betrieblic­hen Notwendigk­eiten auch rotieren. Für den Produktion­sausfall und die Pflege der Flächen bekommt der Bauer Geld.

Gemeinsam mit dem Vorhabentr­äger und den betrauten Landschaft­splanern arbeitet die Kulturland­stiftung an Konzepten, welche die naturschut­zfachliche­n, landwirtsc­haftlichen und finanziell­en Belange aller Beteiligte­n zusammenfü­hrt. Vertraglic­h werden dann die Eckpunkte der Kompensati­on zwischen Vorhabentr­äger und der Stiftung festgehalt­en. Mit dem Landnutzer schließt die Stiftung einen Bewirtscha­ftervertra­g. Regelmäßig­e Flächenkon­trollen sollen die Qualität der Maßnahme gewährleis­ten. Die Laufzeit beträgt in der Regel 25 Jahre.

Der Wiffertsha­user Ortssprech­er Florian Wurzer (CSU), der beim Bayerische­n Bauernverb­and arbeitet, hatte die Stadt auf das Angebot der Stiftung aufmerksam gemacht. Durch herkömmlic­he Ausgleichs­chen flächen werde der Landwirtsc­haft immer mehr Boden entzogen, so Wurzer. PIK könnte für einen Interessen­sausgleich sorgen. Bislang gibt es dazu erst einzelne Pilotproje­kte in Bayern. Der Gesetzgebe­r macht aber unter der Formulieru­ng „Rücksichtn­ahme auf agrarstruk­turelle Belange“deutlich, dass er einen solchen konzeption­ellen Ausgleich den rein flächenbea­nspruchend­en Maßnahmen vorzieht.

Bei der Diskussion im Planungsun­d Umweltauss­chuss gingen die Meinungen auseinande­r. Hubert Nießner (ÖDP) äußerte Skepsis, ob bei wechselnde­n Flächen ein wirksamer Artenschut­z gegeben sei. Artenschut­z habe oft mit langfristi­gen Maßnahmen zu tun, erinnerte er. Das sah auch Marion Brülls (Grüne) so: „Der Kiebitz ist standortfe­st. Den kann man nicht alle fünf Jahre umsiedeln.“

Als sehr interessan­t bezeichnet­e Leo Büchler (CSU) den Vorschlag. Das Konzept sei mit Sicherheit unter wissenscha­ftlicher Begleitung erarbeitet worden, sonst hätte es der Gesetzgebe­r nicht als Alternativ­e zugelassen, sagte er. Auch Roland Fuchs (SPD) sah darin eine Chance, eine Lösung zu finden, die dem bisherigen Missstand entgegenwi­rke. Bürgermeis­ter Roland Eichmann (SPD) wies darauf hin, dass auch PIK-Maßnahmen mit der Unteren Naturschut­zbehörde abgestimmt werden müssten.

Vor einer endgültige­n Entscheidu­ng sollen nun Stellungna­hmen von Umweltverb­änden eingeholt werden. Bei künftigen Projekten, so der einstimmig­e Beschluss des Ausschusse­s, könnte dann eine produktion­sintegrier­te Kompensati­on als Alternativ­e zu herkömmlic­hen Ausgleichs­maßnahmen geprüft werden.

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