Maisfeld statt Mittelmeer
Conny Kley hat 30 Jahre lang immer wieder im Ausland gelebt. An ihren Umzügen lassen sich Ereignisse der Weltgeschichte nachvollziehen
Friedberg Briefkästen mit einem großen Aufkleber „Bitte keine Bewerbungen“: So machte sich im Sommer 2008 die Wirtschaftskrise in Spanien bemerkbar. In einem Gewerbegebiet von Malaga trifft das Conny Kley, ihren Mann und ihre vier gemeinsamen Kinder ganz persönlich. Die jüngste Tochter ist gerade ein paar Monate alt. Kleys Mann ist selbstständig. Seine Aufträge brechen ein und bleiben dann ganz aus. Die Mutter versucht, mit verschiedenen Jobs sechs Personen zu ernähren, so wie es vorher ihr Mann getan hat. Vier Jahre lang schafft die heute 57-Jährige es, bevor die Familie nach 13 Jahren in Malaga ihre Sachen packt – und in Friedberg noch einmal von vorne anfängt.
Gute Erfahrungen habe sie damals in der Stadt gemacht. Gerade auch in den Schulen seien ihre Kinder gut aufgenommen und vor allem gut gefördert worden, sagt Kley. Improvisieren, sich anpassen, wenn es die Umstände erlauben, das ist die Spezialität von Conny Kley. Die 57-Jährige kommt gebürtig aus Gersthofen. Mit 17 war sie mit der Schule fertig und wusste nicht so recht, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Da ergab sich die Möglichkeit, für ein Jahr in Südafrika zu arbeiten und dabei einen Sprachkurs zu absolvieren. Dabei bemerkte Kley, dass sie ein Talent für Sprachen hat. „In der Schule hat sich das nie bemerkbar gemacht“, erzählt Kley und lacht. Zurück in der Heimat ließ sie sich zur Hotelfachfrau ausbilden. „Meine auslandsgeschädigte Tochter“, so nannte ihre Mutter die damals 18-Jährige. Es war ein bisschen, als hätte sie in die Zukunft sehen können. Denn schon bald merkte Kley, dass es sie wieder in die Ferne zog. Ein Kollege in ihrem Ausbildungsbetrieb beeindruckte ganz besonders.
Sechs verschiedene Sprachen habe der gesprochen, erzählt
Kley. Jedes Mal, wenn ausländische Gäste ins Haus gekommen seien, hätte man ihn gerufen. Ein Vorbild für Kley. Die erste Sprache, die sie sich vornahm, war Französisch. Sie lernte jedoch nicht mit Büchern oder Kassetten. „Ich habe mich bei einem französischen Reiseveranstalter beworben, ohne ein Wort Französisch zu können“, erzählt die 57-Jährige. Doch nach einiger Zeit suchte sie eine neue Herausforderung, also eine neue Sprache. Spanisch diesmal. Von ihrem ge- sparten Geld bezahlte sie drei Monate Intensivkurs in Malaga. „Das war die Investition meines Lebens“, sagt Kley heute. Danach folgten weitere Stationen in anderen Ländern. In Jugoslawien lernte sie ihren Mann kennen. Nach ein paar Jahren in Deutschland gründeten die beiden in Malaga ihre Familie, bauten dort ein Haus – direkt am Meer. Zogen ihre Kinder groß, bis die Krise kam.
Ihre Liebe zu allem was fern und ein bisschen fremd ist, das kann Kley heute bei den internationalen Frauen ausleben. Dort ist die vierfache Mutter aktiv. Die Gruppe ist eine Initiative der Stadt Friedberg. Um in der Stadt Anschluss zu finden, half die 57-Jährige, den internationalen Freundschaftstag im Rahmen der Feierlichkeiten zu 750 Jahre Friedberg zu organisieren. Dort lernte sie die internationale Frauengruppe kennen. Und ging zu einem Frühstück. „Das Herzstück der Initiative“, sagt Kley. Alle Frauen aus Friedberg können teilnehmen. Wer möchte, bringt etwas zu Essen mit. Die anderen können etwas spenden.
Dazu organisieren die Aktiven Ausflüge oder gemeinsame Abendessen – kürzlich wurde in der Moschee in der Stefanstraße bayerisch-türkisch gekocht. „Dort kann jede Frau hinkommen, egal welcher Nationalität“, sagt Kley. Es gehe darum, ein ganz niedrigschwelliges Angebot zu schaffe, einen geschützten Raum. „Sport, Musik, Kochen/Essen – das vereint die ganze Welt“, findet die 57-Jährige. Und um das miteinander zu teilen, brauche man auch keine gemeinsame Sprache. „Jeder hat seine eigene Geschichte“, sagt Kley. In der Frauengruppe können die Teilnehmerinnen die einander näher bringen.
Von ihrer Wohnung in FriedbergRinnenthal schaut die Familie jetzt eher auf Maisfelder. Den Blick aufs Wasser, den vermisst Kley. „Das Herz, das ist immer noch da, in Malaga, am Strand“, sagt die 57-Jährige. Wenn die Kinder ihre eigenen Wege gehen, dann könnte sie sich vorstellen wieder in den Süden zu ziehen. Vielleicht in die Heimat ihres Mannes, vielleicht woanders hin. Je nachdem, wie sich alles in den nächsten Jahren entwickelt. Und dann wird Kley, ganz typisch, vielleicht auch einfach wieder ein bisschen improvisieren.
OUlrike Proeller, Integrationsbeauftragte der Stadt Friedberg, ist per Telefon unter 0821/65073654 oder per E-Mail an ulrike.proeller@friedberg.de zu erreichen.