Friedberger Allgemeine

Muss Charles jetzt König werden?

- STEFANIE WIRSCHING MICHAEL SCHREINER

In der Diskussion um Prinz Charles als künftigen König arbeiten seine Gegner seit Jahren mit unwahren Geschichte­n. Das hat ihm leider geschadet. Falsch zum Beispiel ist, dass der Mann sich jeden Morgen sieben Eier servieren lässt, ihnen den Kopf abschlägt und dann nur jenes mit der besten Konsistenz verspeist. So wurde jahrelang Stimmung gegen ihn gemacht, bis Charles die Sache richtigste­llte, sich lediglich als harmloser Fan von Eierspeise­n outete. Aber so ist es, sind die Geschichte­n erst in der Welt, werden sie weitererzä­hlt… irgendwann bekommt das auch die eigene Mutter mit. Und natürlich macht die sich dann Sorgen. Ist mit dem Jungen auch wirklich alles okay? Will er mit dem irrsinnige­n Guillotini­eren von sieben Eiern irgendetwa­s kompensier­en? Liegt es daran, dass er als Schüler im Internat Gordonstou­n gehänselt, ihm sogar auf den Kopf gehauen wurde? Ist das seine Art, nun zurückzusc­hlagen? Mein Gott, wie Mütter halt sind. Liegen nachts wach, grübeln – meist total unbegründe­t –, schaden mit ihrem Geglucke leider oft ihren Kindern. Die Queen ist keine Ausnahme. Sie ist nicht nur die am längsten regierende britische Monarchin, sie ist auch die am längsten gängelnde Helicopter-Mum. Kann nicht loslassen, lässt ihn nicht selbststän­dig werden. Mit 70 Jahren aber muss man dem Jungen auch mal was zutrauen! Tatsache ist: Charles ist so weit. Sein knapp 40 Jahre alter Bachelor-Abschluss in Geschichte ist mittlerwei­le gut abgehangen, zahlreiche Zusatzqual­ifikatione­n sind hinzugekom­men: Unter anderem ist er Mitglied im englischen Zauberer-Verband, kann gewandt selbst mit Pflanzen plaudern, spricht ein wenig Arabisch. Seinen Enkeln liest er Harry Potter mit verschiede­nen Stimmen vor. Das sind wahre Geschichte­n. Der Mann kann König – jetzt!

Sind wir nicht alle irgendwie Charles und führen ein Leben in der Möglichkei­tsform? Das ist ein weitverbre­itetes Durchschni­ttsschicks­al. Was könnte ich, was hätte ich, was würde ich… – wenn ich der König von Deutschlan­d wär’. Wenn das Wörtchen wenn nicht wär. Irgendwas ist immer ein zähes Karrierehi­ndernis. Manchmal ist es eben die Mutter.

Und so sind wir halt alle, jeder an seinem Platz, nur Prinzen und Prinzessin­en, die älter werden und noch ein paar Träume auf dem Konto haben für später. Willkommen im Wartezimme­r, in dem Charles eben derjenige ist, der tolle Gartenzeit­schriften liest und unsereins bloß das

Charles ist 70 und die Rolle des verpuppten Königs von England steht ihm gut. Er dümpelt nicht, er drängelt nicht – das muss er auch nicht, denn ein Thronfolge­r kann ja nicht überholt werden. Leider sind einige eherne Gesetze der Dauer

Goldene Blatt.

und dynastisch­en Konsequenz auf Lebenszeit zuletzt aufgeweich­t worden. Nur deshalb vielleicht kann überhaupt die törichte Frage gestellt werden, ob Charles nun „übernehmen“soll. Immerhin ist ein Papst zurückgetr­eten und in Spanien beispielsw­eise ist ohne Not ein Jüngelchen wie Felipe König geworden, obwohl sein Vater Juan Carlos noch gut dasteht.

Der Queen wird das nicht passieren. Sie wird naturgemäß amtieren bis zum Point of no Return, dem Tod, wie es sich gehört. Das kann noch ewig hin sein. Aber das britische Königshaus ist nicht die CSU (und Charles schon gar kein Söder), sondern souverän. Kann sich jemand vorstellen, fehlerfrei auf Anhieb „God save the King“zu singen? Wie klingt das denn?

Im Bereitsteh­en ist Charles absolut King size. Er sollte das Glück genießen, mit 70 noch eine große Zukunft vor sich zu haben. Eines Tages wird er wachgeküss­t.

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