Muss Charles jetzt König werden?
In der Diskussion um Prinz Charles als künftigen König arbeiten seine Gegner seit Jahren mit unwahren Geschichten. Das hat ihm leider geschadet. Falsch zum Beispiel ist, dass der Mann sich jeden Morgen sieben Eier servieren lässt, ihnen den Kopf abschlägt und dann nur jenes mit der besten Konsistenz verspeist. So wurde jahrelang Stimmung gegen ihn gemacht, bis Charles die Sache richtigstellte, sich lediglich als harmloser Fan von Eierspeisen outete. Aber so ist es, sind die Geschichten erst in der Welt, werden sie weitererzählt… irgendwann bekommt das auch die eigene Mutter mit. Und natürlich macht die sich dann Sorgen. Ist mit dem Jungen auch wirklich alles okay? Will er mit dem irrsinnigen Guillotinieren von sieben Eiern irgendetwas kompensieren? Liegt es daran, dass er als Schüler im Internat Gordonstoun gehänselt, ihm sogar auf den Kopf gehauen wurde? Ist das seine Art, nun zurückzuschlagen? Mein Gott, wie Mütter halt sind. Liegen nachts wach, grübeln – meist total unbegründet –, schaden mit ihrem Geglucke leider oft ihren Kindern. Die Queen ist keine Ausnahme. Sie ist nicht nur die am längsten regierende britische Monarchin, sie ist auch die am längsten gängelnde Helicopter-Mum. Kann nicht loslassen, lässt ihn nicht selbstständig werden. Mit 70 Jahren aber muss man dem Jungen auch mal was zutrauen! Tatsache ist: Charles ist so weit. Sein knapp 40 Jahre alter Bachelor-Abschluss in Geschichte ist mittlerweile gut abgehangen, zahlreiche Zusatzqualifikationen sind hinzugekommen: Unter anderem ist er Mitglied im englischen Zauberer-Verband, kann gewandt selbst mit Pflanzen plaudern, spricht ein wenig Arabisch. Seinen Enkeln liest er Harry Potter mit verschiedenen Stimmen vor. Das sind wahre Geschichten. Der Mann kann König – jetzt!
Sind wir nicht alle irgendwie Charles und führen ein Leben in der Möglichkeitsform? Das ist ein weitverbreitetes Durchschnittsschicksal. Was könnte ich, was hätte ich, was würde ich… – wenn ich der König von Deutschland wär’. Wenn das Wörtchen wenn nicht wär. Irgendwas ist immer ein zähes Karrierehindernis. Manchmal ist es eben die Mutter.
Und so sind wir halt alle, jeder an seinem Platz, nur Prinzen und Prinzessinen, die älter werden und noch ein paar Träume auf dem Konto haben für später. Willkommen im Wartezimmer, in dem Charles eben derjenige ist, der tolle Gartenzeitschriften liest und unsereins bloß das
Charles ist 70 und die Rolle des verpuppten Königs von England steht ihm gut. Er dümpelt nicht, er drängelt nicht – das muss er auch nicht, denn ein Thronfolger kann ja nicht überholt werden. Leider sind einige eherne Gesetze der Dauer
Goldene Blatt.
und dynastischen Konsequenz auf Lebenszeit zuletzt aufgeweicht worden. Nur deshalb vielleicht kann überhaupt die törichte Frage gestellt werden, ob Charles nun „übernehmen“soll. Immerhin ist ein Papst zurückgetreten und in Spanien beispielsweise ist ohne Not ein Jüngelchen wie Felipe König geworden, obwohl sein Vater Juan Carlos noch gut dasteht.
Der Queen wird das nicht passieren. Sie wird naturgemäß amtieren bis zum Point of no Return, dem Tod, wie es sich gehört. Das kann noch ewig hin sein. Aber das britische Königshaus ist nicht die CSU (und Charles schon gar kein Söder), sondern souverän. Kann sich jemand vorstellen, fehlerfrei auf Anhieb „God save the King“zu singen? Wie klingt das denn?
Im Bereitstehen ist Charles absolut King size. Er sollte das Glück genießen, mit 70 noch eine große Zukunft vor sich zu haben. Eines Tages wird er wachgeküsst.