Ein kleines bisschen Horrorshow
Das Landgericht Ingolstadt hat zwei junge Männer zu mehrjährigen Jugendstrafen verurteilt. Sie hatten einen Pizzaboten mit Kettensäge und Axt bewaffnet angegriffen. Der war letztlich mit einem gewaltigen Schrecken davongekommen
Ingolstadt Allein das Geräusch einer laufenden Kettensäge an sich ist ja nachweislich vollumfänglich ungeeignet, so etwas wie Wohlbefinden auszulösen. Der kreischende Sound der motorisierten Gerätschaft wird auch nicht besser, wenn gerade jemand damit die Scheibe des Autos durchschlägt, in dem man nächtens sitzt. Dass das Baumfällwerkzeug von der Hand eines jungen Mannes geführt wird, der dem Whiskey und anderweitig berauschendem Rauchwerk bereits ordentlich zugesprochen hat, hilft auch nicht. Und wenn dann – in etwa zeitgleich – ein zweiter Angetrunkener mit einer Axt auf die Windschutzscheibe einschlägt, zieht blanke Panik auf.
Die hatte ein Ingolstädter Pizzabote, der den 2. Januar 2018 sein Leben lang nicht vergessen wird. Auch wenn er den Angriff wie durch ein Wunder zumindest körperlich unversehrt überstanden hat. Das Landgericht Ingolstadt verurteilte die beiden heute 20 und 21 Jahre alten Männer, die ihm diesen Horror beschert hatten, am Mittwoch zu Jugendstrafen von drei beziehungsweise drei Jahren und drei Monaten. Für den 21-Jährigen mit der Ketten- ordnete die Große Jugendkammer außerdem den Maßregelvollzug in einer Entziehungsanstalt an. Die Staatsanwaltschaft hatte für die beiden vorbestraften und wegen versuchten Totschlags, Diebstahls und Sachbeschädigung Angeklagten Jugendstrafen in Höhe von fünfeinhalb Jahren gefordert. Die beiden hätten sich „als Hauptdarsteller in ihrem eigenen kleinen Horrorfilm gesehen“. Die Verteidiger hatten auf Einwei- sung des 21-Jährigen in eine Entziehungsanstalt und auf eine Jugendstrafe von höchstens zwei Jahren und drei Monaten für den 20-Jährigen plädiert.
Die Kernfrage, die das Schwurgericht beantworten musste, war, ob die Heranwachsenden mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt hatten. Die Kammer sah diesen letztlich nicht, denn – so das Kernargument – hätten sie das wirklich vorsäge gehabt, wäre es ein Leichtes gewesen, den Lieferanten mit der Säge tödlich zu verletzen oder gar umzubringen. Richter Thomas Denz fasste die als versuchte gefährliche Körperverletzung gewertete Tat allerdings mit dem viel zitierten Satz zusammen: „Denn sie wissen nicht, was sie tun.“Was sie dem Pizzaboten zugemutet hätten, sei vollkommen „sinn- und hirnlos“gewesen, „eine Machtdemonstration“.
Die beiden Angeklagten hatten in jener Januarnacht gegen 23 Uhr vor einem Haus im Ingolstädter Piusviertel rumgehangen und mit einer Axt und der zuvor aus einem Auto geklauten Motorsäge herumgetan. Der Pizzabote, der gerade ausgeliefert hatte, sprach sie darauf an. Es kam zu einem Wortwechsel, der Pizzabote hatte schließlich damit gedroht, die Polizei zu holen. Daraufhin gingen ihm die beiden hinterher und, als er im Auto saß, auf ihn los – bis ihm die Flucht gelang.
Beide seien zwar berauscht und deshalb auch enthemmt, letztlich aber doch voll schuldfähig gewesen, so das Gericht. Dass sie weitestgehend geständig und unter extrem schwierigen Umständen groß geworden waren, erkannte das Gericht an. Auch die von ihnen gezeigte Reue und die Entschuldigung seien glaubwürdig gewesen. Zu ihren Gunsten wurde ferner gewertet, dass der Pizzabote 4000 Euro im Zuge des Täter-Opfer-Ausgleichs bekommt. Der hatte ihnen sehr souverän vor Gericht verziehen und sie dringend ermahnt, so etwas nie wieder zu tun. Um das auszuschließen, sieht Richter Denz „erheblichen Erziehungsbedarf. Beide müssen mal raus aus ihrem Sumpf.“