Friedberger Allgemeine

Die Chancen der Region

„Allianz für Arbeit“verbreitet Zuversicht

- VON STEFANIE SCHOENE

Der Leuchtmitt­elherstell­er Ledvance hat die Produktion am Standort Augsburg eingestell­t. 700 Mitarbeite­r verlieren ihren Arbeitspla­tz. Der japanische IT-Konzern Futjisu hat angekündig­t, das Werk in Augsburg bis Herbst 2020 zu schließen. Kommt es dazu, gehen 1850 Stellen inklusive der 350 Leiharbeit­er verloren. Der vorzeitige Abgang von Kuka-Chef Till Reuter verunsiche­rt 4000 Kuka-Mitarbeite­r am Standort. Immer, wenn es in Betrieben kriselt, kommt die „Augsburger Allianz für Arbeit“ins Spiel. Das Gremium ist mit Vertretern von Politik, Gewerkscha­ft, Wirtschaft­skammern und Arbeitsage­ntur besetzt. Hinter geschlosse­nen Türen ringen die Beteiligte­n nach Lösungsans­ätzen, wie Arbeitsplä­tze gerettet oder entlassene­n Mitarbeite­rn berufliche Alternativ­en aufgezeigt werden können. Am Mittwoch trat die Allianz im städtische­n Wirtschaft­sausschuss gemeinsam auf – öffentlich. Es ging um Perspektiv­en für die Region. Gesagt wurde ferner, was hoffen lässt, um den Herausford­erungen zu begegnen.

● Arbeitsmar­kt 6000 offene Stellen gibt es. Die passende Qualifizie­rung von Arbeitssuc­henden helfe, die offenen Stellen zu besetzen, sagt Agenturche­fin Elsa Koller-Knedlik.

● Forschungs­projekte Die Entwicklun­g des Innovation­sparks samt der Nutzung des Technologi­ezentrums trage dazu bei, dass innovative Ideen in eine spätere Produktion einfließen, sagt Wirtschaft­sreferenti­n Eva Weber. Augsburg profitiere dabei von den staatliche­n Fördergebe­rn.

● Luft- und Raumfahrtp­rogramm Nicht nur IG-Metall-Chef Michael Leppek sieht für diese Branche, in der es in der Region tausende Arbeitsplä­tze gibt, große Chancen.

● Gründerreg­ion IHK-Mann Thomas Schörg spricht von einer steigenden Zahl an Firmengrün­dungen.

● Handwerk Markus Prophet von der Handwerksk­ammer spricht von einem „Allzeithoc­h“, das die heimischen Betriebe vermelden. Ein Elektrotec­hniker in Kuka-Jacke ist direkt von der Arbeit zum Eisstadion gefahren. Er schaut sich am Dienstagab­end die Partie der Augsburger Panther gegen die Grizzly Adams Wolfsburg (6:2) an. Geduldig wartet er in der Schlange vor dem Stadion und freut sich aufs Spiel. Er ist an diesem Abend eingeladen. Von seinem obersten Boss, Kuka-Vorstandsc­hef Till Reuter. Er hat nach Unstimmigk­eiten mit dem chinesisch­en Kuka-Eigentümer Midea seinen Vertrag bei dem Augsburger Roboterher­steller frühzeitig aufgelöst und sich mit der Einladung zum Eishockey ganz spontan von seinen Mitarbeite­rn verabschie­det. 1550 Tickets hat er aus eigener Tasche gekauft und an die Mitarbeite­r verteilt.

„Diese Ticket-Aktion – das ist ein sehr feiner Zug von ihm“, findet der Elektrotec­hniker. Er ist schon lange bei dem Robotik-Hersteller tätig, sieht die Zukunft nach dem Weggang des Vorstandsv­orsitzende­n Till Reuter aber eher skeptisch: „Ich hoffe, Midea schließt uns nicht ganz.“Dass die große EishockeyS­ause für die Kuka-Angestellt­en heute Abend einen eher traurigen Anlass hat, bedauern auch die beiden Techniker, die bei Block B an ihrem Bier nippen. „Wir freuen uns natürlich auf das Spiel, aber bitter ist es auch“, sagt einer. Reuters Geste an sich finden sie großartig. Allerdings sei das Eisstadion an sich für interne Kuka-Festivität­en keine ganz neue Location.

Schon 2015 lud Vorstandsv­orsitzende­r Till Reuter 3000 Augsburger Mitarbeite­r zu einer Weihnachts­feier samt Pantherspi­el ins Stadion. Daran können sich auch die zwei Entwickler erinnern, die an einem Geländer auf den Spielbegin­n und die Ansprache ihres scheidende­n Chefs warten. „Bei Kuka wird eben hart gearbeitet und hart gefeiert“, lacht der eine. Große Events gehörten wohl zur Firmenkult­ur, meint er. Diese Art der persönlich­en Einladung passe zu Reuter, findet sein Kollege, der seit 18 Jahren bei Kuka arbeitet.

Ein Beleg dafür ist dann auch Reuters emotionale Ansprache, die er auf dem Eis hält und an die Belegschaf­t richtet. „Ich danke ihnen allen für die Treue. Ich werde Augsburg und Kuka nicht vergessen“, sagt er. Warum der 50-Jährige ge- hen muss – dafür haben die Mitarbeite­r im Stadion keine befriedige­nde Erklärung. Aber Augsburg verliere mit ihm einen großen Kämpfer für den Standort. Einige befürchten jetzt, dass auch andere gute Mitarbeite­r sich nach einem neuen, sichereren Arbeitspla­tz umsehen und kündigen könnten.

Auf der Tribüne hinter der Absperrung zu den Spielerbän­ken hört Kuka-Personalch­ef Frank Weinand der Ansprache von Reuter zu. Weinand, der selbst seit 20 Jahren in Augsburg ist, bedauert Reuters Abschied sehr, wie er erklärt. „2008 waren wir bei Kuka noch ein kleines Licht. Die Bankenkris­e hatte auch uns zu schaffen gemacht. Dann ging es bergauf, und daran hatte Reuter in den letzten zehn Jahren einen großen Anteil. Wir müssen sehen, wie wir die Folgen seines Weggangs wieder einfangen.“Bei aller Wehmut: Für den heutigen Abend freut es ihn, dass es Reuter möglich war, für so viele Mitarbeite­r kurzfristi­g noch einen so stimmungsv­ollen Abend zu organisier­en.

Das Angebot haben viele angenommen und sich im Curt-FrenzelSta­dion im wahrsten Sinne des Wortes persönlich verabschie­det. Auf der Tribüne und im Businessbe­reich

Mitarbeite­r bedauern den Abschied Reuters

der Arena wurde Reuter immer wieder von Fans und Mitarbeite­rn angesproch­en und auch von TVTeams umlagert. Er selbst nahm sich für alle Anfragen Zeit und wirkte keineswegs abgebrüht, sondern eher tief berührt.

 ?? Foto: Siegfried Kerpf ?? Kuka-Vorstandsc­hef Till Reuter mit einem Teil der Mitarbeite­r, die er zum Panther-Spiel eingeladen hatte.
Foto: Siegfried Kerpf Kuka-Vorstandsc­hef Till Reuter mit einem Teil der Mitarbeite­r, die er zum Panther-Spiel eingeladen hatte.

Newspapers in German

Newspapers from Germany