Die Wärme kommt aus dem Boden
Im Neubaugebiet an der Afrastraße betreten Lechwerke und Stadt Neuland. Nahezu alle Häuser werden energieeffizient und klimaneutral beheizt
Friedberg Strom aus erneuerbaren Energiequellen – das gehört für die Lechwerke zum Alltagsgeschäft. Rund 75000 solcher Anlagen hängen bereits am Netz des Versorgers und sorgen dafür, dass der Ökostrom-Anteil in der Region weit über dem Bundesdurchschnitt liegt. Die große Herausforderung ist jedoch, diese Energie in Zusammenhang mit Zukunftsthemen wie Wohnen oder Verkehr zu bringen. Umso mehr freute sich LechwerkeVorstand Markus Litpher, dass nun in Friedberg ein innovatives Projekt in Betrieb ging: Nahezu das gesamte Neubaugebiet an der Afrastraße wird energieeffizient und klimafreundlich mit kalter Nahwärme versorgt.
An die 400 Menschen sollen einmal in dem innenstadtnahen Gebiet unterm Berg eine Heimat finden. Die Stadt errichtet zwei Wohnblöcke mit 67 Sozialwohnungen, dazu kommen vier Mehrfamilienhäuser und 17 Reihenhäuser, vier Doppelhaushälfte und mehrere Einfamilienhäuser. Die Lechwerke gaben während der Planungsphase den Anstoß für Überlegungen, hier ein Energiekonzept zu entwickeln.
Gemeinsam mit dem Energieund Umweltzentrum Allgäu in Kempten prüfte die Stadt mehrere Varianten und entschied sich am Ende für eine kalte Nahwärmeversorgung, die sich wegen des hohen Grundwasserstandes in der Lechebene als besonders wirtschaftlich darstellt. Drei sechs Meter tiefe Brunnen genügen an dieser Tiefe, um das zwölf Grad Wasser in ausreichender Menge zu entnehmen. Wärmetauscher übertragen die Umweltwärme des Wassers auf ein Gemisch aus Salz und Wasser, die sogenannte Sole, die über ein Leitungsnetz in die einzelnen Häuser transportiert wird. Dort heizen Wärmepumpen das Brauch- und Trinkwasser so stark auf, dass keine Gefahr eines Legionellenbefalls besteht. Das auf etwa sieben Grad abgekühlte Grundwasser wird über zwei Schluckbrunnen wieder den wasserführenden Schichten im Erdreich zugeführt.
Weil die Sole nur eine Temperatur von zehn Grad hat, geht beim Transport durch die Rohrleitungen keine Wärme verloren – ein entscheidender Vorteil gegenüber klas- Nahwärmenetzen. Zur Umweltfreundlichkeit trägt außerdem bei, dass die Pumpen mit erneuerbarer Energie gespeist werden; wer will, kann sich sogar eine Fotovoltaikanlage aufs Dach setzen und dann die Anlage mit dem eigenen Solarstrom betreiben.
„So ein Zukunftskonzept kann man nur gemeinsam entwickeln und umsetzen“, sagte Lechwerke-Vorstand Litpher bei der Vorstellung der Anlage. Wie die Stadt Friedberg ließ sich auch Bauträger Alois Kolneues per überzeugen, seine Mehrfamilienund Reihenhäuser an das kalte Nahwärmenetz anzuschließen. Zusammen mit einer Dreifachverglasung, Füllziegeln und Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung gelang es so nämlich, den Standard eines KfW-Energiehauses 55 einzuhalten, für den es staatliche Zuschüsse gibt. Dabei konnte sogar auf eine aufwendige Dämmung der Fassade verzichtet werden.
Aus einer Kilowattstunde Strom entstehen nach Angaben der Lechsischen werke vier bis fünf Kilowattstunden Wärme. Die zu erwartenden Heizkosten seien mit anderen Energieträgern vergleichbar. Der Energiestandard sei ein wesentlicher Faktor bei den Verkaufsgesprächen gewesen, berichtete Kolper. Ohne jede Werbung fanden alle Wohnungen und Häuser inzwischen einen neuen Besitzer.
Betreiber der Anlage sind die Friedberger Stadtwerke, die rund 600000 Euro in die Brunnen, die Heizzentrale und das Leitungsnetz investiert haben. Stadtwerke-Geschäftsführer Holger Grünaug rechnet damit, dass sich diese Ausgaben einschließlich einer geringen Eigenkapitalverzinsung refinanzieren lassen, wenn erst einmal alle Häuser am Netz hängen. Wesentlich für die Wirtschaftlichkeit ist der hohe Grundwasserstand im Lechfeld. „Auf vielen Grundstücken geht das gar nicht. Hier ist es ideal“, betonte darum auch Bauträger Kolper.
Bürgermeister Roland Eichmann sieht das Projekt als Einstieg der Stadtwerke in den Wärmemarkt. Zum ersten Mal sei es geschafft worden, eine solche Maßnahme in Friedberg umzusetzen, berichtete er.