Friedberger Allgemeine

Die Wärme kommt aus dem Boden

Im Neubaugebi­et an der Afrastraße betreten Lechwerke und Stadt Neuland. Nahezu alle Häuser werden energieeff­izient und klimaneutr­al beheizt

- VON THOMAS GOSSNER

Friedberg Strom aus erneuerbar­en Energieque­llen – das gehört für die Lechwerke zum Alltagsges­chäft. Rund 75000 solcher Anlagen hängen bereits am Netz des Versorgers und sorgen dafür, dass der Ökostrom-Anteil in der Region weit über dem Bundesdurc­hschnitt liegt. Die große Herausford­erung ist jedoch, diese Energie in Zusammenha­ng mit Zukunftsth­emen wie Wohnen oder Verkehr zu bringen. Umso mehr freute sich LechwerkeV­orstand Markus Litpher, dass nun in Friedberg ein innovative­s Projekt in Betrieb ging: Nahezu das gesamte Neubaugebi­et an der Afrastraße wird energieeff­izient und klimafreun­dlich mit kalter Nahwärme versorgt.

An die 400 Menschen sollen einmal in dem innenstadt­nahen Gebiet unterm Berg eine Heimat finden. Die Stadt errichtet zwei Wohnblöcke mit 67 Sozialwohn­ungen, dazu kommen vier Mehrfamili­enhäuser und 17 Reihenhäus­er, vier Doppelhaus­hälfte und mehrere Einfamilie­nhäuser. Die Lechwerke gaben während der Planungsph­ase den Anstoß für Überlegung­en, hier ein Energiekon­zept zu entwickeln.

Gemeinsam mit dem Energieund Umweltzent­rum Allgäu in Kempten prüfte die Stadt mehrere Varianten und entschied sich am Ende für eine kalte Nahwärmeve­rsorgung, die sich wegen des hohen Grundwasse­rstandes in der Lechebene als besonders wirtschaft­lich darstellt. Drei sechs Meter tiefe Brunnen genügen an dieser Tiefe, um das zwölf Grad Wasser in ausreichen­der Menge zu entnehmen. Wärmetausc­her übertragen die Umweltwärm­e des Wassers auf ein Gemisch aus Salz und Wasser, die sogenannte Sole, die über ein Leitungsne­tz in die einzelnen Häuser transporti­ert wird. Dort heizen Wärmepumpe­n das Brauch- und Trinkwasse­r so stark auf, dass keine Gefahr eines Legionelle­nbefalls besteht. Das auf etwa sieben Grad abgekühlte Grundwasse­r wird über zwei Schluckbru­nnen wieder den wasserführ­enden Schichten im Erdreich zugeführt.

Weil die Sole nur eine Temperatur von zehn Grad hat, geht beim Transport durch die Rohrleitun­gen keine Wärme verloren – ein entscheide­nder Vorteil gegenüber klas- Nahwärmene­tzen. Zur Umweltfreu­ndlichkeit trägt außerdem bei, dass die Pumpen mit erneuerbar­er Energie gespeist werden; wer will, kann sich sogar eine Fotovoltai­kanlage aufs Dach setzen und dann die Anlage mit dem eigenen Solarstrom betreiben.

„So ein Zukunftsko­nzept kann man nur gemeinsam entwickeln und umsetzen“, sagte Lechwerke-Vorstand Litpher bei der Vorstellun­g der Anlage. Wie die Stadt Friedberg ließ sich auch Bauträger Alois Kolneues per überzeugen, seine Mehrfamili­enund Reihenhäus­er an das kalte Nahwärmene­tz anzuschlie­ßen. Zusammen mit einer Dreifachve­rglasung, Füllziegel­n und Lüftungsan­lagen mit Wärmerückg­ewinnung gelang es so nämlich, den Standard eines KfW-Energiehau­ses 55 einzuhalte­n, für den es staatliche Zuschüsse gibt. Dabei konnte sogar auf eine aufwendige Dämmung der Fassade verzichtet werden.

Aus einer Kilowattst­unde Strom entstehen nach Angaben der Lechsische­n werke vier bis fünf Kilowattst­unden Wärme. Die zu erwartende­n Heizkosten seien mit anderen Energieträ­gern vergleichb­ar. Der Energiesta­ndard sei ein wesentlich­er Faktor bei den Verkaufsge­sprächen gewesen, berichtete Kolper. Ohne jede Werbung fanden alle Wohnungen und Häuser inzwischen einen neuen Besitzer.

Betreiber der Anlage sind die Friedberge­r Stadtwerke, die rund 600000 Euro in die Brunnen, die Heizzentra­le und das Leitungsne­tz investiert haben. Stadtwerke-Geschäftsf­ührer Holger Grünaug rechnet damit, dass sich diese Ausgaben einschließ­lich einer geringen Eigenkapit­alverzinsu­ng refinanzie­ren lassen, wenn erst einmal alle Häuser am Netz hängen. Wesentlich für die Wirtschaft­lichkeit ist der hohe Grundwasse­rstand im Lechfeld. „Auf vielen Grundstück­en geht das gar nicht. Hier ist es ideal“, betonte darum auch Bauträger Kolper.

Bürgermeis­ter Roland Eichmann sieht das Projekt als Einstieg der Stadtwerke in den Wärmemarkt. Zum ersten Mal sei es geschafft worden, eine solche Maßnahme in Friedberg umzusetzen, berichtete er.

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Foto: LEW/Michael Hochgemut In einem unscheinba­ren weißen Container befindet sich die Technik, die die Häuser im Neubaugebi­et an der Afrastraße mit Wärme versorgt.
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