In 50 Tagen vom Nordkap nach Mering
Franz Schiele erfüllt sich mit seiner Radtour durch drei Länder einen lang gehegten Traum. Sieben Wochen ist er unterwegs. Trotz der Kälte erinnert ihn das Meer an die Karibik
Kleinere Rad-, Ski- und Bergtouren mit Freunden und seiner Frau hatte Franz Schiele aus Mering schon unternommen. Aber eine mehrwöchige Radtour durch Nordeuropa und dann noch ganz alleine stand noch nie auf seinem Programm. Vom 12. Juni bis zum 1. August 2017 fuhr der 59-Jährige in 50 Tagen 5000 Kilometer vom Nordkap in seinen Heimatort Mering zurück. Ihm gelangen auf der langen Reise herrliche Aufnahmen von Landschaften und Tieren.
„Ich war fünfmal in Norwegen im Urlaub und hatte die Idee zu einer großen Radreise durch das Land. Als mir mein Betrieb eine Abfindung anbot, ergriff ich die Möglichkeit, meinen Traum gleich zu verwirklichen“, erzählt Franz Schiele. Man wisse ja nie, wie lange man gesund bleibe und das noch machen könne, fügt er hinzu. Da der passionierte Bergsteiger auf die Schnelle keinen Reisepartner fand, flog er allein von München nach Oslo, von dort ging es weiter nach Tromsø und Hammerfest. Um sein Fahrrad mitnehmen zu können, musste er es zerlegen und in einen Karton packen. Sein weiteres Reisegepäck waren vier Packtaschen mit Kleidung, Schlafsack, Isomatte und das Einmannzelt.
Nach seiner Ankunft um 23 Uhr war Schiele zwei Stunden damit beschäftigt, sein Fahrrad wieder zusammenzubauen und entschied sich, in der Nähe einer Parkbank zu übernachten. In Norwegen gilt das Jedermannsrecht: Jeder darf übernachten, wo er will. Schiele suchte sich ein trockenes Gelände und bereitete sich mit seinem Kocher Tee, Kaffee und meist Nudeln mit Soße zu. Nur einmal leistete er sich ein Wiener Schnitzel. „Weil es nur 25 Euro statt 40 bis 50 Euro kostete“, sagt er. Trinkwasser stand ihm an Bächen zur Verfügung.
Manchmal kaufte er sich Trockenfisch, den er einweichte und kochte oder als Snack aß. Nur etwa alle fünf sechs Tage suchte Schiele einen Campingplatz auf, um sich zu duschen.
Am ersten Tag war das Wetter schlecht: Er nahm das Schiff nach Honningsvåg, fuhr 34 Kilometer und 900 Höhenmeter bis zum Nordkap, wo bei 4 Grad ein eisiger Wind pfiff und noch Schnee am Straßenrand lag. Seine tägliche Strecke betrug bei 30 Kilogramm Gepäck anfangs 80, später waren es schon 100 Kilometer.
Von den 35 Tagen durch Norwegen waren nur fünf regenfrei. Zwei Tage verbrachte er wegen Dauerregens auf einem Zeltplatz. „Da las ich einen Krimi“, erzählt er. Nach dem sieben Kilometer langen Nordkaptunnel, für den er 45 Minuten brauchte, sah er erste Rentierherden und traf auf einen Radfahrer aus Regensburg, der schon sechs Monate in Spanien, Frankreich, England und Norwegen unterwegs war, sowie auf Australier und Kanadier, die zum Nordkap hinauf radelten.
Schiele kam an Fjorden, modernen Kirchen und Kunst am Wegesrand vorbei. Das Meer war hellblau wie in der Karibik und es gab Sandstrände. Aufgrund der Sommersonnwende erlebte er keine richtige Nacht. „Die Sonne senkte sich bis zum Meer hinunter und ging dann wieder nach oben“, schildert er.
Auf den Lofoten strahlte zum ersten Mal richtig die Sonne. Er traf Elche, Seeadler, Füchse, Kraniche, Austernfischer und Fischotter, aber leider auch 10000 oder mehr Mübis cken an einem Zeltplatz. Mit Trondheim und seinem Dom erreichte er eine der größten Städte des Landes, bevor es über Kristiansund ein Stück mit dem Bus, über Passstraßen an Wasserfällen vorbei weiter nach Kristiansand und mit dem Schiff nach Dänemark ging. Als er dort um 1 Uhr nachts ankam, radelte er noch zweieinhalb Stunden, bis er endlich einen Parkplatz zum Übernachten fand. Er überprüfte vor dem Schlafen sein Rad und wechselte die Kette nach 3000 Kilometern.
Nach fünf Tagen durch flaches Land kam er in Husum an. Weiter ging es über Glückstadt, Bremen, am Weserradweg und Radfernweg Werra entlang, bis er in Bayern mit einem strahlend blauen Himmel eintraf. „Endlich konnte ich meine kurze Hose auspacken“, verriet der passionierte Radfahrer, der den Weg über Schweinfurt, Volkach, Dinkelsbühl, Rothenburg, Donauwörth heim nach Mering wählte. Zu Hause erwartete ihn seine Frau, mit der er täglich telefoniert oder Nachrichten geschrieben hatte. Obwohl er am Schluss der Radtour sehr viel Hunger hatte, kam er sieben Kilogramm leichter, aber mit einmaligen Erlebnissen, neuen Erfahrungen und der Erkenntnis „Nur wer die Ferne kennt, weiß, wie schön die Heimat ist“zurück.
OVortrag Am 15. Januar wird Franz Schiele im Papst-Johannes-Haus um 20 Uhr beim Diavortrag des Alpenvereins Mering über seine Radtour erzählen.