Friedberger Allgemeine

„Gut, dass ich polarisier­t habe“

Heino wird 80! Und verabschie­det sich in den Ruhestand. Als Rocker und Volksmusik­er. Er findet: „Man darf alles nicht so eng sehen“

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EIIN ALBUM DER JJAHRE 1914 BIIS 1918

Sie haben kürzlich gesagt, dass Sie sich maximal wie 60 fühlen. Warum wird es für Sie dennoch Zeit für den Ruhestand?

Heino: Wenn man seit 60 Jahren auf der Bühne steht, muss irgendwann Schluss sein. Es ist immer das Problem, was singe ich auf einer Tournee, was ich noch nicht gesungen habe. Ich habe schon so viele Tourneen gemacht und dabei fast immer das Gleiche gesungen, weil das verlangt wird. 2013 bei der Rockgeschi­chte hatte ich aber ein ganz anderes Publikum. Ich konnte innerhalb von kürzester Zeit mein Publikum um 40 Jahre verjüngen. Ich weiß aber nicht, ob das der richtige Weg ist. Unten stehen junge Leute und auf der Bühne steht ein älterer Herr! Ich frage mich, ob ich denen das zumuten kann. Obwohl ich mich ja fit fühle.

Auch zu Udo Lindenberg kommen viele junge Menschen.

Heino: Der ist immerhin erst 72, das sind acht Jahre Unterschie­d. In der Zeit kann viel passieren …

Wolfgang Petry hat für Sie den Song „Ich atme“geschriebe­n, den er auch zusammen mit Ihnen singt. Ist die Zeile „Ich singe meine Lieder und lande auf dem Schafott“auf Sie gemünzt?

Heino: Ich war in seinem Musical. Das gefiel mir so gut, dass ich ihn spontan anrief und fragte, ob er sich vorstellen könne, auf meinem letzten Album mit mir einen Titel zu singen. Er sagte: „Das mache ich gerne. Du bist Kult, ich bin Kult.“Und dann haben wir den Titel zusammen gesungen. Wäre ich 30 Jahre jünger, hätte ich mir das mit dem Schafott, dem Lügen und Betrügen mehr überlegt. Wolfgang und ich sprechen zwar die gleiche Sprache, aber ich hätte solch ein Vokabular früher nicht benutzt. Aber jetzt bin ich in einem Alter, wo ich mir sage, dass das ganz in Ordnung ist. Man darf das alles nicht so eng sehen.

Von der Punkband Die Toten Hosen haben Sie jetzt den Hit „Tage wie diese“gecovert. Ist das als Seitenhieb auf Campino zu verstehen, der über Ihr Rockalbum „Mit freundlich­en Grüßen“lästerte?

Heino: Ich bin ja ein paar Jahre älter als Campino. Und wenn man älter ist, ist man auch ein bisschen weiser. Ich finde den Titel toll. Er stammt ja aus meiner Heimat. Da sind so viele Stellen drin, die mich an Düsseldorf erinnern. Deswegen wollte ich diesen Hit singen. Da bin ich ganz entspannt.

Hat Kraftwerk Ihre Version von „Das Model“gehört?

Heino: Das weiß ich jetzt nicht, aber auf meinem Album haben wir den Titel so gecovert, wie er von Kraftwerk 1978 gespielt wurde. Zudem haben wir eine Version aufgenomme­n, die ist wesentlich aggressive­r als das Original und dem heutigen Sound angepasst. Aber wir werden sie wahrschein­lich nicht veröffentl­ichen, weil wir davon ausgehen, dass Kraftwerk dann sofort prozessier­en.

Was reizt Sie an beinharter Musik?

Heino: Ich finde Rockmusik gut, weil ich mit meinem Album von 2013 so viel Erfolg hatte. Dass die Leute bei meinen Rockkonzer­ten eine halbe Stunde vor Beginn „Heino ist die geilste Sau der Welt“singen, gibt mir ein gutes Gefühl. Wenn ich dann rausgehe, weiß ich, die sind auf meiner Seite. Und da sollte man doch weitermach­en. Deswegen habe ich jetzt auch wieder einige Titel aufgenomme­n, u. a. von Trio,den Toten Hosen, Kurt Weill. Das macht mir Spaß. Musik kennt keine Grenzen.

Hat es Ihnen auch Spaß gemacht, mit Rammstein in Wacken aufzutrete­n?

Heino: Das hat wahnsinnig Spaß gemacht. Vor allen Dingen, weil die sich bei mir gemeldet haben und nicht umgekehrt.

Haben Sie sich schon Tickets für die kommende Rammstein-Tour besorgt?

Heino: Nein. Ich glaube, die ist ausverkauf­t. Aber ich bräuchte nur den Till anzurufen …

Ist es für Sie als Sänger eine Herausford­erung, Lieder von Rammstein zu singen?

Heino: Es fällt mir zum Beispiel leicht, die „Sonne“zu singen. Da muss ich ja nicht viel singen. (stimmt „jetzt kommt die Sonne“an) Aber der „Enzian“geht über drei Oktaven und ist für einen Sänger eine ganz andere Herausford­erung, ohne jetzt die „Sonne“von Rammstein abwerten zu wollen.

Nun Ihr Abschiedsa­lbum, dann Ihre Abschiedst­ournee. Muss man sich da auf Pyrotechni­k und Lederjacke einstellen?

Heino: Ich weiß es noch nicht. Ich habe ja zwei Themen: Erstens möchte ich mich rockmäßig mit Lederjacke und Totenkopf verabschie­den, und im Herbst mache ich vielleicht noch eine Konzertver­abschiedun­g. Mit den üblichen volkstümli­chen Liedern wie „Ännchen vom Tharau“, „Sah ein Knab ein Röslein stehen“und „Am Brunnen vor dem Tore“. Die kann man aber nur in einem Konzertsaa­l präsentier­en.

Für so manches volkstümli­che Lied wurden Sie einerseits verehrt und anderersei­ts verspottet. Warum polarisier­en Sie so stark?

Heino: Das waren die Medien! In den 1960er Jahren, als die Beatles auf dem Höhepunkt ihrer Karriere waren, kam ich als junger Sänger mit Volksliede­rn an. Ich hatte blonde Haare und blaue Augen. Da bin ich eben so abgestempe­lt worden. Aber ich habe mich für das Volkslied entschiede­n. Gut, dass ich es gemacht und polarisier­t habe! Hätte ich es gemacht wie alle anderen, wäre ich heute vielleicht nicht mehr da.

Ihnen wurde vorgeworfe­n, von den Nationalso­zialisten gesungene Lieder wieder salonfähig zu machen. Haben Sie eine unkritisch­e Haltung zu volkstümli­chem Liedgut?

Heino: Das ist dummes Zeug! Ich wüsste nicht, welche Lieder das sein sollten. Ich habe gute Leute in meinem Team. Die achten bei der Auswahl des Repertoire­s darauf, dass wir nirgendwo anecken. Es gibt bei mir nicht ein einziges anstößiges

Lied.

Wie stellen Sie und Hannelore sich den Ruhestand vor?

Na ja, ich muss abwarten. Erst mal werde ich faulenzen. Lange schlafen und vielleicht mal ein paar Tage länger in Kitzbühel sein, wo wir wohnen. Wir wollen uns mal richtig um uns selbst kümmern. Das wird immer verschlude­rt, weil ich viel unterwegs bin. Heute zum Beispiel sitze ich in Hamburg und Hannelore ist in Bad Münstereif­el geblieben, weil das Reisen für sie stressig ist. Ich bin noch ein bisschen fitter als sie. Wir lassen alles auf uns zukommen. Ansonsten habe ich einen Enkel, der ist jetzt 21 geworden. Er nimmt Gesangsund Gitarrenun­terricht und hat mir das schöne Lied „Der Junge mit der Gitarre“gewidmet. Um ihn will ich mich in Zukunft mehr kümmern.

Hören Sie nach Feierabend Musik?

Heino: Wenn ich Feierabend habe, müssen meine Ohren mal eine Pause machen. Meine Lieblingsf­ernsehsend­ung sonntagabe­nds ist Rosamunde Pilcher. Dann trinke ich ein Gläschen Rotwein und Hannelore einen Rosé. Bei solchen Abenden haben wir Spaß.

Interview: Olaf Neumann

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Volksmusik kann er seit 50 Jahren, aber Gold und Platin gab es zuletzt auch für sein Pop-, Hip-Hop- und Rockalbum „Mit freundlich­en Grüßen“. 2019 will sich Heino, geboren am 13. 12. 1938 als Heinz Georg Kramm in Düsseldorf, mit einer letzten Tournee verabschie­den, das Abschiedsa­lbum „ … und Tschüss“ist jetzt erschienen. Heino und seine Frau Hannelore leben seit 2008 in einer altersgere­chten Wohnung in Bad Münstereif­el. Heino:
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Seine Karriere

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