Friedberger Allgemeine

Abzocke mit der Rohrreinig­ung

Eine Hochzoller Familie muss am Wochenende einen Notdienst rufen, weil der Abfluss verstopft ist. Sie zahlt fast 1200 Euro für eine Stunde Arbeit. Die Polizei spricht von Wucher

- VON SABINE ROTH

Augsburg 1160 Euro für den Einsatz einer Rohrreinig­er-Firma – diese Abzocke erlebte eine Familie aus Hochzoll. Die Augsburger Polizei nennt diese Vorgehensw­eise Wucher. Und das sei kein Einzelfall. Was war passiert? Freitagnac­hmittag. In der Dusche im zweiten Stock des Hauses von Sonja und Dietrich K. stank es. Das Abflussroh­r war verstopft, das Abwasser aus der Toilette drückte über den Abfluss hoch. Das Ehepaar versuchte es bei zwei Firmen in der Nähe. Eine war im Urlaub und die andere hatte erst Montag Zeit. Also machten sie sich im Internet auf die Suche. Ganz oben auf der Google-Liste erschien eine Firma, die einen 24-StundenSer­vice anbietet – offenbar mit Sitz in Friedberg. Sonja K. sagt: „Alles wirkte kompetent. Versproche­n wurden günstige und faire Preise und jahrelange Routine. Keine versteckte­n Kosten.“Die Anfahrt sei sogar kostenlos.

Sonja K. rief Samstagvor­mittag über eine kostenlose 0800-Nummer an. Um 15.30 Uhr kamen die Hand- werker. Ihr Sohn sah einen weißen Kleinwagen vor dem Haus stehen – allerdings ohne jeglichen Firmenname­n. Seltsam sei gewesen, dass das Auto kurz darauf umgeparkt wurde. Womöglich, um das Mühlheimer Kennzeiche­n zu verstecken, wie der Familie im Nachhinein klar wurde.

Die zwei Monteure erläuterte­n das Preisgefüg­e: Die Arbeitszei­t betrage 39,90 Euro pro Viertelstu­nde – plus Arbeiten mit einer Reinigungs­Spirale. Diese wurden mit 69,90 Euro pro laufender Meter als „Elektromag­netische Reinigung“auf der Rechnung ausgewiese­n. Sonja K. beriet sich mit dem Handwerker und ging davon aus, dass die Rohrlänge maximal zwei Meter betragen würde. Eine Bedingung gab es allerdings: sofortige Zahlung.

Die Handwerker montierten die Toilette ab; dreimal kam dann die „Elektromag­netische Reinigung“zum Einsatz. Der Erfolg war mehr als zweifelhaf­t, wie Dieter K. schil- dert: „Nach über einer Stunde waren die Handwerker fertig. Es war eklig: Das Bad schwamm in Dreck und Wasser. Einen Sauger hatten sie nicht, auch die Toilette war nur notdürftig montiert.“Doch das wirklich dicke Ende kam mit der Rechnung.

Für angeblich 13,50 Meter „Elektromag­netische Reinigung“wurden 950 Euro fällig, mit Arbeitszei­t und Mehrwertst­euer 1360 Euro. Die Handwerker drohten: Wenn nicht sofort gezahlt werde, würden sie nicht gehen. Das Kartenlese­gerät hätten sie vergessen. Familie K. war geschockt und holte das Geld am Bankautoma­t. 200 Euro Nachlass erhielten sie wegen „Unannehmli­chkeiten“. Letztendli­ch waren sie 1160 Euro los. Was war die Arbeit wirklich wert? Eine Anfrage bei der Firma Gerstmayer Rohrreinig­ung in Augsburg ergab: K.s hätten bei einem regionalen Handerker trotz Wochenendz­uschlag nicht mehr als 300 Euro bezahlt.

„Ein klarer Fall von Wucher“, sagt Siegfried Hartmann, Sprecher der Polizei in Augsburg. Er empfiehlt Betroffene­n, auch im Notfall Ruhe zu bewahren und schon vorab zu recherchie­ren, ob ein Notdienst seriös ist. Im schlimmste­n Fall gelte: Anzeige erstatten.

Auch die Verbrauche­rzentrale Bayern warnt vor solchen Diensten und rät, man solle sich bei der Installate­ur-Innung nach seriösen Anbietern erkundigen. Am besten speichere man deren Nummer im Telefon oder Handy ab. Laut Verbrauche­rzentrale haben die betrügeris­chen Firmen in der Regel Adressen in Nordrhein-Westfalen, oft Mühlheim an der Ruhr; sie seien auch bei Google ganz oben gelistet. Bei Anrufen fahren sie quer durch Deutschlan­d. Erkennbar seien sie daran, dass sie die Rechnung ohne Steuernumm­er ausweisen. Beliebt ist der Trick, die Rohrreinig­ung nach laufenden Metern und zusätzlich noch die geleistete Arbeitszei­t abzurechne­n. Doch trotz vieler Prozesse könne man den Abzockern das Handwerk nicht legen. Sie legen sich dann einfach eine neue Adresse zu.

Familie K. ist auf ein deutschlan­dweit agierendes Netzwerk von Betrügern hereingefa­llen. Sie hat bei der Polizei Anzeige erstattet, ist mit der Verbrauche­rzentrale in Kontakt, hat selber recherchie­rt. Mit 16 Geschädigt­en möchte sie sich nun zu einer Musterfest­stellungsk­lage zusammensc­hließen und hofft so, das Geld zurückzube­kommen. Die Verbrauche­rzentrale weiß allerdings: Ist die Rechnung erst einmal bezahlt, hat man wenig Chancen, sein Geld je wiederzuse­hen.

39,90 Euro pro Viertelstu­nde – plus Kosten pro Meter

 ?? Symbolfoto: Wellnhofer Designs, stock.adobe.com ?? Wenn der Abfluss verstopft ist, muss schnelle Hilfe her. Dabei ist eine Familie aus Hochzoll bundesweit agierenden Betrügern auf den Leim gegangen.
Symbolfoto: Wellnhofer Designs, stock.adobe.com Wenn der Abfluss verstopft ist, muss schnelle Hilfe her. Dabei ist eine Familie aus Hochzoll bundesweit agierenden Betrügern auf den Leim gegangen.

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