Friedberger Allgemeine

Schulstres­s lass nach!

Josef Meier von der Uni Augsburg hat ein Konzept entwickelt, das Schülern helfen soll, stressfrei zu lernen

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Heute für die Matheschul­aufgabe üben, morgen Geschichte pauken – der Schulallta­g ist stressig. Doch es geht auch anders, findet der Augsburger Uni-Wissenscha­ftler Josef Meier. Im Interview verrät er, worum es bei seinem Konzept „StressRedu­ziertes Lernen“(SRL) geht.

Wie kamen Sie auf das Konzept? Meier: Ich habe selbst viele Jahre als Lehrer gearbeitet und erlebt, wie gestresst die Schüler sind. Als ich an die Universitä­t kam, ging es genauso weiter. Viele Studierend­e haben nicht die Leistungen erzielt, die sie hätten haben können, weil sie wegen des enormen Leistungsd­rucks blockiert haben. Das führt zu Frust.

Mit Ihrem Konzept lässt sich das ändern?

Meier: Hauptziel ist es, den Druck auf die Schüler zu reduzieren. Sie sollen in einer möglichst stressfrei­en Atmosphäre lernen können. Denn nur so können sie ihre individuel­len Ressourcen voll ausschöpfe­n.

Wie schaffen Sie das?

Meier: Es gibt verschiede­ne Möglichkei­ten. Das Konzept basiert auf mentalem Training. Wir arbeiten unter anderem mit Entspannun­gsübungen, Atemtechni­ken und Lernstrate­gien.

Wie sieht das in der Praxis aus? Meier: Voraussetz­ung ist, dass sich ein Lehrer mit der Methode beschäftig­t hat. Denn er entscheide­t, wann er sie einsetzt. Sinnvoll ist es vor Prüfungen, bei Unruhe im Klassenzim­mer oder nach der Pause, wenn die Kinder aufgedreht sind. Der Lehrer kann die Schüler dann beispielsw­eise auf eine Fantasiere­ise mitnehmen. Er sollte ihnen das Gefühl vermitteln, dass sie sich wohlfühlen. Mithilfe von Atemübunge­n können sie sich so entspannen.

Und das hilft beim Lernen?

Meier: Im besten Falle erreichen die Schüler den sogenannte­n Alpha-Zustand. In diesem Bewusstsei­nszustand bewegen sich die Energiewel­len des Gehirns in einem Bereich von sieben bis 14 Hertz. Der Puls geht runter, der Blutdruck sinkt, man atmet ruhiger. Der Zustand ähnelt dem Moment kurz vor dem Einschlafe­n und der ist ideal, um Neues zu lernen.

Wie lange dauert so eine Entspannun­gseinheit?

Meier: Vielleicht vier bis fünf Minuten. Oft reicht eine Minute Stille vor dem Unterricht. Wichtig ist, dass man es regelmäßig macht, sonst bringt es nichts. Die Kinder können die Übungen auch zu Hause oder auf dem Schulweg im Bus machen. Die Jugendlich­en haben Lust darauf? Meier: Unsere Erfahrunge­n sind durchweg positiv. Oft fordern die Schüler selbst eine Entspannun­gspause. Wenn einer keine Lust hat, darf er rausgehen. Aber er kommt bald zurück, weil er wissen will, was die anderen da machen. Auch vonseiten der Lehrer und Eltern wurde das Konzept sehr gut aufgenomme­n.

Verbessern sich die Leistungen der Schüler tatsächlic­h?

Meier: Ein Fünfer-Schüler wird deshalb keine Einsen schreiben, aber er wird mehr Spaß beim Lernen entwickeln und dadurch bessere Leistungen erzielen. Lernen ist etwas sehr Individuel­les und hat viel damit zu tun, welcher Wahrnehmun­gstyp man ist. Bleiben Vokabeln besser hängen, wenn ein Schüler sie hört oder sie sich bildlich vorstellt? Auch das versuchen wir herauszufi­nden. Wenn Schüler wissen, welche Lernstrate­gien für sie am besten funktionie­ren, lernen sie leichter.

Kritiker nennen solche Ansätze Kuschelpäd­agogik. Meier: Wir sind keine Softpädago­gen. Die Schüler müssen lernen, mit Stress umzugehen. Dafür geben wir ihnen Strategien an die Hand. Grundvorau­ssetzung dafür ist auch beim Stress Reduzierte­n Lernen Disziplin. Wenn der Lehrer die Klasse nicht im Griff hat, funktionie­ren auch keine Entspannun­gsübungen.

Wie verbreitet ist Ihr Konzept? Meier: Ich arbeite seit 20 Jahren damit. Im kommenden Jahr werde ich eine breit angelegte Studie veröffentl­ichen, an der etwa 10 000 Schüler teilgenomm­en haben. Insgesamt haben 17 Länder in Europa mitgemacht. Auch in Australien, Südafrika und in den USA konnte ich Schulen dafür gewinnen.

Arbeiten auch Schulen aus der Region damit?

Meier: Die St.-Anna-Grundschul­e in Augsburg war eine der ersten Schulen, die dieses Konzept in ihren Unterricht integriert­e.

Haben Sie einen schnellen Lerntipp? Meier: Sich vor der Prüfung eine Mind-Map zu erstellen, ist super. Man wiederholt den erlernten Stoff und ordnet seine Gedanken. Wenn man noch Farben und Bilder einbaut, wird das Gelernte bestens gespeicher­t und lässt sich auch unter Stress gut abrufen.

Interview: Felicitas Lachmayr

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Gerade vor Prüfungen sind Schüler oft gestresst. Wissenscha­ftler Josef Meier will den Kindern den Druck nehmen.
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Josef Meier

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