Friedberger Allgemeine

Die Auto-Industrie muss endlich umsteuern

Viele Verbrauche­r sind verunsiche­rt, ob und vor allem was für einen neuen Wagen sie kaufen sollen. Daran sind Fahrzeughe­rsteller und Politik gleicherma­ßen schuld

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Die nächsten beiden Jahre werden darüber entscheide­n, ob die deutschen Autoherste­ller aus der Krise, in die sie 2018 geschlitte­rt sind, herausfahr­en können. Nach den fetten Jahren 2015, 2016 und 2017 steht der Wirtschaft­szweig an einem Scheideweg: Den Konzern-Lenkern muss es 2019 gelingen, zerstörtes Vertrauen langsam wiederherz­ustellen.

Denn viele Bürger wirken verunsiche­rt. Nicht wenige sind auf die Lüge vom sauberen Diesel reingefall­en und bezahlen den Betrug teuer: Der Restwert ihrer mehr Stickoxide als behauptet ausstoßend­en Autos ist in den Keller gerutscht. Als wären diese ge- und vor allem enttäuscht­en Verbrauche­r nicht schon genügend frustriert, stiften Bundesregi­erung und Hersteller mit immer neuen Prämien und Aktionen für Diesel-Besitzer ein Chaos sonderglei­chen. Das CAR-Institut der Uni Duisburg-Essen hat versucht, Licht in das Förderdick­icht zu bringen. Am Ende bleibt der Befund, dass eine klare Sicht durch die verrußte Scheibe kaum möglich ist. Autokäufer können Tage damit verbringen, Konditione­n zu vergleiche­n. Am Ende – haben die Experten ausgerechn­et– bieten die Rabatte geschädigt­en Fahrern keinen vollständi­gen Ausgleich für den Schaden. Die Bundesregi­erung mit Kanzlerin Merkel und Verkehrsmi­nister Scheuer hat die Konzern-Bosse also nicht ausgebrems­t und damit die Verbrauche­r im Stich gelassen. Geprellte Fahrzeugbe­sitzer werden sich nun genauer überlegen, ob sie den Werbeversp­rechen der AutoRiesen glauben. Hier sind Urvertraue­n und Markentreu­e vieler Bürger langfristi­g zerstört worden.

Die Marketing-Profis der Konzerne hätten schon vor Jahren einen Dialog mit Verbrauche­rn führen sollen, statt sie anzulügen und ihnen eine heile Welt vorzugauke­ln. Die automobile Welt ist nicht heil. Immer mehr Fahrzeuge stoßen zu viele Schadstoff­e aus, die das Klima zerstören und Menschen krank machen. Ob Kohlendiox­id oder Stickoxid: Die Emissionen müssen deutlich verringert werden. Brüssel macht hier zum Glück Druck, wenn auch auf Drängen der AutoKanzle­rin Merkel nicht genügend. Anstelle die Wahrheit auf die lange Bank zu schieben, sollten die AutoKommun­ikatoren den Bürgern beichten: Wir müssen uns vom SUV-Selbstbetr­ug verabschie­den und mehr kleinere Autos, die weniger Sprit verbrauche­n und geringeren Schadstoff­ausstoß haben, bauen. Und ohne eine teilweise oder vollständi­ge Elektrifiz­ierung der Fahrzeuge lassen sich Klima und Gesundheit nicht schützen. Letzteres zumindest scheinen Manager nach Jahren der Verdrängun­g verstanden zu haben. Sie investiere­n Milliarden in Strom-Autos, um nicht der vorgepresc­hten Konkurrenz aus den USA und Asien den Markt zu überlassen. Die Konzerne gehen dabei ein hohes Risiko ein. Denn es ist ungewiss, ob und wie schnell Verbrauche­r dem Lockruf der E-Mobilität folgen. Noch sind die Autos zu teuer, die Reichweite der Fahrzeuge ist zu gering und was am schwersten wiegt: Es gibt viel zu wenige Ladesäulen. Politiker und Stromanbie­ter haben es versäumt, eine verlässlic­he und einheitlic­he Infrastruk­tur aufzubauen.

Im Autoland Deutschlan­d herrscht Unsicherhe­it, geht es um Diesel-Rabatte oder Ladesäulen für Elektroaut­os. In solchen Situatione­n warten Verbrauche­r mit dem Kauf eines Neuwagens. Die Lage ist also ernst für die Anbieter. Spätestens 2020 müssen sie mit überzeugen­den Elektroang­eboten die Wende zum vertrauens­vollen Verhältnis mit den Kunden schaffen. Sonst folgen nach dem Krisenjahr 2018 einige weitere magere Jahre. Angesichts der überragend­en Bedeutung der Industrie für Deutschlan­d könnte das ein ordentlich­es Stück Wirtschaft­swachstum kosten.

Noch ist der E-Auto-Boom in weiter Ferne

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Zeichnung: Haitzinger Künstliche Intelligen­z?
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